Tweets, Waden und Bösewichte

Von Stefan Petri
Von links nach rechts: Peter Sagan, Bradley Wiggins, Thomas Voeckler, Tejay Van Garderen
© Getty
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Von Null auf Hundert: Stärkste Wade

Im Oberkörperbau sehen sich Radfahrer alle recht ähnlich: Ausgemergelt ist Trumpf. Aber ein Blick auf die Wade verrät mehr als tausend Worte...

Goldener Poulidor (Unentschieden): Peter Sagan, Mark Cavendish

Peter Sagan ist 22 Jahre alt. Mit welch spielerischer Leichtigkeit er bei dieser Tour das Grüne Trikot eingetütet hat (unglaubliche 141 Punkte), das ist schon aller Ehren wert und verrät das unglaubliche Potential des Slowaken. Flache Sprints, ansteigende Zielgeraden, Ausreißergruppen: Alles kein Problem für den "Tourminator", wie ihn sein Team nach der ersten Woche flugs umtaufte. Für seinen Teamchef war Sagans Auftritt ein Riesenerfolg, aber auch ein teurer Spaß: In einer Wette vor der Tour versprach Paolo Zani von Liquigas seinem Schützling ein Auto bei zwei Etappensiegen inklusive Gewinn des Grünen Trikots. Das ging ganz fix, dementsprechend lang hatte er Zeit zum Nachdenken: Für Speed-Freak Sagan gibt es jetzt einen Porsche.

Zu Mark Cavendish wurde schon einiges gesagt. 23 Etappensiege bei der Tour, und der Mann ist erst 27. Der Rekord von Eddy Mercx (34 Etappensiege) ist schon in Sichtweite für den britischen Sprinter mit dem unglaublichen Punch auf den letzten Metern. Wer sich nach zwei Wochen fragte, ob die Führungsarbeit für Wiggins die Kraft aus Cavs Waden gesaugt hatte, wurde eines Besseren belehrt: Der Sprint im Wind auf den Champs-Elysees war beeindruckend (vierter Sieg in Folge auf der Prachtmeile!), der Antritt zwei Tage zuvor einfach nur unfassbar stark. "Ich bin schnell", so Sagan. "Aber Cavendish ist schneller."

Silberner Poulidor: Thomas Voeckler

Der "Über-Ausreißer" ist ein Mann ganz nach dem Geschmack der Franzosen: Sein Gesicht ist wie ein offenes Buch: Jede noch so kleine Anstrengung und Gefühlsregungen kann man darin ablesen. Eigentlich kam er angeschlagen zur Tour, fand aber dann seine Form rechtzeitig wieder, holte sich zwei Tagessiege und trat mit dem Bergtrikot in die Tradition von Richard Virenque. Mit seinem unorthodoxem Fahrstil, seiner riesigen Übersetzung und den Sprints um jede noch so kleine Wertung muss er andere Fahrer einfach nur unglaublich entnerven. Andererseits: Wäre ich ein Fahrer im Peloton, ich würde mich an Voecklers Hinterrad klemmen. Denn dessen Ausreißergruppe kommt einfach immer wieder durch. Es spottet jeder Beschreibung, aber egal ob es die erste oder die zehnte Fluchtgruppe des Tages ist: Wenn Voeckler dabei ist, dann lässt man sie fahren. Irgendwas macht der Mann richtig.

Bronzener Poulidor: André Greipel

Das Rostocker Kraftpaket hat Waden wie andere Sportler Oberschenkel. Mit diesen zwei Siegessäulen und der starken Arbeit von Lotto waren am Ende drei Etappensiege verzeichnet. "Wir haben vielmehr erreicht, als wir jemals gedacht hatten. Das Team war fantastisch und ich bin einfach nur überglücklich", jubelte Greipel nach der Tour. Ein Sieg in Paris wäre die Krönung gewesen, leider reichte es am Ende nur zu Platz acht. Trotzdem hat niemand bei dieser Tour mehr Siege auf dem Konto als der "Gorilla". Fortsetzung folgt im nächsten Jahr.

Trost-Poulidor: Jimmy Engoulvent

Platz 153 von 153 Fahrern. Rückstand auf Wiggins: Drei Stunden, 57 Minuten und 36 Sekunden. Bei Bundesjugendspielen gibt es dafür eine Teilnehmerurkunde, von uns einen Poulidor.

Spritzenleistung: Doping bei der Tour

Es ist traurige Tradtion, dass beim wichtigsten Radrennen der Welt positive Dopingkontrollen auftauchen. Dieses Jahr waren es "nur" zwei, muss man fast sagen. Der Radsport hat ein Dopingproblem, keine Frage. Aber er hat auch funktionierende Kontrollen. Zynismus gibt es bei der Tour im Supersonderangebot, deshalb zäumen wir das Thema hier von der anderen Seite auf.

Goldener Poulidor: David Millar

Einen ausgewiesenen Ex-Doper wie Miller hier zu erwähnen, lässt schon tief blicken, oder? Diesmal nicht. Nach seinem Sieg auf der zwölften Etappe ließ der 35-Jährige aufhorchen. "Ich bin ein Ex-Doper und heute bin ich sauber. Ich will allen zeigen, dass es möglich ist, bei der Tour sauber zu gewinnen", verkündete er danach. Natürlich, Zweifel bleiben. Aber die Art und Weise, wie Millar mit seiner Vergangenheit umgeht, ist aller Ehren wert. "Nennt mich weiter Ex-Doper, denn ich habe diese Fehler gemacht und es ist wichtig, dass sie nicht vergessen werden." Davon könnten sich andere überführte Profis eine Scheibe abschneiden.

Silberner Poulidor: Bradley Wiggins

Für seinen "Fucking wanker"-Ausbruch hat der Toursieger jede Menge Kritik einstecken müssen, schließlich steht der Mann im Gelben Trikot irgendwo auch stellvertretend für den ganzen Sport. Die Kraftausdrücke hätte es nicht gebraucht, aber Respekt gebührt Wiggins für seinen Aufsatz im "Guardian" sechs Tage danach. Eloquent beschrieb er, dass seine guten Leistungen keineswegs aus dem Nichts gekommen sind und was ihn Doping kosten würde: Ruf, Beruf, Ehe, Familie, etc. Er würde lieber im Discounter Regale auffüllen als unerlaubte Mittel zu nehmen.

Der Ruf nach mehr Attacken und spannenderer Fahrweise ist für ihn nachvollziehbar, aber "der Radsport hat sich verändert. Die Tour ist durch die Kontrollen der UCI humaner geworden. Die Leute wollen diese unglaublichen 220-km-Soloausritte durch die Berge, aber das ist vielleicht einfach nicht mehr realistisch." Auch da hat er Recht: Zuschauer wollen absurde Leistungen sehen, sind dann aber sofort mit Doping-Vorwürfen zur Stelle.

Holzköpfiger Poulidor: Fränk Schleck

Es gilt die Unschuldsvermutung - ja, selbst für Radsportler! - aber im Licht der Vergangenheit fällt es doch sehr schwer, dem älteren der Schleck-Brüder seine Unschuld abzukaufen. Jemand hat es mir verabreicht! Es ist aus Versehen in meinen Körper geraten! Das klingt einfach nicht richtig überzeugend. Bitter für ihn, dass sich Contador schon letztes Jahr die Steak-Ausrede gesichert hat.

Wenn man dann noch die Tatsache berücksichtigt, dass Schleck seinerzeit auf der Liste von Doping-Doc Fuentes stand, hat man, salopp ausgedrückt, einfach keinen Bock mehr auf diese Ausreden-Scheiße. Wir werden sehen, ob es vom Weltverband eine harte Strafe, oder doch nur einen Klaps aufs Patschehändchen gibt.

Teil 1: Bester Tweet, Bester Sportsmann

Teil 2: Stärkste Wade, Doping bei der Tour

Teil 3: Bester Bösewicht, Lebenswerk

 

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