"Zurück in der Steinzeit"

Von Torsten Adams
Lance Armstrong schloss seine letzte Tour de France als 23. ab
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Die deutschen Fahrer: Nur Voigt mit Bestnote

Erstmals seit fünf Jahren kein Etappensieg. Kein Top-Ten-Fahrer. Ohne Chance im Kampf um Grün. Aussichtslos in der Bergwertung.

So vernichtend hört sich das Fazit aus deutscher Sicht an.

Besonders für das einzige deutsche Team Milram endete die Tour in einem Desaster. Mit verblüffender Regelmäßigkeit verpassten die Milchmänner erfolgreiche Fluchtgruppen, von einem Tageserfolg ganz zu schweigen. Milram-Fahrer sucht man unter den besten 70 Profis vergebens.

Holczer: Milram in Abwärtsspirale

Ein zweiter Platz von Gerald Ciolek war das höchste der Gefühle. Der 22. und damit letzte Platz in der Teamwertung spricht Bände. Was hat da nicht gepasst?

"Ich habe es selbst oft genug erlebt, dass man mit einer gewissen Erwartungshaltung zur Tour kommt und es am Ende anders läuft als geplant", sagt Ex-Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer im Gespräch mit SPOX. "Mir liegt es also fern, Milram für die schwache Tour zu kritisieren."

Durch die ausgebliebenen Erfolge in den ersten Etappen sei eine Eigendynamik entstanden, man sei in eine Abwärtsspirale gelangt, die ganz schwer zu durchbrechen ist, so Holczer.

Milram fehlt Teamgeist

Der Knackpunkt für das Dortmunder Team lag bereits in der ersten Tourwoche. Team-Manager Gerry van Gerwen verkündete, dass kein neuer Sponsor in Sicht sei. Man kann sich vorstellen, wie die Hiobsbotschaft bei den Fahrern ankam.

Sie zog den Cioleks, Wegmanns und Gerdemanns den Boden unter den Beinen weg, nahm ihnen den Ehrgeiz und den 100-prozentigen Ehrgeiz, den inneren Schweinehund beim härtesten Radrennen der Welt zu bekämpfen. "Denn eins ist klar", sagt Holczer: "Die Tour ist extrem schwer. Punkt. Aus. Ende."

Van Gerwen hat es nicht geschafft, die dringend benötigte mentale Stärke und Teamgeist in die Mannschaft hineinzubringen. Stattdessen wählte er den denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, um den Fahrern die bevorstehende Kündigung zu eröffnen und gab ihnen damit eine Ausrede für ihre Erfolglosigkeit. Denn für wen oder was soll man sich quälen, wenn der Laden ohnehin bald dicht gemacht wird?

Holczer: "Hätte Gerdemann nicht kritisiert"

Klar, einem Linus Gerdemann hätte man vor der Tour deutlich mehr zugetraut. Wenn nicht die Top Ten, dann aber doch ein Platz unter den 20 besten Fahrern. Aber Rang 84 mit 2:36:15 Stunden Rückstand?

Doch statt den Münsteraner aufzubauen und sich vor seinen Kapitän zu stellen, nagelte ihn van Gerwen in der Öffentlichkeit an die Wand. "Linus ist ein super Kerl, ein guter Redner und ein schöner Junge, aber ein bisschen gehört auch der sportliche Erfolg dazu."

Die Aussage zeigt die Verzweiflung und die Ratlosigkeit angesichts der wohl bevorstehenden Auflösung des Rennstalls. Statt sich schützend vor seine Fahrer zu stellen, werden sie öffentlich infrage gestellt. Dass die Reaktion van Gerwens kontraproduktiv war, meint auch Holczer: "Ich hätte Gerdemann in dieser Form nicht kritisiert."

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Bestnote für Voigt

So wird es 2011 erstmals nach 20 Jahren kein deutsches Team bei der Tour geben. Das bittere Szenario treibt Altmeister Jens Voigt die Tränen in die Augen: "Ich habe den Eindruck, dass wir zurück in der Steinzeit sind. Das ist ein unschöner Zustand. Das ist traurig und schade."

Zusammen mit Andreas Klöden (Gesamt-14.) war der 38-Jährige noch der einzige Lichtblick unter den deutschen Fahrern und hat sich durch seine unvergleichliche aufopfernde Fahrweise einmal mehr die Bestnote verdient.

Für Klöden, den zweimaligen Gesamtzweiten der Tour, sind die besten Tage in Frankreich gezählt. Selbst wenn der Wahlschweizer im nächsten Jahr nach Armstrongs Abgang als RadioShack-Kapitän zur Tour kommen sollte, ist ein Platz auf dem Podium für den dann 36-Jährigen außer Reichweite.

Martin mit falscher Vorbereitung

Für Tony Martin war schon nach den ersten Bergen klar, dass ein Platz unter den ersten 30 reine Utopie ist. Unerwartet früh musste der 25-Jährige reißen lassen, wenn es bergauf ging.

Einzig mit den beiden zweiten Plätzen bei den Zeitfahren hinter Dominator Fabian Cancellara wusste Martin zu überzeugen. Doch mehr als Rang 137 mit gut dreieinhalb Stunden Rückstand war nicht drin.

"Ich habe in der Vorbereitung Fehler gemacht", gestand Martin ein: "Mein langfristiges Ziel für die nächsten vier, fünf Jahre bleibt es aber, unter die besten Fünf zu fahren."

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