Voigt: "Vielleicht ist das die letzte Tour"

SID
Jens Voigt (v.) fuhr 2001 einen Tag im Gelben Trikot der Tour de France
© Getty

Der einstige Tour-"Ausreißer-König" Jens Voigt ist mit seiner Rolle als Bodyguard zufrieden: "Es ist schon ein schönes Rennen, aber auch stressvoll", so Voigt am Rande der 96. Tour de France.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Mit seinen Solofahrten ist Radprofi Jens Voigt nicht nur bei der Tour de France in die Geschichtsbücher gefahren. Mittlerweile ist Voigt aber auch mit seiner Rolle als Bodyguard für die beiden jungen Luxemburger Fränk und Andy Schleck sehr zufrieden.

Frage: Die langen Fluchten von Jens Voigt gehören mittlerweile zur Tour de France wie das Gelbe Trikot. Haben Sie von Teamchef Bjarne Riis auch in diesem Jahr grünes Licht für eine Solofahrt?

Jens Voigt: Wir entscheiden das von Tag zu Tag. An einem Tag bin ich der Mann für die Spitzengruppe, am anderen bin ich der Bodyguard der Schleck-Brüder. Ich bin ein Fahrer, bei dem sie sich sicher fühlen, der sie heil ins Ziel bringt.

Frage: Abgesehen von der Teamorder. Juckt es Ihnen nicht in den Fingern?

Voigt: Man fühlt von beidem so ein bisschen. Wenn man vorne ist, denkt man: Verdammt. Vielleicht klappt es doch nochmal. Auf der anderen Seite ist es ein bisschen ruhiger und stressfreier, wenn man hinten beim Käpt'n bleibt.

Frage: Lance Armstrong ist einen Tag jünger als Sie und ist wieder ganz vorn dabei. Wie stark ist er Ihrer Meinung nach?

Voigt: Es war noch nicht die Gelegenheit da, dass jeder seine Beine testen konnte. Aber er sieht sehr gut aus, einmal ging er sogar einer Fluchtgruppe hinterher. Da dachte ich, was soll das denn? Der ist siebenmaliger Toursieger. Also entweder fühlt er sich sehr stark oder er hat sich in die Rolle als Helfer reingefunden.

Frage: Das Team Astana fährt bisher sehr eindrucksvoll. Hofft man, dass der Konflikt zwischen Armstrong und Alberto Contador die Mannschaft vielleicht schwächt?

Voigt: Wenn Andy Schleck (Kapitän von Voigts Team Saxo Bank, d. Redaktion) einen superstarken Tag hat, fährt er sie hoffentlich alle zusammen in Grund und Boden. Aber wenn nicht, wäre sowas sicherlich eine Möglichkeit. Contador und Armstrong sind beide Führerpersönlichkeiten, sie sind beide Leader. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die es leicht finden, nebeneinander zu agieren.

Frage: Sind sie denn rein sportich zu schlagen?

Voigt: Am Ende geht es berghoch. Da helfen dir auch keine 100 Domestiken. An dem Zeitpunkt bist du alleine mit deinen Schmerzen und deinem Können. Das ist so ein Moment der Wahrheit.

Frage: Was halten Sie von Tony Martin? Ist er die neue deutsche Radsport-Hoffnung?

Voigt: Ach, das habe ich schon ein paar Mal gehört. Man sollte den Vorschusslorbeer nicht zu früh verteilen. Das hilft auch dem jungen Menschen nicht, wenn man die zu sehr hochjubelt. Als junger Mensch neigt man ja doch dazu abzuheben, sich für unschlagbar, unverwundbar und unfehlbar zu halten. Und ruckzuck trainierst du ein bisschen weniger, kriegst auch noch Druck von außen, die Presse schlägt auf dich ein, und du weißt nicht mehr, wo vorn und hinten ist. Tony ist ein vernünftiger Kerl. Die Gefahr, dass er abhebt, ist nicht sehr groß. Aber er wird in den Alpen noch leiden müssen, aber das ist ja normal.

Frage: Bei Ihrer ersten Tour 1998 gab es den Festina-Skandal. Sie haben am Start gesagt, sie möchten endlich mal eine ruhige Tour ohne Dopingskandal fahren. Klappt es dieses Jahr?

Voigt: Wenn man die letzten Jahre betrachtet, war das bisher wunschgemäß. Natürlich kommen immer wieder Geschichten hoch, es werden Sachen neu entdeckt und Bernhard Kohl gibt mal wieder ein Interview. Dass aber fünf Mann überführt werden, das hatten wir nicht. Das ist doch eigentlich, wage ich zu hoffen, ein gutes Zeichen.

Frage: Sie sprechen Bernhard Kohl an, der bei jedem Interview ein bisschen mehr preisgibt. Glauben Sie ihm noch?

Voigt: Meine Meinung ist da relativ klar. So einer wie Bernhard hat uns ja offensichtlich seine ganze Karriere lang belogen. Im ersten Geständnis hieß es, ich habe einmal gedopt. Dann zweimal, dann zwei Jahre, jetzt zehn Jahre. Dadurch untergräbt man doch seine Glaubwürdigkeit, und ich würde da eigentlich keine 50 Cent mehr auf die Meinung geben. Dass er sich zur Tour äußert, ist doch klar. Jeder sucht sich diese Plattform, um seine 15 Minuten Ruhm zu haben. Dafür muss die Tour herhalten.

Frage: Angenommen, die Dopingskandale bleiben aus. Ist das dann Ihre letzte Tour?

Voigt: Es ist schon ein schönes Rennen, aber auch stressvoll. So ein Erlebnis wie bei meiner Flucht am Sonntag hilft natürlich auch nicht. Vor zwei Jahren wäre ich da mitgefahren und hätte sie am Ende platt gemacht. Heute sagt man sich: Junge, du bist bald 38 und vielleicht ist das die letzte Tour. Vielleicht schaffe ich die Qualifikation für das Team nicht mehr, weil viele junge Talente nachrücken.

News und Hintergründe zur Tour der France