Ist positiv nun positiv?

Von Torsten Adams
Schumacher, Tour, de, France
© Getty

München - Am 5. Juli 2008, pünktlich um 12.30 Uhr, eröffnete Tour-Direktor Christian Prudhomme die 95. Austragung der Großen Schleife mit dem Motto: "Tour der Erneuerung".

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Nur zehn Etappen, 1738,5 Kilometer und elf Renn-Aufgaben später ist die Radsportwelt um eine Erkenntnis reicher: Die dunkle Wolke des Dopings schwebt nach wie vor über dem Peloton.

Doch es gibt auch außerhalb der Doping-Thematik Positives zu vermelden: Die Horde junger Wilder etwa, die der Tour ihren Stempel aufdrückt.

Oder die Spannung im Gesamtklassement: Anders als in den Jahren zuvor gibt es 2008 auch nach den ersten beiden Hochgebirgsetappen noch mehr als zwei Anwärter auf den Toursieg.

Am ersten Ruhetag ist die Zeit reif für ein Zwischenfazit:

Die Überraschung: Team Gerolsteiner. Und das gleich in zweifacher Hinsicht: Zum einen, weil mit Stefan Schumachers beiden Tagen in Gelb nicht einmal er selbst gerechnet hatte und Bernhard Kohl an einer Podiumsplatzierung schnuppert.

Zum anderen - und das ist weniger erfreulich - dass eben jener österreichische Bergfloh der deutschen Hoffnung fürs Gesamtklassement, Markus Fothen, das Kapitänsamt entrissen hat.

Die Neuentdeckung: Gerald Ciolek. Gerade mal 21 Lenze hat der Pulheimer in den schnellkräftigen Oberschenkeln und schon lehrt er die Zabels, McEwens und Hushovds bei seiner Tour-Premiere das Fürchten.

Steht wie kein anderer als Synonym für die Wachablösung der alten Sprinter-Garde. Der Lohn: Milram will den U-23-Weltmeister als Nachfolger von Erik Zabel verpflichten.

Der Gewinner: Team Columbia. Dominierte die erste Tourwoche nach Belieben. Die Bilanz nach zehn von 21 Etappen im kunterbunten Farbenspiel: 4 Tage Gelb, 5 Tage Weiß, 6 Tage Grün. Dazu zwei Etappensiege.

Columbia stellte mit Kim Kirchen und Mark Cavendish die beiden Protagonisten der ersten Halbzeit und fuhr dermaßen stark, dass sich Team-Direktor Rolf Aldag nach Etappe acht in ungewohnter Geberlaune präsentierte: "Wir hätten das Gelbe Trikot gerne verschenkt. Aber niemand wollte es haben."

Der Verlierer: Alejandro Valverde. Ein Start nach Maß: Etappensieg und Gelb zum Tourauftakt. Spätestens jetzt einer der Top-Favoriten auf den Toursieg.

Doch dann der Absturz: Platz 23 im Einzelzeitfahren von Cholet, Sturz auf Etappe fünf und Einbruch am Schlussanstieg nach Hautacam. Vielleicht ein gutes Zeichen, das zeigt, dass der Spanier auf Frankreichs Straßen ohne übernatürliche Kräfte unterwegs ist.

Das Fragezeichen: Saunier Duval. Das spanische Team gibt Rätsel auf. Sobald es bergauf geht, sind die Bergziegen nicht mehr zu halten: Zunächst die beiden beeindruckenden Tagessiege von Riccardo Ricco, dann der Doppelschlag von Leonardo Piepoli und Juan Jose Cobo in der Höhenluft der Skistation Hautacam.

Die Dominanz des SDV-Express' ist extrem auffällig - und der Zweifel fährt bei jeder Pedalumdrehung von Ricco und Piepoli mit. Denn die beiden sind in Kreisen der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD wahrlich keine unbeschriebenen Blätter.

Der Eklat: Der Fall Manuel Beltran. Sieben Etappen hat es gedauert, bis auch die 95. Tour ihren ersten Dopingfall hervorbrachte. Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer sprach aus, was viele dachten: "Beltran ist ein unbelehrbarer, alter ... - und jetzt könnte man jedes beliebige Schimpfwort einfügen."

Doch nicht wenige beurteilen den Fall des mit Handschellen abgeführten Spaniers mit Zuversicht. So wie Tour-Direktor Prudhomme: "Die Tests wirken. Das Gute ist, dass damit ein Betrüger weniger auf den Straßen der Tour fährt." Ist positiv nun positiv?

SPOX-Prognose zum Toursieg: Die Vorentscheidung im Gesamtklassement fällt auf der 17. Etappe: Die mythischen 21 Kehren von L'Alpe D'Huez laden zum absoluten Showdown der Tourfavoriten ein und werden von jedem Radsportfan als Leckerbissen im Kalender vermerkt.

Der Kampf um Gelb bleibt dennoch spannend bis zum 53 Kilometer langen Einzelzeitfahren der vorletzten Etappe.

Erst dann zeigt die Gesamtwertung die Namen der Männer in der Reihenfolge, in der sie auch einen Tag später auf dem Podium in Paris stehen werden.

Unser Tipp: Cadel Evans vor Denis Mentschow und Carlos Sastre.

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