Degenkolb "motiviert", aber unsicher

SID
John Degenkolb freut sich auf die WM in Spanien
© getty

John Degenkolb weiß, was auf ihn zukommt, doch der WM-Hoffnungsträger des Bundes Deutscher Radfahrer ist ja Schmerzen gewohnt. "Radsport ist eine riesengroße Quälerei, aber wir sind ein Haufen harter Kerle", sagte der Thüringer im Vorfeld des 254,8 Kilometer Straßenrennens am Sonntag.

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Es ist der finale Höhepunkt der Titelkämpfe im spanischen Ponferrada - und der BDR-Kapitän war dafür eigentlich einer der Podiumsanwärter, sogar der erste deutsche WM-Titel seit Rudi Altig (1966) nicht ausgeschlossen.

Eigentlich, denn Degenkolb lag bis zum vergangenen Samstagvormittag noch in einer Klinik in seiner Frankfurter Wahlheimat. "Vor einer Woche ging es mir ziemlich schlecht, das war ein größerer Tiefschlag", sagte der 25-Jährige. Eine Infektion in der Leistengegend war ausgebrochen, nachdem sich eine Sturzverletzung an der rechten Hüfte entzündet hatte. Degenkolb war da gerade voller Selbstvertrauen gewesen, hatte vier Etappen bei der Vuelta gewonnen und dazu das grüne Punktetrikot. Doch sein enormer Wille ließ ihn nicht verzagen.

Start steht nichts mehr im Wege

Am Dienstag reiste der bergfeste Sprinter und Klassikerspezialist in die Provinz Leon, und die Leistungstests im Training überstand er ebenso schadlos. Seinem Start steht nun nichts mehr im Wege, hinter der Form allerdings ein dickes Fragezeichen. "Ich bin super motiviert, aber sobald ich sehe, es macht keinen Sinn, ich komme nicht ins Finale, werde ich ein Signal geben", sagte er.

Seine Entzündungswerte im Blut haben sich stabilisiert, doch gut fünf Tage im Krankenbett natürlich auch Spuren hinterlassen. "Ich fühle mich noch etwas träge, mir fehlt die Spritzigkeit", gestand der Star des künftigen Giant-Alpecin-Teams, "aber ich bin froh, dass so viel Vertrauen in mich gesetzt wird."

Kittel setzt auf Degenkolb

Die Aussichten jedoch haben sich "jetzt geändert. Ich kann es ganz schwer einschätzen", sagte der gebürtige Geraer. Sein Teamkollege Marcel Kittel, der auf dem 18,2 km langen recht bergigen Rundkurs nicht dabei ist, traut Degenkolb noch immer etwas zu. "Ich bin der Überzeugung, wäre er nicht hundertprozentig fit, wäre er nicht nach Spanien geflogen. Mit dieser Einstellung kann man schon ein bisschen anfangen zu träumen. Ich möchte ihm nicht zu viel Druck machen, aber ich bin ganz sicher, wenn er einen guten Tag erwischt, ist alles möglich", sagte der achtmalige Tour-Etappensieger dem "SID".

Ein übermäßiges Risiko birgt Degenkolbs Start nicht. "Wir haben die Blutwerte hier noch einmal überprüft. Ich setze meine Gesundheit nicht aufs Spiel, aber ich werde auf die Zähne beißen müssen", sagte er. Sollte seine Tagesform keine Top-Platzierung zulassen, hat das BDR-Team einige mögliche Joker. In erster Linie könnten der entthronte Weltmeister Tony Martin ("Ich bin mental so fit, einen Haken hinter das Zeitfahren zu machen"), Dominik Nerz oder Paul Martens diese Rolle übernehmen. Sprinter André Greipel wird sich als Helfer in den Dienst der Mannschaft stellen. "Mit einem idealen Szenario können wir etwas Großes erreichen", sagte Martens.

Die Favoritenbürde tragen nun aber andere. Die Spanier müssen bei ihrer Heim-WM Verantwortung übernehmen und haben in Alejandro Valverde und Joaquim Rodriguez zwei heiße Kandidaten. Australien fährt für Simon Gerrans, die Italiener für Tour-de-France-Gewinner Vincenzo Nibali. Der größte Goldaspirant ist aber der Schweizer Fabian Cancellara, der extra das Zeitfahren ausgelassen hatte, um erstmals das Regenbogentrikot im Straßenrennen zu holen. "Der letzte Berg", sagte Degenkolb, "ist eine Steilvorlage für Cancellara."