Jan Ullrich: "Ich bin ein ehrlicher Mensch"

Von Adrian Bohrdt
2005 noch entspannt auf dem Siegerpodest, sind sich Armstrong und Ullrich heute nicht mehr grün
© getty

Jan Ullrich fühlte sich während seines Doping-Prozesses überfordert und allein gelassen. Als Sündenbock sieht er sich nicht, auch die Überführung von Lance Armstrong sei keine Genugtuung.

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Aufgrund seiner Verwicklung in den spanischen Dopingskandal war Jan Ullrich 2006 von der Tour de France ausgeschlossen worden und beendete nach der darauffolgenden Kündigung seines Vertrages durch das T-Mobile-Team seine Karriere. In einem Interview äußert sich der 39-Jährige jetzt zu den Vorkommnissen sowie seiner Rolle als Sündenbock und erklärt, warum er zu den Doping-Vorwürfen bislang geschwiegen hatte.

"Ich war damals mit der Situation überfordert. Auch von meinem damaligen Arbeitgeber Telekom war keiner da, der mit mir gesprochen hat. Gekündigt wurde mir per Fax", schildert Ullrich in der "Sport Bild". "Wenn ich nach Bonn zitiert worden wäre und mit allen Verantwortlichen am Tisch gesessen hätte, wäre vielleicht etwas anderes herausgekommen."

Aber so sei er alleine und durcheinander gewesen: "Ich war der erste Sportler, der auf einmal mit einer Strafanzeige wegen Betrugs konfrontiert war. Im Extremfall geht man da jahrelang in den Knast." Deshalb habe er geschwiegen: "Da habe ich natürlich erst mal den Kopf eingezogen. Ich habe Fehler gemacht, aber ich bin doch kein Unmensch. Jeder hat eine zweite Chance verdient, auch ich."

Resultate nachträglich aberkannt

Nach seiner Entlassung 2006 aufgrund des Kontaktes zu dem Arzt Eufemiano Fuentes, der seit mindestens 2003 über ein weitläufiges Netzwerk Dopingmittel an internationale Radsportler verkaufte, wurde Ullrich 2012 vom internationalen Sportgerichtshof mit einer Dopingsperre belegt. Alle Resultate seit 2005 wurden ihm aberkannt.

Für den Gewinner der Tour de France 1997 eine "fürchterliche Zeit. Das ganze juristische Hickhack nahm einfach kein Ende. Ich hatte acht Anwälte, das hat mich eine Millionensumme gekostet. Aber viel schlimmer war die psychische Belastung."

Deshalb sei er froh gewesen, "als die Sperre verhängt wurde. Ich wollte einfach nur einen Schlussstrich und ein neues Leben anfangen".

Fuentes wurde seitdem der Prozess gemacht, von seinen Kunden sind aber bisher nur die Radsportler bekannt geworden. Für Ullrich die richtige Entscheidung: "Warum sollte man jetzt noch andere Sportarten kaputt machen? Woran sollen die Leute dann noch glauben?"

Ullrich: "Ich hatte immer viel Zuspruch"

Trotz seiner Doping-Vergehen habe er sich aber auf seine Fans verlassen können. "Ich hatte immer viel Zuspruch. Die Fans sind mir treu geblieben. Es kam zu 99 Prozent positive Post", berichtet Ullrich. "Wer mich kennt, weiß, dass ich ein ehrlicher Mensch bin."

Lange Zeit war Ullrich der einzige prominente Radsportler, der wegen Dopings seinen Job verlor. Mittlerweile sind die Kontrollen stärker, die Strafen härter. "Der Radsport hat sich selbst aufgeklärt", so sein Fazit. Mittlerweile sei den Leuten auch seine Aussage klar, wonach er niemanden betrogen habe. Schließlich hätten alle das Gleiche gemacht. Heute sei das Kontrollsystem dagegen "fast lückenlos".

Dass später auch Ullrichs alter Rivale Lance Armstrong des Dopings überführt wurde ist für den gebürtigen Rostocker dennoch keine Genugtuung: "Ich gönne niemandem etwas Schlechtes, auch Lance nicht. Aber ich habe immer gesagt, Lance wird nicht davonkommen. Der liebe Gott richtet alles. Lance hat sich zu viele Feinde gemacht."

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