Voigt vor seiner wohl letzten Runde im Radsport

SID
Jens Voigt geht 2012 im Alter von 40 Jahren in seine wohl letzte Saison im Radrennzirkus
© Getty

Das Lob kam aus berufenem Munde. Jens Voigt sei ein "Blue Chip auf dem Stock Market", sagte Johan Bruyneel, der langjährige Mentor von Lance Armstrong und neue Chef des deutschen Altmeisters beim RadioShack-Nissan-Team. Dass ein 40-Jähriger derart gelobt wird, ist nicht alltäglich und macht sogar Voigt ein wenig stolz.

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"Vor zwei Jahren habe ich fast mein Leben verloren und seit meinem letzten Sturz ist der Finger immer noch nicht richtig gerade. Man zahlt einen hohen Preis. Wenn dies dann von Leuten, deren Wort Gewicht hat, anerkannt wird, ist das eine hohe Auszeichnung", sagte Voigt im Interview mit "dapd".

Ab Sonntag läutet der Routinier in Australien seine vermutlich letzte Runde im Radsport sein. Nach der Saison werde wohl Schluss sein mit dem Profi-Sport, betont der gebürtige Mecklenburger, um sich gleich ein Hintertürchen offen zu halten. "Definitiv möchte ich das aber nicht sagen."

Diesel-Motor braucht Vorglühzeit

Denn der Motor Voigt läuft und läuft und läuft... Vielleicht halte der Motor auch länger als der Kopf, sagt Voigt und macht sich so seine Gedanken: "Ich sehe das jedes Jahr aufs Neue bei älteren Fahrern. Im ersten Rennen stürzen sie, im dritten werden sie abgehängt und Mitte März sagen sie: Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr."

Das soll ihm nicht passieren. Voigt will die Saison ordentlich zu Ende bringen, auch mit 40 Jahren. Deshalb auch der frühe Saisonstart. Der "Diesel-Motor" brauche "Vorglühzeit". So oder so ist ihm der Rekord schon sicher. Der sechsfache Familienvater ist der älteste Fahrer der WorldTour. "Es ist nicht so, dass ich jeden Morgen aufwache und sage: Ja, ich bin der Älteste. Das ist auch eine Auszeichnung, dass ich trotz meines stattlichen Alters noch für würdig befunden werde, in der höchsten Klasse zu fahren."

Tour-Teilnahme das Ziel

Und da will Voigt nicht nur mitfahren. Der zweimalige Deutschland-Tour-Sieger hat noch Ziele, die 15. Tour-Teilnahme etwa. "Freiwillig gebe ich die Tour nicht auf. Wenn jüngere Fahrer besser sind, ist das in Ordnung. Wichtig ist es, der Mannschaft zu helfen. Ich glaube, dass ich das noch kann. Wenn sie einen talentierten jungen Fahrer mit Brillant-Ohrring haben möchten, dann bin ich nicht dabei. Wenn sie aber einen brauchen, der unzerstörbar ist und den ganzen Tag fährt, dann bin ich dabei. Du kannst nicht nur Häuptlinge mitnehmen, du brauchst auch ein paar Indianer, die die Arbeit verrichten, bevor die Kamera auf Sendung geht. Das ist meine Marktlücke", sagt Voigt in seiner typischen Art über die Rollenverteilung im Team.

Er sieht sich als Arbeiter. Seine "15 Minuten Ruhm" habe er in früheren Jahren schon gehabt. Für ihn gehe es darum, einen der beiden Schleck-Brüder zum Toursieg zu navigieren. Die Schlecks könnten sich doch gar nicht vorstellen, "dass es ein Leben ohne mich gibt".

Voigt seit 1997 im Profi-Radsport dabei

Der Radsport ohne Voigt ist ohnehin schwer vorstellbar. Seit 1997 ist er bereits dabei, immer für Teams im Ausland. Zweimal gewann er bei der Tour eine Etappe, zwei Tage trug er das Gelbe Trikot. Über 50 Siege stehen bei ihm zu Buche, die bedeutendsten Erfolge waren seine zwei Gesamtsiege bei der Deutschland-Tour (2006, 2007).

Nun also sein wohl letztes Jahr. Die Olympischen Spiele wären da doch ein schöner Abschluss, doch Voigt wiegelt ab: Ich muss fast schon jeden morgen das Moos von den Schultern kratzen. So alt bin ich. Der BDR hat einen Haufen guter Jungs. Ich glaube nicht, dass sie mich brauchen."

Gebraucht wird er aber sicher auch nach Abschluss seiner aktiven Karriere. Voigt will dem Sport eigentlich erhalten bleiben. Er habe sich über Jahrzehnte Wissen angeeignet. Da sei es sonst eine Verschwendung, alles wegzuwerfen. Eine Variante könnte ihm aber auch gefallen: "Ich schicke meine Frau arbeiten. Ich habe 15 Jahre die Familie ernährt, nun ist sie die nächsten 15 Jahre dran."

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