Festina-Skandal jährt sich zum zehnten Mal

SID
Radsport, Tour de France, Richard Virenque
© DPA

Hamburg - Massenverhaftungen, Fahrerstreik, Teamausschlüsse - der Festina-Skandal führte die Tour de France 1998 an den Rand des Abbruchs. Dem Rennstall um den Franzosen Richard Virenque wurde systematisches Doping nachgewiesen - der gesamte Radsport stand am Pranger.

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Am Ende passierten nur 97 von 198 Fahrern die Ziellinie auf dem Pariser Champs Elysees, der später als Dopingsünder entlarvte Italiener Marco Pantani streifte sich am 2. August das befleckte Gelbe Trikot über.

Zweiter wurde Jan Ullrich, dessen ehemaliges T-Mobile-Team neun Jahre später wie Festina als Doping-Rennstall überführt wurde. Nun jährt sich bei der am 5. Juli in Brest beginnenden Großen Schleife der Festina-Skandal zum zehnten Mal.

Mobiles Doping-Labor

Bereits drei Tage vor dem Start in der irischen Hauptstadt Dublin geriet die Frankreich-Rundfahrt zur "Tour de Farce". Am 8. Juli 1998 stoppten Zollfahnder einen offiziellen Festina-Mannschaftswagen an der französisch-belgischen Grenze, am Steuer saß Team-Masseur Willy Voet.

Im Auto des Belgiers befand sich ein regelrechtes Doping-Labor: Insgesamt stellten die Beamten mehr als 500 verbotene Präparate sicher, darunter 234 Ampullen EPO. "Die Tour steht unter Schock", titelte das Tour-Begleitorgan "L'Equipe".

Was dann in den nächsten Tagen folgte, hatte mehr mit einem Kriminalfall als mit dem größten Radrennen der Welt zu tun. Festina-Profis und Fahrer der ebenfalls ins Visier der Fahnder geratenen niederländischen TVM-Equipe wurden nachts aus ihren Hotelzimmern geholt und zu Doping-Proben im Krankenhaus gezwungen.

Selbst die Einzelzellen eines Polizeireviers in Lyon bekamen die mutmaßlichen Doper von innen zu sehen. "Wir werden wie Vieh behandelt", klagte der Franzose Laurent Jalabert, dessen Once-Team sich wie fünf andere Teams aus Protest gegen das harte Durchgreifen der französischen Justiz von der Tour zurückzog.

Festinas Geständnis

Aus Solidarität mit den Fahrer-Kollegen organisierte das Peloton auf der 17. Etappe einen Streik und trudelte geschlossen mit zweieinhalbstündiger Verspätung im Ziel in Aix-les-Bains ein. "So macht es keinen Spaß mehr", meinte Erik Zabel, der später selbst eigene Doping-Praktiken im Magenta-Team einräumte.

Doch alles Klagen nützte nichts. Nach mehrtägigen Verhören durch die Polizei knickte der verhaftete Festina-Teamchef Bruno Roussel ein und gab systematisches Mannschafts-Doping zu.

Ärzte, Pfleger und Team-Leitung hätten Virenque, Weltmeister Laurent Brochard und Co. mit verbotenen Substanzen versorgt, gestand Roussel. Fünf Fahrer des Teams gaben rasch zu, gedopt zu haben.

Der mehrmalige Bergtrikot-Gewinner Virenque hingegen brach sein Leugnen erst gut zwei Jahre später. "Ich war wie ein Schaf, und ich konnte nicht aus der Herde ausbrechen", sagte er im Oktober 2000 in einer tränenreichen Beichte vor Gericht.

Festina-Beben nur der Anfang

Im Herbst 1998 erhielten die ersten Fahrer wie der Schweizer Alex Zülle Sperren von bis zu sieben Monaten. Zwei Jahre später wurde Roussel zu einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

Wer nach der Skandal-Tour 1998 und ihren drastischen Folgen auf rasche Besserung hoffte, sah sich allerdings getäuscht. Denn das Festina-Beben war nur der Anfang einer Radsport-Dekade, die bis heute vom Dauerthema Doping geprägt wird.

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