Totilas' Zauber verfliegt

SID
Wunderpferd Totilas holte beim Championat in Deutschland nur den dritten Platz
© Getty

Wer hätte das gedacht? Schon beim ersten Championatsauftritt für Deutschland wurde Totilas entzaubert. Platz drei in der Einzelwertung und keine 80 Prozent im Grand Prix. Gelingt dem Noch-Superstar in Special oder Kür am Wochenende der Befreiungsschlag?

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Leichtes Training, etwas Jogging, die Seele baumeln lassen. Matthias Rath nutzte den Ruhetag bei der EM in Rotterdam zum Wundenlecken. Doch hinter den Kulissen brodelte es weiter. Der Frust nach der Pleite gegen die Briten saß tief.

Der Zauber um das Millionenpferd Totilas scheint verflogen. Im Special und Kür drohen am Wochenende weitere Rückschläge. Noch behält der innere Kreis die Nerven, doch für die deutsche Zucht werden Reformen gefordert.

Euphorie verflogen

"Da ist noch Luft nach oben", sagte Totilas-Mitbesitzer Paul Schockemöhle. Europas größter Pferdehändler beobachtete von der deutschen Tribüne aus die holprige Vorstellung seines Millionenpferdes. Auch in Raths Familie war von der großen Euphorie nach den starken Auftritten von Aachen nicht mehr viel zu spüren.

"Die Vorstellung war im Ganzen gut, die Fehler sind natürlich teuer", meinte Raths Stiefmutter Ann Kathrin Linsenhoff. An der hohen Erwartungshaltung, die nach dem mäßigen Abschneiden seiner Teamkollegen noch zusätzlich gestiegen war, habe es allerdings nicht gelegen.

"Matthias hat doch immer Druck. Er hat aber mittlerweile gelernt, damit umzugehen", sagte Linsenhoff, 1988 selbst Dressur-Olympiasiegerin.

Richtig draufhaun auf das deutsche Traumpaar wollte keiner, dabei fiel die Bilanz bescheiden aus. Rath und Totilas wurden mit 79,453 Prozent in der Einzelwertung Dritter.

Befreiungsschlag am Sonntag?

Das Gold im Special am Samstag und in der Kür am Sonntag scheint mehr als fraglich. Das Wunderpferd, das beim letzten Championat in Kentucky unter seinem damaligen Reiter Edward Gal (Niederlande) alle drei Disziplinen noch mit Punktzahlen jenseits der 84 gewann, präsentierte sich im Grand Prix nur noch als besserer Mitläufer.

Die Briten mit Carl Hester und Charlotte Dujardin stahlen Totilas mit ihren neuen Wunderpferden Uthopia und Valgero die Schau.

Deutsche Zucht in der Kritik

Immer mehr in die Kritik rückte in Rotterdam die deutsche Zucht. Über Jahrzehnte als vorbildlich gepriesen, muss diese viel Schelte einstecken.

Schon nach dem Kauf von Totilas und dessen Nachfolger Bretton Woods aus den Niederlanden unkten Reitsportfans im Internet, die einst so große Pferdenation weise keine eigenen Zuchterfolge mehr auf und müsse sich beim kleinen Nachbarn bedienen. Dass die königlich-niederländische Zucht durchschlagenden Erfolg hat, zeigen auch Uthopia und Valegro, die ebenfalls von dort stammen.

"Die Niederländer vermarkten ihre Zucht äußerst geschickt. Alles passiert unter einem Dach", sagt Pferde-Großhändler Ulrich Kasselmann. Der 63-Jährige fiebert in Rotterdam als Mitglied des deutschen Dressur-Ausschusses mit.

Er ist Ausbilder und Geschäftspartner von Schockemöhle, mit dem er die weltbekannte Pferde-Auktion in Ankum sowie die Riders Tour ins Leben gerufen hat.

Kasselmann sorgt sich um die Außendarstellung der deutschen Zucht und fordert ein einheitliches Label. "Wir müssen die Marke des deutschen Springpferdes in den Mittelpunkt rücken", so Kasselmann. Die deutsche Zucht leide unter dem Föderalismus.

"Die Oldenburger glauben, sie seien besser als die Hannoveraner und umgekehrt." Man müsse an einem Strang ziehen und mehr mit einer Stimme reden. Kasselmann: "Das könnte ein erster Schritt dahin sein, dass wir wieder mehr Toppferde für den Sport züchten." Und Totilas und Co. nicht mehr für viel Geld in den Niederlanden eingekauft werden müssen.

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