"Ich hatte keine 300.000 Dollar"

Von Interview: Florian Regelmann
Bernd Schneider gewann in seiner legendären DTM-Karriere 5 Mal den Titel
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SPOX: Wie schwer ist es Ihnen dann gefallen, die DTM-Karriere zu beenden?

Schneider: Es war ja absehbar, dass es irgendwann zu Ende gehen würde. Wir Motorsportler haben das Glück, lange unseren Job machen zu können, aber irgendwann um die 40 herum wird die Luft dünner. Zumal du immer an deinen Erfolgen gemessen wirst. Ich musste praktisch jedes Jahr Meister werden. Als ich 2002 Vizemeister wurde, sagten selbst meine Freunde zu mir, dass es ja diese Saison nicht so gut gelaufen wäre. Der Standard war, dass ich alles gewinnen muss. Aber das geht einfach nicht. Egal ob du F1 oder DTM fährst, du musst immer zu 100 Prozent fokussiert sein und darfst dich nicht ablenken lassen. Bei mir war es dann so, dass ich 2007 damit anfing, bei der Entwicklung von Straßenautos mitzuarbeiten. So was lenkt einfach ab. Ich musste mich entscheiden, ob ich weiter Rennen fahren oder schon für meine Zukunft arbeiten will.

SPOX: Sie wollten 2007 eigentlich schon aufhören.

Schneider: Ja, aber dann hat Mika Häkkinen Schluss gemacht und Norbert Haug und ich haben entschieden, dass ich noch ein Jahr fahre. Ich bin also weiter Rennen gefahren, wollte aber parallel auch meinen Job in der Entwicklung machen. Es war wirklich schwierig, beides zu vereinbaren. Ich war froh, als es dann vorbei war, auch weil der Druck extrem hoch war. Ich hatte mit Gary Paffett, Jamie Green und Bruno Spengler drei unglaubliche starke Teamkollegen, mit denen ich mithalten musste. Früher hatte ich immer noch ein paar Zehntel in petto, jetzt musste ich immer alles zu 100 Prozent auf den Punkt bringen. Mein letztes Rennen hätte ich gerne gewonnen, mit Platz 5 war ich nicht zufrieden, weil Hockenheim eine Strecke war, auf der ich gewinnen muss. Aber wie gesagt, ich war froh, das Kapitel zu beenden und froh, dass ich die Entscheidung selbst treffen konnte. Dass nicht das Team irgendwann gesagt hat, du fährst nicht mehr, das wäre bitter gewesen.

SPOX: Viele sagen immer, dass die Erfahrung so ein großer Vorteil ist...

Schneider: Im Gegenteil. Je älter man wird, desto mehr Gedanken macht man sich. Die Erfahrung steht einem eher im Weg. Der junge Pilot setzt sich ins Auto und sagt sich, 'ich hau alle weg', und du machst dir plötzlich Gedanken, ob dir einer in den Weg fährt. Am besten ist aber: reinsetzen, Gas geben und gar nichts denken. In Sachen Strategie und Reaktion auf besondere Situationen hilft dir Erfahrung sicher, aber wenn es um den reinen Speed geht, ist ein 20-Jähriger im Vorteil.

SPOX: Zur neuen DTM-Saison gibt es einige Änderungen, die in Richtung Formel 1 gehen. So wie DRS oder der Optionsreifen. Ein richtiger Schritt?

Schneider: Die DTM muss immer schauen, dass sie attraktiv bleibt. Der dritte Hersteller war ein großer Schritt, weil BMW eine unglaubliche Fan-Gemeinde hat, ein Premium-Hersteller und ein Mitbewerber auf dem Markt ist. So wie Audi auch. Wenn diese drei Marken aufeinandertreffen, ist das ein Highlight. Aber man muss auch schauen, dass die Rennen spannend bleiben. Im letzten Jahr hatten wir Rennen, bei denen Überholen fast unmöglich war, weil alle auf einem so hohen Niveau gefahren sind und die Unterschiede so gering waren. Deshalb war es wichtig, dass man etwas gemacht hat. Dass man auch den Mut hatte, etwas zu verändern. Ich denke, dass wir zumindest auf Strecken wie Hockenheim mehr Überholmanöver sehen werden. Bei den Reifen müssen wir abwarten. Der Hankook in der DTM ist vielleicht zu gut, während der Pirelli in der F1 katastrophal schlecht ist. Ich glaube nicht, dass wir so abbauende Reifen erleben werden. Ich freue mich insgesamt auf die neue Saison und bin gespannt, wie sich die Veränderungen auswirken werden.

SPOX: Sie haben vorhin die Pirelli-Reifen angesprochen. Die Beschwerden in der Formel 1 waren in dieser Saison schon heftig, ist das für Sie noch Racing?

Schneider: Also es hat immer noch was mit Racing zu tun. Früher musstest du dir deinen Sprit einteilen, heute sind es eben die Reifen. Allerdings ist es für mich schon verwunderlich, dass Pirelli so schlechte Reifen baut. Das kann für die Marke ja auch nicht gut sein und sie können von Bernie Ecclestone kaum die Vorgabe haben, so schlecht zu sein. Ich habe manchmal sogar die Befürchtung, dass bei 300 mal der Reifen explodiert und dann könnte sich auch ein Formel-1-Fahrer wehtun. Pirelli muss auf jeden Fall nachrüsten. Auf der anderen Seite waren die Bridgestone- und Michelin-Pneus früher so konstant, dass es auch kein Spaß war. Du wusstest vorher, dass sie wieder so ankommen würden, wie sie losgefahren sind. Entscheidend für die Teams ist die Kalkulierbarkeit. Wenn du einen Faktor nicht kalkulieren kannst, ist das eine Katastrophe für die Teams.

SPOX: Gefühlt hat sich jeder Mensch auf der Welt schon zur Vettel-Webber-Situation geäußert. Mich interessiert aber Ihre Meinung als Racer-Legende. Haben Sie Verständnis für Vettels Aktion?

Schneider: Ich bin eine Saison zusammen mit Mark Webber gefahren, wir sind Freunde. Eigentlich ist Mark ein sehr netter Kerl und immer geradeaus. Es muss im Team einiges vorgefallen sein, dass es sich so entwickelt hat. Es ist sicher so, dass Mark sich in der letzten Saison nicht unbedingt so verhalten hat, um Sebastian zum Weltmeister zu machen. Ich denke aber nicht, dass er als Typ so gestrickt ist, es muss was vorgefallen sein. Im Endeffekt sind es zwei Charaktere, die überhaupt nicht miteinander können. Ich glaube aber nicht, dass sich Sebastian mit seinem Verhalten einen Gefallen getan hat.

SPOX: Warum nicht?

Schneider: Er hat jetzt keinen normalen Konkurrenten, sondern er hat jetzt einen sehr verbissenen, verbitterten Teamkollegen, der in seiner letzten Saison für Red Bull ist. Mark wird nicht zurückstecken, er wird keine Informationen weitergeben - er wird überhaupt nichts für Sebastian tun. Vielleicht wird er seine Unterstützung nicht brauchen, aber er hat jetzt definitiv einen weiteren richtigen Gegner im Feld, wahrscheinlich einen noch 'schlimmeren' als Alonso. Ich denke, da wäre es ratsamer gewesen, lieber auf die Punkte zu verzichten im Hinblick auf die weitere Saison. Sebastian war natürlich sauer darüber, was in Sao Paulo in der letzten Saison passiert ist, aber ich verstehe nicht, warum er dann nicht direkt gesagt hat, dass es eine Retourkutsche war. Im Ausland hat er sich damit nicht sehr beliebt gemacht.

Der DTM-Kalender 2013

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