"Ich hatte Blasen an den Händen"

Von Interview: Bastian Strobl
Bruno Spengler will am Sonntag die Meisterschaft in der Comeback-Saison von BMW perfekt machen
© dtm media

Am Sonntag greift Bruno Spengler nach dem ersten DTM-Titel seiner Karriere (So., 14 Uhr im LIVE-TICKER). Im Interview spricht der BMW-Fahrer über das Saisonfinale auf dem Hockenheimring, einen Gokart-Marathon und den Vergleich mit Michael Ballack.

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SPOX: Herr Spengler, am Sonntag haben Sie die große Chance, Ihren ersten Titel in der DTM zu holen und das BMW-Comeback endgültig zu vergolden. Hätten Sie das am Anfang des Jahres für möglich gehalten?

Bruno Spengler: Niemand, auch ich nicht, hat erwartet, dass wir bereits in der ersten Saison schon so gut sind. Natürlich haben wir gehofft, um Podestplätze mitzufahren oder vielleicht ein Rennen zu gewinnen. Aber das wir so gut sind, kommt schon überraschend. Das war ein sensationelles Jahr für mich und BMW, dafür muss ich mich beim gesamten Team bedanken. Jetzt wollen wir die Krönung.

SPOX: Liegt die hervorragende Ausgangsposition vor dem letzten Rennen eher an der Stärke von BMW oder an der Schwäche der Gegner?

Spengler: Das kann man nie nur auf einen Aspekt reduzieren. Ich glaube schon, dass wir bei BMW einen sehr guten Job gemacht haben. Wir haben früh viele Punkte gemacht und Druck auf die Gegner aufgebaut. Außerdem bin ich ja auch noch zweimal ausgeschieden. Ich mag gar nicht daran denken, wenn ich da auch noch ein paar Zähler geholt hätte. Dass Mercedes zuletzt ein paar Probleme hatte, hat uns zudem in die Karten gespielt.

SPOX: Fahren Sie trotzdem mit einem mulmigen Gefühl an den Hockenheimring? Immerhin verlief der Saisonauftakt dort nicht gerade optimal.

Spengler: Das stimmt. Man darf auf keinen Fall zu optimistisch sein. Aber was am Anfang des Jahres passiert ist, habe ich längst abgehakt. Damals hat sich Ralf (Schumacher, Anm. d. Red.) einfach verschätzt und ich war zur falschen Zeit am falschen Ort. Sechs Monate später ist das hoffentlich eine ganz andere Geschichte.

SPOX: Bereits 2006, 2007, 2010 und 2011 war der Titel zum Greifen nahe. Allerdings hat es nie ganz gereicht. Haben diese bitteren Rückschläge Ihnen weitergeholfen?

Spengler: Es klingt vielleicht komisch, aber da ist tatsächlich etwas dran. Ich habe am eigenen Leib erfahren müssen, wie es ist, wenn der große Traum kurz vor dem Ende platzt. Diese Erlebnisse haben mir in meiner Entwicklung gut getan. Das gibt mir jetzt hoffentlich Kraft für das Saisonfinale.

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SPOX: Aber gab es nie Zweifel und Momente, in denen Sie aus Enttäuschung am liebsten alles hinschmeißen wollten?

Spengler: So schlimm war es nicht. Aber es gab sicherlich Augenblicke, in denen ich mich sehr geärgert und einfach alles zusammengebrüllt habe. Manchmal muss der Frust einfach raus. Aber ich habe nie ans Aufgeben gedacht. Dafür liebe ich den Motorsport zu sehr. Im Auto zu sein, Rennen zu fahren - das ist mein Leben. Da finde ich es falsch, wegen einiger Rückschläge zu kapitulieren. In dem Fall stimmt das Sprichwort: Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker.

SPOX: Haben Sie nicht trotzdem Angst, als ewiger Zweiter in die DTM-Geschichte einzugehen? Im Fußball hat beispielsweise Michael Ballack mit dieser Bezeichnung zu kämpfen.

Spengler: Darüber denke ich ehrlich gesagt gar nicht nach. Trotzdem finde ich diesen Ausdruck nicht nur mir gegenüber mehr als unpassend. Hinter dem Zweitplatzierten gibt es ja auch immer noch den Dritten, den Vierten, den Fünften und so weiter.

SPOX: Fühlen Sie sich unfair behandelt?

Spengler: Nein, das wollte ich damit nicht sagen. Aber man sollte etwas nachsichtiger sein. Ich habe beispielsweise in meiner Karriere mit diversen Pole Positions und Rennsiegen schon einiges erreicht, obwohl mir der ganz große Titel noch fehlt.

SPOX: Dafür spricht, dass wohl die wenigsten DTM-Fahrer in den letzten paar Jahren von sich behaupten können, so häufig am Titelkampf beteiligt gewesen zu sein, wie Sie es waren.

Spengler: Genau. Insgesamt ist es das fünfte Mal in sieben Jahren, dass ich die Chance habe, die Meisterschaft zu gewinnen. Bei der Konstanz macht mir also niemand so schnell etwas vor. Aber das Ziel ist natürlich, endlich mal ganz oben zu stehen.

SPOX: Dieses Durchhaltevermögen wurde während Ihrer Karriere bereits einige Male auf die Probe gestellt. Stichwort 18. März 2003. Können Sie mit diesem Datum etwas anfangen?

Spengler: Mein Crash in Dijon, oder?

SPOX: Gutes Gedächtnis.

Spengler: Daran werde ich mich immer erinnern. Es war bei Testfahrten in der Formel 3 Euroserie. Ich habe in der letzten Kurve meine Hinterachse verloren und bin bei Tempo 200 ungebremst in die Mauer gekracht. Es gab leider keine Auslaufzone.

SPOX: Sie hatten Glück im Unglück.

Spengler: Das kann man so sagen. Meine Wirbelsäule war nur angebrochen. Trotzdem dachte ich damals, dass meine Karriere vorbei ist. So ein Unfall und die Reha danach sind viel schlimmer als ein verlorener Titel.

SPOX: Mit welchem Gefühl sind Sie danach wieder ins Auto gestiegen?

Spengler: Ich war einfach motiviert, nach der dreimonatigen Physiotherapie so schnell wie möglich wieder im Cockpit zu sitzen. Ich hatte keine Angst. Ich weiß noch ganz genau, wie unbeschreiblich die erste Runde war. Ohne die Unterstützung von Mercedes und vor allem Norbert Haug wäre die Rückkehr wohl nicht so reibungslos verlaufen.

SPOX: Ein etwas anderes Beispiel für Ihr Durchhaltevermögen zeigte sich einst auf einer Kartbahn in der Nähe von Köln, wie Ihr guter Freund Günter Aberer erzählt.

Spengler: Ja, das war damals ein verrückter Tag. Günter hat mich zum Kartfahren eingeladen. Ich bin über 1,5 Stunden durchgefahren und hatte schon Blasen an den Händen.

SPOX: Das hört sich nach einer Wette an.

Spengler: Gar nicht. Ich habe nur gesehen, dass ich jede Runde schneller geworden bin. Ich habe mir gesagt: Du hörst erst auf, wenn du dich nicht mehr verbesserst. Das war ein Riesenspaß. Ich habe total die Zeit vergessen. Irgendwann musste ich aber aussteigen, weil ich keinen Sprit mehr hatte.

SPOX: Kommen daher auch Ihre Qualifying-Qualitäten, von denen BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt häufig schwärmt?

Spengler: Ich weiß es nicht. Ich liebe einfach das Qualifying. Diese Konzentration, alles in eine Runde zu legen, gefällt mir. Es ist die pure Anspannung, wenn man neue Reifen hat und das Auto am Limit bewegen muss. In diesen Momenten strömt so viel Adrenalin durch den Körper.

SPOX: Vielleicht liegt es auch an Ihrer Herkunft. Sie wurden im Elsass geboren, wie Rallye-Weltmeister Sebastien Loeb und Tourenwagen-Champion Yvan Muller.

Spengler: Ja, das stimmt. Wobei ich bereits als Kind nach Kanada gezogen bin. Dort fühle ich mich auch richtig heimisch. Aber ich habe die beiden bereits einige Male getroffen.

SPOX: Gibt es ein Geheimnis, warum aus dem Elsass so viele schnelle Leute kommen?

Spengler: Das ist eine gute Frage. So richtig habe ich aber darauf keine Antwort. Vielleicht liegt es ja am Flammkuchen. Im Elsass kann man schließlich richtig gut essen. (lacht)

SPOX: Lassen Sie uns am Ende ein wenig in die Zukunft blicken. Welche Rennserie außerhalb der DTM würden Sie gerne mal ausprobieren?

Spengler: Die NASCAR reizt mich schon. Das war im letzten Jahr sogar ein Thema. Aber momentan liebe ich die DTM zu sehr.

SPOX: Und die Formel 1, vielleicht sogar mit BMW?

Spengler: Das wäre ein Traum, an Testfahrten in einem Formel-1-Wagen teilzunehmen. Wie die Pläne von BMW aussehen, weiß ich allerdings nicht. Aber das ist sowieso Zukunftsmusik. Zurzeit gilt die volle Konzentration der DTM.

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