Noch geht er nicht über Wasser

Von Christian Schmidt
Mick Schumacher belegt zur Zeit den elften Rang in seiner ersten Formel-3-Saison
© getty

Nach einem starken Saisonstart in seine erste Formel-3-Saison musste Mick Schumacher zuletzt erste Rückschläge in der neuen Klasse hinnehmen. Zum Beginn der zweiten Saisonhälfte in Spa-Francorchamps am kommenden Wochenende will sich der Sohn des siebenmaligen Formel-1-Weltmeisters aus seinem Formtief herausarbeiten. Die Experten der Motorsport-Branche raten ihm zu Geduld.

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Als langjähriger Motorsportchef von Mercedes-Benz weilte Nobert Haug bei zahlreichen Formel-1- sowie DTM-Rennen und erlebte dabei aus nächster Nähe die Weltmeister-Titel der McLaren-Piloten Mika Häkkinnen und Lewis Hamilton, die Mercedes unterstützte. Seit seinem Ausstieg 2012 arbeitet Haug als DTM-Experte, der aber auch weiterhin die anderen Motorsportklassen und die dortigen Talente im Blick hat. Nach dem zweiten Rennwochenende der Formel 3 hatte es Haug speziell ein Fahrer besonders angetan.

"Ich bin begeistert von Mick. Er fährt sehr, sehr kontrolliert, es sieht sehr gut aus und ich habe ein gutes Gefühl. Ich bin sehr stolz, Mick hat Spaß und fährt dicht am Limit - aber eben nicht darüber hinaus. Von ihm können wir noch sehr viel erwarten", schwärmte der Experte am Rande des DTM-Saisonauftakts in Hockenheim.

Die Rede war von Mick Schumacher, der eine Woche zuvor bei seinem fünften Rennen in der Formel 3 seinen ersten Podestplatz bejubeln konnte. Mit zwei zusätzlichen sechsten Plätzen setzte der 18-Jährige in Italien ein deutliches Ausrufezeichen an seinem zweiten Rennwochenende in der neuen Motorsportklasse.

Seit jenen aufsehenerregenden zwei Tagen Ende April suchte man den Formel-3-Rookie zuletzt jedoch vergeblich auf den vorderen Plätzen der Rennwertungen. Nach einem bemerkenswerten Einstand fand sich Schumacher zuletzt im Formtief wieder.

Schumacher steckte zuletzt im Leistungsloch

Nach dem erfolgreichen Wochenende in Monza verpasste Schumacher in den Folgerennen in Pau zweimal die Top 10, in Budapest blieb in drei Rennen der neunte Rang die beste Platzierung. "Budapest war jetzt nicht so das Wochenende, das ich mir erhofft habe, genauso wie zuvor Pau", zeigte er sich im Anschluss selbstkritisch.

Auch bei den Heimrennen auf dem Nürnberger Norisring blieb Schumacher zweimal ohne Punkte, nur am ersten Tag konnte er Zähler sammeln. Nachdem ihm im 13. Saisonrennen noch eine Aufholjagd auf den siebten Rang glückte, kosteten den Prema-Powerteam-Piloten in den zwei Folgerennen ein Fahrfehler und eine Kollision weitere Punkte in der Gesamtwertung. Nach der Hälfte der Saisonrennen stehen für Schumacher so bereits sechs Rennen in der Bilanz, in denen er keine Punkte verbuchen konnte.

Nachdem er zwischenzeitlich sogar den fünften Rang in der Gesamtwertung belegt hatte, fiel Schumacher zuletzt auf den 11. Platz zurück. In der Rookiewertung, die für den Nachwuchsfahrer selbst Priorität genießt, haben aktuell Lando Norris und Jehan Daruvala die Nase vorne.

Trotz der zuletzt durchwachsenen Leistungen sieht DTM-Fahrer Timo Glock jedoch keinen Grund zur Beunruhigung und rät dem Formel-3-Rookie zur Geduld. "Er muss jetzt einmal lernen und die Formel 3 verstehen und sich auf das zweite Jahr in der Formel 3 vorbereiten", empfiehlt der ehemalige Formel-1-Fahrer bei SPEEDWEEK.com. Ein Blick auf die beiden Jahre, die Schumacher in der Formel 4 durchlebte, bestätigen Glock in seiner Einschätzung.

Ein Jahr Anlaufzeit in Formel 4

Auch in der Formel 4 feierte Schumacher damals einen spektakulären Einstand und holte sich direkt an seinem ersten Rennwochenende in Oschersleben in seinem dritten Rennen den ersten Sieg. Im Anschluss durchschritt Schumacher jedoch ein Formtal, wiederholte Unfälle und Disqualifikationen warfen ihn in der Gesamtwertung schließlich auf den zehnten Rang zurück.

Nach dem Eingewöhnungsjahr und dem Teamwechsel von Van Amersfoort Racing zu Prema Powerteam startete Schumacher in der Saison darauf durch und schloss sowohl in der deutschen als auch der italienischen Formel 4 die Gesamtwertung jeweils auf dem zweiten Rang ab.

Zehn Siege, sechs Poles und insgesamt 22 Podiumsplätze brachten ihm den Titel als bester Nachwuchs-Rennfahrer des Jahres ein, der von Auto Bild Motorsport vergeben wird. Der logische Lohn für die starke Saison war der Aufstieg in die nächsthöhere Formel 3.

Schumacher bekommt Zeit zur Entwicklung

Nachdem Schumacher nach einer starken Saison in der Formel 4 und seinem Aufstieg bereits als Titelkandidat gehandelt wurde, war Nico Rosberg vor dem Saisonstart darum bemüht, die überbordenden Erwartungen an den Newcomer zu bremsen. "Ich habe irgendwo gelesen, er sei Favorit auf den Titel. Dabei ist er erst in seinem ersten Jahr. Wenn jetzt schon sowas geschrieben wird, kann er nur enttäuschen", sagte der amtierende Formel-1-Weltmeister gegenüber dem Magazin MANN. Der bisherige Saisonverlauf bestätigt Rosberg in seiner Einschätzung, dass Schumacher mit allzu hohen Erwartungen kein Gefallen getan sei.

Auch Teamkollege Maximilian Günther weiß die Leistungen Schumachers in seiner Debütsaison realistisch einzuschätzen. "Er macht es wirklich gut, er ist ja in diesem Jahr auch schon einmal aufs Podium gefahren und holt immer wieder Punkte", lobte der Gesamtführende zuletzt den Newcomer.

Timo Rumpfkeil, der Teamchef des Rennstalls Motopark ist zuversichtlich, dass "Mick seinen Weg gehen wird, er macht es gut als Rookie, aber man muss ihm noch Zeit geben. Nur weil er Schumacher heißt, kann er nicht über Wasser laufen."

In der Tat scheint über kurz oder lang der Weg des 18-Jährigen in die Königsklasse des Motorsports allein schon durch den prominenten Familiennamen vorgezeichnet. Angesichts der Weltkarriere Michael Schumachers überrascht es auch nicht, dass der Sohn seinen Vater als größtes Vorbild nennt. "Er war zu seiner Zeit der Beste, und er ist immer noch der Beste. Deshalb ist es auch ziemlich klar, warum mein Vater mein Vorbild ist - und dass ich stolz bin auf seine Erfolge", so Schumacher Mitte Mai im Gespräch mit der Sport Bild. Die Karriere seines Vaters soll für ihn keine Bürde darstellen, sondern als Motivation und Ansporn dienen.

Schumachers Weg in Formel 1 scheint vorgezeichnet

Auch wenn Mick kein Geheimnis macht aus seinen Ambitionen, eines Tages in der Formel 1 an den Start zu gehen, will er sich auf dem Weg dorthin genug Zeit zur Entwicklung zugestehen und keine überstürzten Schritte unternehmen: "Im Moment fokussiere ich mich auf mich selbst, versuche in der Formel 3 mein Bestes zu geben und dort zu zeigen, was ich kann. Um dann eines Tages hoffentlich in der Formel 1 zu fahren."

Der Weg der kleinen Schritte erwies sich in jüngerer Vergangenheit bereits bei heutigen Formel-1-Stars wie Lewis Hamilton, Valtteri Bottas oder Max Verstappen als die richtige Entscheidung. "Schauen Sie sich Lewis Hamilton an, der ist in seinem ersten Jahr in der Formel 3 Fünfter geworden. Ich hoffe, dass Mick sich nicht zu viel Druck machen lässt", erinnert Nico Rosberg.

Unabhängig vom Entwicklungstempo scheint Mick Schumacher vor einer großen Zukunft im Motorsport zu stehen. Mercedes und Ferrari ließen bereits verlauten, seinen Karriereweg genauestens zu beobachten. Kurzfristig geht es für Schumacher an kommendem Wochenende in Spa-Francorchamps aber zunächst darum, den ersten Schritt aus seinem Leistungstief zu unternehmen.

Langfristig will sich Mick weiter von seinem Vater emanzipieren und seine eigene Erfolgsgeschichte im Motorsport schreiben. Der ehemalige Formel-1-Pilot Gerhard Berger äußerte gegenüber der Bild den Wunsch, dass Schumacher junior "aus dem Schatten seines Vaters raus kommt und als Mick Schumacher Schlagzeilen schreibt." Er hätte mit ziemlicher Gewissheit nichts dagegen.

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