"Megageil", aber ausbaufähig

SID
Stefan Bradl wurde in Valencia kampflos zum Weltmeister der Moto2
© Getty

Stefan Bradl ist der erste deutsche Motorrad-Weltmeister seit 18 Jahren. Das entscheidende Wochenende war genauso turbulent wie die ganze Saison. Toni Mang bewertet seinen Nachfolger.

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Als Stefan Bradl der Titel nicht mehr zu nehmen war, dachte der neue Motorrad-Weltmeister sofort an seinen Vater. "Ich wollte immer einen Platz besser sein als mein Papa. Das habe ich jetzt in derselben Klasse geschafft. Das ist alles irgendwie unfassbar", sagte der 21-Jährige nach seinem Titel-Triumph in der Moto2-Klasse.

Bradl Senior, der es 1991 "nur" zum Vize-Weltmeister geschafft hatte, schloss seinen Sohn noch in der Boxengasse innig in die Arme. "Das, was ich nicht geschafft habe, hat halt der Kleine gemacht. Da bin ich stolz drauf", sagte Helmut Bradl dem TV-Sender "Sport1".

In der Stunde Triumphs war auch der sonst immer etwas knurrig und kantig wirkende Vater von seinen Emotionen überwältigt: "Stefan ist Weltmeister, er ist der Beste in diesem Jahr in dieser Klasse von der ganzen Welt. Das Ziel ist erreicht und das ist einfach megageil."

Nach einer nervenaufreibenden Saison musste Stefan Bradl beim WM-Finale in Valencia schließlich keine einzige Runde fahren - und dennoch erreichte er das Ziel seiner Träume. Denn durch den Startverzicht des verletzten Spaniers Marc Marquez, der ihm als einziger Fahrer den Titel noch hätte streitig machen können, stand Bradl bereits einen Tag vor dem letzten Grand Prix als neuer Titelträger fest.

Mang lobt Bradl, sieht aber noch Potenzial

Damit hat Deutschland 18 Jahre nach dem Triumph von Dirk Raudies in der 125er Klasse wieder einen Motorrad-Weltmeister. Nach dem vorzeitigen Triumph von Sebastian Vettel in der Formel 1 stellt Deutschland jetzt auch einen Motorrad-Weltmeister - einen derartigen Doppel-Erfolg gab es hierzulande bislang noch nie.

"So ein Titel ist ein Riesenschritt im Leben, danach kommt einiges auf einen zu, und das ist nicht immer ein Honigschlecken", schrieb die einzige deutsche Motorrad-Legende Toni Mang in der "Bild am Sonntag", wollte die Entwicklung im Motorradsport aber nicht mit der der Formel 1 vergleichen. "Um eine Euphorie auszulösen, müssen die deutschen Fahrer zwei, drei Jahre vorne mitfahren."

Auch Bradl, der seine Karriere im Alter von 17 Jahren schon einmal beendet hatte, aber wenige Monate später zurückkam, sieht Mang noch lange nicht am Zenit angekommen: "Der Reifeprozess ist bei Stefan noch nicht zu Ende. Ihm fehlt vor allem noch die nötige Härte im Rennen." Dennoch meinte der fünffache Champion: "Er kann am ehesten in meine Fußstapfen treten."

Bradl: "Es tut mir leid für Marc"

Im Stile eines Champions stattete Bradl gleich nach seinem Triumph dem verletzten Rivalen Marquez einen Besuch ab. "Es tut mir leid für Marc", sagte Bradl. Doch die Freude über den WM-Titel konnte das nicht trüben, auch wenn der 21-Jährige lange etwas ungläubig dreinschaute: "Ich muss das erst mal ein bisschen verdauen, Weltmeister zu sein."

Marquez war vor zwei Wochen im Freien Training in Malaysia schwer gestürzt. Er klagte über Gleichgewichtsstörungen, und er konnte auf einem Auge nicht richtig sehen. Sein Team erklärte nach tagelangem Rätselraten schließlich am Samstag den Verzicht auf das Qualifying. Dadurch war Marquez automatisch nicht fürs Rennen startberechtigt.

Bradl kann es noch nicht richtig fassen

Die Ungewissheit machte auch Bradl zu schaffen. "Die Spekulationen - startet er, startet er nicht? - haben so ein bisschen das Flair und mein Adrenalin herausgenommen", sagte der 21-Jährige. So richtig begreifen konnte er seinen Triumph zunächst nicht: "Ich brauche sicher noch ein wenig Zeit. Wenn mich die Leute als Weltmeister ansprechen, muss ich mich erst daran gewöhnen."

Auch wenn Marquez mehr Rennen als Bradl gewonnen hat und durch sein Sturz-Pech zur tragischen Figur wurde, so ist der junge Deutsche ein würdiger Weltmeister. "Ich glaube, es war eine spannende Saison bis zum Schluss. Derjenige, der am meisten Punkte am Schluss hat, ist verdient Weltmeister geworden", sagte Bradl. Das beurteilte Vater Helmut genauso: "Dafür, dass Marc sich verletzt hat, kann Stefan nichts - da ist er selber schuld. Ein offener Kampf wäre Stefan lieber gewesen."

Ein Gläschen und ab ins Bett

Die WM-Feier fiel zunächst aus, schließlich musste Bradl am Sonntag noch ein Rennen fahren - sein erstes als Weltmeister. Es wurde daher nur mit einem Gläschen angestoßen, danach ging es früh zu Bett. Viel gebracht hat diese eiserne Disziplin nicht, denn Bradl stürzte schon in Runde fünf und schied aus.

Doch mit dem WM-Titel in der Tasche konnte er dieses Missgeschick leicht verschmerzen. Seinen ersten Sieg feierte der Italiener Michele Pirro, der den Erfolg seinem vor zwei Wochen in Malaysia tödlich verunglückten Landsmann Marco Simoncelli widmete.

Auch ein gesunder Marquez hätte Bradl wohl kaum vom WM-Thron stoßen können. Der Spanier hätte bei einem Rückstand von 23 Punkten sein Heimspiel in Valencia in jedem Fall gewinnen müssen, um überhaupt eine Chance zu haben. Bradl dagegen hätte schon ein 13. Platz zum Titelgewinn gereicht.

Für Bradl endete eine Saison wie eine Achterbahnfahrt mit einem Happy End. "Wir haben gezittert und gebibbert. Mal ist es bergauf gegangen, mal bergab", sagt Helmut Bradl. Bis Malaysia war das Titelrennen in der Moto2-Klasse völlig offen. Dann kam es zum folgenschweren Sturz von Marquez.

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