"Coulthard muss halt noch üben"

Von Interview: Sebastian Schramm
Freddy Kremer auf dem Red-Bull-Ring in Österreich
© Getty

Im ADAC GT Masters fährt Privatfahrer-Urgestein Freddy Kremer mit Größen wie Heinz-Harald Frentzen, Sven Hannawald und den Stuck-Brüdern. In seinem regulären Job hingegen sorgt er für die Optimierung von Unternehmen. Im Interview spricht Kremer über Wintersportler im Rennsport, David Coulthard und den Mythos Ferrari.

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SPOX: Herr Kremer, Sie sind in dieser Saison mit Ihrem Ferrari unter anderem im ADAC GT Masters gefahren. SPOX war als Schriftzug auf Ihrem Auto und Unterstützer im Hintergrund immer dabei. Einer Ihrer Gegner in den Rennen war Sven Hannawald. Wie gut können Skispringer eigentlich Rennen fahren?

Freddy Kremer: (lacht) Er beeindruckt mich. Durch seine jahrelangen Erfahrungen im Profi-Sport bringt er eine ganz andere Einstellung mit als andere. Und sind wir mal ehrlich: Wer so verrückt ist und eine Schanze in der Hocke runterfährt, der ist auch verrückt genug, ein PS-Monster zu fahren. Sicher, am Anfang hat er ein, zwei Jahre gebraucht. Mittlerweile ist er aber ein super Fahrer geworden.

SPOX: Und auch mit den Stuck-Söhnen fahren Sie im ADAC GT Masters.

Kremer: Ich war vor ein paar Tagen erst auf der Geburtstagsfeier von Johannes. Er ist mehr ein Denker, der Ferdinand ist genau wie sein Vater. Es ist ein Erlebnis, mit einem Stuck zu fahren. Sie sind spektakulär unspektakulär, schnell und zuverlässig. Über ihren Vater kann man sicherlich mehr erzählen, aber das behalten wir lieber mal für uns (lacht).

SPOX: Wie sind Sie zum Motorsport gekommen?

Kremer: Da gibt es gewisse Parallelen zum Sven. Ich bin über die Alpinen zum Motorsport gekommen. Die Ski habe ich dann beiseite gelegt und dann hat alles mit dem Rallyesport angefangen. Klar, der Weg ist schon komisch. Vielleicht liegt es daran, dass man auch auf Skiern eine Ideallinie fahren muss, genau wie in einem Rennwagen.

SPOX: Es muss also immer schnell gehen bei Ihnen?

Kremer: Auf jeden Fall. Ich habe früher viel Abfahrtslauf gemacht. Es gibt ja einige Beispiele wie Hans Knauß, der auch den Weg von den Alpinen hin zum fahrbaren Untersatz gefunden hat.

SPOX: Sie haben Anfang der 90er Jahre Erfahrungen in prestigeträchtigen Klassen wie der Formel Renault sammeln können. Was nimmt man da mit?

Kremer: Leider bin ich dort nie eine richtige Meisterschaft gefahren. Das Fahren an sich habe ich dann in Österreich erlernt. Dort wirst du mit Sachen konfrontiert, von denen man im normalen Straßenverkehr noch nie gehört hat. Auto fahren und Rennen fahren sind zwei grundverschiedene Dinge. Wie bremse ich in eine Kurve? Wann gebe ich Gas? GT-Boliden und Formel-Fahrzeuge sind kaum zu vergleichen. In einem Formel-Auto muss die Präzision ungleich höher sein, sonst liegst du im Kiesbett.

SPOX: Worin bestehen denn genau die Unterschiede?

Kremer: Das ist gar nicht mal so einfach und auch nicht zu pauschalisieren. Es hängt auch vom Fahrer ab. Es gibt halt Typen, die brauchen ein Dach über dem Kopf, und Leute, die es luftig mögen. Schauen Sie sich David Coulthard an. Er kommt in der DTM einfach nicht zurecht. Wahrscheinlich denkt er immer noch, er fährt mit einem verstellbaren Heckflügel (lacht). Er muss halt noch üben. Ein GT-Bolide hat einen ganz anderen Schwerpunkt. Ich komme damit besser klar.

SPOX: Was Sie im Jahr 2005 eindrucksvoll bewiesen haben. Sie wurden Europameister in der Ferrari Challenge Trofeo Shell. Was schießt Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Ihren Sieg denken?

Kremer: Unglaublich. Allein für Ferrari fahren zu dürfen, das ist die Krönung. Die Saison war so knapp. Im letzten Rennen in Mugello haben mein Teamkollege und ich sogar noch einen Unfall gebaut. Am Ende hat es dann aber doch noch gereicht. Es war wirklich emotional und einer der schönsten Momente meines Lebens.

SPOX: Es kam auch zum Treffen mit Michael Schumacher und Jean Todt.

Kremer: Neben solchen Größen zu stehen, da muss man sich schon manchmal zwicken. Es war eine große Feier in Mugello. Es ist, als ob dort eine große Familie zusammentrifft. Und Michael Schumacher und Jean Todt haben da genauso dazugehört wie der kleine Mechaniker. Darauf kommt es an.

SPOX: Sie sprechen von Mugello. Wie sehr spürt man dort den Mythos Ferrari?

Kremer: An jeder Ecke. Es ist wirklich beeindruckend. Selbst wenn du schon in die Richtung von Mugello fährst, spürst du diese ganze Strahlkraft. In Restaurants, in Hotels: Überall laufen die Leute dort mit Ferrari-Klamotten herum. Man wird bei Ferrari wie ein VIP-Gast behandelt. Es ist egal, ob du Fernando Alonso oder Freddy Kremer heißt. Und schaut man sich die Fans an der Strecke an, wie heißblütig sie sind, dann macht es tierischen Spaß, dort zu fahren.

SPOX: Trotzdem liegt Ihre Lieblingsstrecke nicht in Italien.

Kremer: Das stimmt. Ich finde Hockenheim am besten. Auch von meiner Vergangenheit her. Auf der Strecke bin ich eines meiner ersten GT-Rennen gefahren. Sie ist nur nicht so spektakulär wie Spa oder andere Traditionstrecken.

SPOX: Sind Sie denn schon mal in Spa gefahren?

Kremer: Ja, und das mit weniger schönen Erinnerungen. 2006 habe ich mein komplettes Auto auf der Strecke abgefackelt. In der Blanchimont ist mir bei Tempo 280 eine Öldichtung explodiert. Schön ist was anderes. Der Schrotthaufen wurde von den Technikern aber wieder zusammengeflickt und ich konnte es genießen, durch die Eau Rouge zu brettern. Wahnsinn. Das ist, als wenn du mit einem Hubschrauber durch eine Wohnung fliegen musst.

SPOX: Vor zehn Jahren wurde Kremer Racing gegründet. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?

Kremer: Es war die emotionalste Zeit meines Lebens. Mit Höhen und Tiefen. Im letzten Jahr ist unser Teamchef gestorben. Daran hatten wir alle zu knabbern. Man sieht, wie ein teilweise oberflächliches Bild herrscht. Es tut schon weh, wenn jemand stirbt und alle machen weiter, als wäre nichts gewesen. Wahrscheinlich ist das auch ein Schutzmechanismus. Es gab aber auch Gänsehautmomente. So durfte ich zum Beispiel mit meinem Vorbild Nigel Mansell in Silverstone fahren. Mit ihm zusammen zu fahren, war die Erfüllung eines Traums. Das bringt mein Job auch mit sich.

SPOX: Ihre Firma steht für die Verbindung zwischen Motorport und Wirtschaft. Worin besteht diese?

Kremer: Alles, was ich mache, ist sportlich. Wir betreiben seit 2004 Unternehmungsforschung bzw. Unternehmensmessungen. Das muss man sich ähnlich vorstellen wie eine Telemetrieauswertung im Motorsport. Wir messen alles, was in einem Unternehmen passiert, werten es aus und wollen Möglichkeiten zur Optimierung schaffen.

SPOX: Sie bieten ebenfalls komplette Erlebnis-Wochenenden an, wo Leute erste Erfahrungen im Motorsport sammeln können.

Kremer: Das sind immer wieder schöne Wochenenden. Man knüpft Kontakte, kann Leuten den Motorsport näher bringen. Und wer würde nicht mal gerne auf der Nordschleife eine Runde drehen? Solange man den Ferrari nicht in eine Leitplanke setzt, ist alles okay (lacht).

Die Kremer Racing AG: Ein Porträt

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