Scheider: "Keiner will mich auf Platz eins sehen"

SID
Timo Scheider (vorne) gewann 2008 und 2009 die Meisterschaft in der DTM
© Imago

Nach zwei Titelsiegen in der DTM in den letzten beiden Jahren hat Audi-Pilot Timo Scheider den Titel-Hattrick vor Augen. "Ich will da ein Wörtchen mitreden", so der 31-Jährige.

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Mit Indoor-Skydiving, Radfahren und Mentaltraining hat sich Timo Scheider auf die neue Saison vorbereitet. Als erster Fahrer überhaupt könnte der Audi-Pilot den Titel-Hattrick in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) schaffen. "Das Ziel ist es auf jeden Fall. Natürlich weiß ich, wie schwer das wird und was auf mich zukommt", sagt Scheider vor dem Saisonauftakt am Sonntag in Hockenheim.

Frage: Sie haben in der Saisonvorbereitung unter anderem auch einmal Indoor-Skydiving ausprobiert. Mit Tempo 200 frei im Wind, dieses Gefühl haben Sie normalerweise nicht, oder?

Timo Scheider: Stimmt, im DTM-Auto ist es eher selten, dass es so windig ist. Aber im Formel-Auto kenne ich das natürlich. Da habe ich ja schon mal im Freien gesessen. Es ist einfach eine andere Herausforderung, der Helm zieht am Kinnriemen extrem nach oben. Das war erstmal gewöhnungsbedürftig, aber es hat irrsinnig Spaß gemacht.

Frage: Hatten Sie etwas Ähnliches vorher schon einmal gemacht?

Scheider: Ich hatte einen Fallschirmsprung, das war aber nur ein Tandemsprung. Da war ich einfach nur Passagier und habe mich fallen lassen. Beim Skydiving habe ich tatsächlich das Gefühl dafür bekommen, was passiert, wenn ich meine Hände oder meine Füße in irgendeine Richtung bewege oder in meinen ganzen Körper eine Spannung habe.

Frage: Sie hatten im Winter viele Termine abseits der Rennstrecke. Vermisst man als Rennfahrer da nicht seinen eigentlichen Job: das Rennfahren?

Scheider: Wir sind leider nicht die Schwimmer oder die Fußballspieler, die tagtäglich trainieren können. Es gibt eine Testbeschränkung, die ist für alle gleich. Natürlich würde ich öfter im Auto sitzen, wenn ich die Möglichkeit hätte. Die habe ich aber leider nicht. Von daher ist körperliches Training die Hauptsache, die zwischen den Rennwochenenden und im Winter passiert. Aber deswegen macht man zwischendrin ja so verrückte Sachen wie Skydiving, um trotzdem den Adrenalin-Kick zu haben.

Frage: Wie sieht Ihr Trainingsprogramm normalerweise aus?

Scheider: Das sind zwischen drei und fünf Stunden am Tag. Morgens nach dem Frühstück eine lockere Laufeinheit und normalerweise am Nachmittag Kräftigungsübungen. Es kann aber auch Mentaltraining und Meditationstraining sein, was ich auch seit einigen Jahren intensiviert habe und was mir sehr viel gebracht hat. Aber das normale Training Radfahren, Krafttraining, Ausdauertraining ist identisch wie bei vielen anderen auch.

Frage: Aber das Fahren zu trainieren, das geht nicht...

Scheider: Leider nicht, im Kartsport vielleicht ein bisschen. Der Kartsport ist die Basis des Motorsports. Nachdem ich dort mein Team Scheider mit Nachwuchsfahrern zwischen acht und 16 Jahren gegründet habe, ist mein eigenes Bedürfnis wieder größer geworden, mir ein eigenes Kart anzuschaffen und auch da zu trainieren. Körperlich und reaktionstechnisch kann man nicht besser trainieren als im Go-Kart - neben dem großen Motorsport.

Frage: Sie haben in den beiden letzten Jahren jeweils den Titel in der DTM gewonnen. Da kann das Ziel doch eigentlich nur der Hattrick sein, oder?

Scheider: Das Ziel ist es auf jeden Fall. Natürlich weiß ich, wie schwer das wird und was auf mich zukommt. Denn keiner möchte den Namen Scheider nochmal auf Platz eins sehen. Vielleicht Freunde, Fans und Bekannte, aber keine Fahrerkonkurrenten. Die werden alles dagegen tun, und da weiß ich, worauf ich mich einstellen muss. Es wird hart, aber am Ende wird wieder der mit den meisten Punkten Meister, und ich hoffe, dass ich da ein Wörtchen mitreden kann.

Frage: Einer von diesen Konkurrenten wird David Coulthard sein, der neu in die DTM kommt. Worauf muss er sich einstellen?

Scheider: Ich erinnere mich noch gut an die ganzen Formel-1-Jungs, die in die DTM gekommen sind und danach ihre ersten Impressionen geschildert haben. Ich erinnere mich an einen Heinz-Harald Frentzen, der nach dem allerersten Roll-out beim Saisonauftakt in Hockenheim gesagt hat: Die sind alle verrückt hier. Das wird wahrscheinlich auch David erstmal blühen, dass er sieht, mit was für Ellbogen gefahren wird. Ich glaube, das ist neu für ihn, aber ich schätze seine Entscheidung und ziehe den Hut davor. Ich freue mich auf einen neuen Gegner, er tut der DTM gut.

Frage: Ralf Schumacher geht in sein drittes DTM-Jahr. Glauben Sie, dass er in dieser Saison an Podiumsplätze heranfahren kann?

Scheider: Wenn er alles auf den Punkt bringt, hat er auf jeden Fall den Speed dazu, um vorne zu fahren. Man darf es nicht immer so schnell abwerten, wenn man hinterherfährt. Auch bei einem Michael Schumacher in der Formel 1 ist das das gleiche Thema. Die Resultate von Michael zu Saisonbeginn waren genauso gut wie zum Beispiel der fünfte Platz von Ralf in Dijon im letzten Jahr. Vorne ist die Luft ganz, ganz dünn, da muss man erstmal hinkommen. Wir fahren mit 20 Autos innerhalb von anderthalb Sekunden.

Frage: Sie haben Michael Schumacher angesprochen. Glauben Sie, dass er schnell in der Lage sein wird, zur Spitze aufzuschließen, oder wird das die ganze Saison dauern?

Scheider: Ich kenne Michael und seine Arbeit. Wir haben zehn Jahre im gleichen Management verbracht. Wenn einer ehrgeizig ist und einen Siegeswillen hat, dann er. Ich hoffe, dass man ihn da einfach ein bisschen in Ruhe lässt. Natürlich heißt es schnell mal 'Die Ente Schumi', wenn er nicht die Erwartungen eines siebenmaligen Weltmeisters erfüllt. Aber man muss sich bewusst sein, auf was für einem Level er sich bewegt. Wenn er gekommen wäre und alles in Grund und Boden gefahren hätte, dann wäre die Formel 1 eine Schnarchzapfen-Meisterschaft, und das ist sie nicht. Die Jungs da oben können alle gut Auto fahren. Ich glaube, dass Michael es schaffen wird, in den nächsten drei, vier Rennen in Podiumnähe zu fahren.

Frage: Womit tut Schumacher sich noch schwer?

Scheider: Michael sagt, dass die kleiner dimensionierten Vorderreifen für ihn ein Problem sind, und dass das Auto stark untersteuert. Das liegt seinem Fahrstil nicht. Wenn sie das hinbekommen, mit einem Update mehr Abtrieb vorne und vielleicht auch mehr mechanischen Grip auf der Vorderachse zu generieren, ist er vielleicht schneller da, als es dem einen oder anderen lieb ist.

Frage: Ärgert es Sie ein bisschen, dass im Moment jüngere Fahrer wie Sebastian Vettel oder Nico Rosberg in der Formel 1 fahren, und Sie 'nur' in der DTM?

Scheider: Es gibt immer verschiedene Wege, die man im Leben einschlagen kann. Natürlich war mein Ziel auch immer die Formel 1. Ich habe auch hier und da mit einem halben Fuß dringestanden, mich aber immer für die zukunftssicherere Perspektive entschieden. Das war eine gute Entscheidung, vielleicht mit dem weinenden Auge, dass man keine Erfahrung in einem Formel-1-Auto gesammelt hat. Aber ich habe einen sehr guten Job bei Audi, fühle mich wohl und möchte da auch noch lange bleiben.

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