Ralf Schumacher: "Ich spüre mehr Druck"

SID
Ralf Schumacher gewann sechs seiner insgesamt 180 Formel-1-Rennen
© Getty

Ralf Schumacher steht vor seiner zweiten DTM-Saison. Da der ehemalige Formel-1-Pilot jetzt in einer Mercedes-C-Klasse um Punkte fährt, ist die Erwartungshaltung eine ganz andere.

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Eine neue Saison, ein neues Auto. Am 17. Mai startet mit dem Rennen auf dem Hockenheimring die DTM in die neue Saison. Wieder dabei: Ex-Formel-1-Fahrer Ralf Schumacher.

Wenngleich man das letzte Jahr als Lehrjahr bezeichnen konnte, werden nun vom 33-Jährigen in seiner neuen Mercedes-C-Klasse erste Topplatzierungen erwartet.

Der Wahl-Österreicher spricht im Interview über die neue Erwartungshaltung, die aktuelle Situation in der Formel 1 und die Kritik an seinem großen Bruder Michael.

Frage: "Sie fahren in Ihrer zweiten DTM-Saison eine aktuelle Mercedes C-Klasse. Ist die Freude größer als vor einem Jahr?"

Ralf Schumacher: "Die Vorfreude auf die in ein paar Tagen beginnende DTM-Saison ist auf jeden Fall größer. Erstens war die Winterpause doch sehr lang, und zweitens habe ich mit der aktuellen C-Klasse nun auch die Möglichkeit, vorne mitzufahren. Gleichzeitig spüre ich jedoch auch mehr Druck von außen, davon lasse ich mich aber nicht aus der Ruhe bringen. Ich wünsche mir, dass am Ende der Saison viele sagen, dass es die richtige Entscheidung war, in der DTM weiterzumachen."

Frage: "Jetzt werden Punkte und Podestplätze von Ihnen erwartet. Spüren Sie schon den Druck?"

Schumacher: "Die Erwartungshaltung in einer aktuellen Mercedes C-Klasse ist größer, ganz klar. Daher ist natürlich auch der Druck, den ich mir selbst mache, größer. Man sollte jedoch realistisch bleiben: Es ist zwar ein neues Auto, aber meine bisherigen Tourenwagen-Erfahrungen sind nicht vergleichbar mit denen meiner direkten Konkurrenten, die schon seit Jahren in der DTM an den Start gehen. Ich hoffe, dass man mir ein bisschen Zeit gibt, mich weiter in die DTM einzugewöhnen, weil es am Anfang sicherlich nicht leicht werden wird."

Frage: "Sie kennen jetzt alle DTM-Strecken. Was ist Ihr Lieblingsrennen?"

Schumacher: "Eigentlich gefallen mir alle. Die einzige Strecke, die ich nicht ganz so gut in Erinnerung habe, ist Brands Hatch."

Frage: "Sie haben selbst immer wieder gesagt, dass 2008 Ihr Lehrjahr in der DTM war. Was haben Sie alles gelernt?"

Schumacher: "Zuerst mal habe ich den Komplex DTM neu kennen lernen müssen: die Menschen, die dort arbeiten, und natürlich einen komplett neuen Aufgabenbereich, ein neues Auto und zudem einige Rennstrecken, die ich noch nie zuvor gesehen habe - komischerweise."

Frage: "Was war für Sie die größte Umstellung von der Formel 1 zur DTM?"

Schumacher: "Mir wieder einen wesentlich runderen Fahrstil anzugewöhnen, weil ein DTM-Auto rund 400kg schwerer ist als ein Formel 1-Auto und ungefähr 250 PS weniger Leistung hat. Man muss besonders darauf achten, dass man genug Schwung aus den Kurven mitnimmt."

Frage: "In der DTM sind Sie plötzlich Publikumsliebling. Wie erklären Sie sich diesen Imagewandel?"

Schumacher: "Wow, bin ich das wirklich? Die Zusammenarbeit in der DTM, mit dem Team und auch mit Mercedes- Benz macht mir sehr viel Spaß. Ich genieße eine sehr professionelle Betreuung im Haus. Diese hat sicherlich dazu beigetragen, mein Image in der Öffentlichkeit aufzupolieren und ich muss sagen, mir macht das richtig Freude."

Frage: "Was macht für Sie den Reiz an der DTM aus?"

Schumacher: "In einem komplett anderen Umfeld als in der Formel 1, unter völlig anderen Voraussetzungen zu versuchen, der Schnellste zu sein. Dabei ist hervorzuheben, dass jeder meiner drei Teamkollegen die gleichen Voraussetzungen hat. Vier gleiche Autos: man muss sich selbst an die Nase fassen, wenn es nicht funktioniert."

Frage: "Werden Sie Ihre Karriere in der DTM beenden oder haben Sie noch Träume? Was wäre mit einem Le-Mans-Start?"

Schumacher: "Über ein Karriere-Ende denke ich noch nicht nach. Ich fühle mich absolut wohl in der DTM und bei Mercedes und ich hoffe, dass ich in der DTM-Saison 2009 schnell genug bin. Dann wird man sehen, wo die Reise hinführt. Le Mans ist momentan überhaupt nicht mein Traum, ganz im Gegenteil."

Frage: "Bruno Senna wäre um ein Haar Ihr Teamkollege geworden. Bedauern Sie es, dass es nicht geklappt hat?"

Schumacher: "Es wäre sicherlich toll gewesen für die DTM, einen so großen Namen und ein großes Talent mehr hier zu haben. Aus diesem Grund ist es sicherlich zu bedauern. Jedoch muss ich zugeben, dass ich Bruno Senna persönlich noch nicht kennen gelernt habe und seine Performance auf der Strecke nicht einschätzen kann."

Frage: "Die Wirtschaftskrise ist überall zu spüren. Müssen auch Sie Abstriche in Kauf nehmen?"

Schumacher: "Es wird überall gespart, wo es sinnvoll ist. Und ich finde das gar nicht so schlecht, wenn alle noch effizienter auftreten und dafür Racing noch stärker betont wird. Wir alle stehen in der Verantwortung, das zu erhalten, was uns - und vor allem den Zuschauern - Freude macht: nämlich spannender Motorsport."

Frage: "Sie wohnen seit vielen Jahren in Salzburg. Wird es irgendwann ein Zurück nach Deutschland geben?"

Schumacher: "Meine Frau, mein Sohn und ich fühlen uns in Salzburg sehr wohl, daher stellt sich diese Frage für uns derzeit nicht. Aber natürlich könnte es durchaus möglich sein, dass wir irgendwann wieder nach Deutschland zurückkommen."

Frage: "Was ist für Sie ein rundum perfekter Tag?"

Schumacher: "Wenn ich abends genauso zufrieden ins Bett gehen kann, wie ich aufgestanden bin."

Frage: "Sebastian Vettel ist erst 21 Jahre alt und mischt derzeit die Formel 1 auf. Trauen Sie ihm in dieser Saison den WM-Titel zu?"

Schumacher: "Sebastian hat auf jeden Fall das Potenzial, um den WM-Titel zu fahren. Das Red-Bull-Team stellt ihm auch dafür derzeit das richtige Auto zur Verfügung."

Frage: "Mal ehrlich: Haben Sie in den vergangenen Monaten nie von einem Formel-1-Comeback geträumt, vielleicht als Teamkollege von Lewis Hamilton im Silberpfeil?"

Schumacher: "Geträumt habe ich davon nicht. Wenn ich jedoch ein gutes Team fände, mit guten Voraussetzungen, würde ich sicherlich darüber nachdenken. Aber da die Zeit nicht stehen bleibt, wird das wohl eher nicht realistisch sein."

Frage: "Die vermeintlichen Außenseiter dominieren in der Formel 1, die Favoriten fahren hinterher. Haben Sie als Experte mit dieser neuen Rollenverteilung gerechnet?"

Schumacher: "Nein, sicherlich nicht - auch ich habe das wie wohl kaum jemand so erwartet. Mit der Reglements-Änderung wollte man den kleineren Teams mehr Chancen geben, nach vorn zu kommen. Die gegenwärtige Entwicklung ist spannend, war nicht abzusehen, aber das Kräfteverhältnis wird sich auch wieder ändern."

Frage: "Ihr Bruder Michael musste nach dem Ferrari-Fehlstart viel Kritik einstecken. Zu Unrecht?"

Schumacher: "Auf jeden Fall zu Unrecht. Michael war gar nicht in der Position, solche Entscheidungen zu treffen. Es handelte sich um eine Fehlinformation, anzunehmen, er sei verantwortlich, die man ja aber mittlerweile klargestellt hat."

Frage: "Warum tut er sich das alles überhaupt noch an anstatt das Leben mit seiner Familie zu genießen?"

Schumacher: "Unser Leben ist seit Kindheit vom Motorsport bestimmt. Und das ist natürlich bei Michael genauso wie bei mir."

Frage: "Werden Sie Michael in diesem Jahr zu einem DTM-Rennen einladen?"

Schumacher: "Eingeladen ist er natürlich jederzeit, aber ich glaube nicht unbedingt, dass er kommen wird. Er hat ja selbst sehr viel um die Ohren. Zudem steht Michael ja nicht so gerne im Blickpunkt der Öffentlichkeit."

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