"Half man, half mountain bear"

Von Flo Schimak
Drittes WM-Gold in Folge: Robert Harting bei seiner obligatorischen Siegepose
© getty

Selbst getaped, gepflastert und mit Rückenproblemen feuert Robert Harting den Diskus fast über die 70 Meter und damit zu Gold. Beim Stabhochsprung erhoffte sich der DLV eine weitere Medaille - doch nichts war's. Silke Spiegelburg springt am Ende, fast schon wie gewohnt, auf den 4. Platz. Elena Isinbaeva weckt am Ende ganz Moskau.

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Wie ein abgekämpfter Bär steht Robert Harting vor den unzähligen Mikros in Moskau. Sein nackter Oberkörper ist an manchen Stellen stark gerötet. Die Abdrücke des Kinesio-Tapes, das den Diskuswerfer nach eigener Aussage zusammenhielt.

Der ganze Tag zum Nachlesen im Ticker

Schmerzen? Klar. Doch der Wille war viel stärker. Auf 69,11 Meter feuerte der Olympiasieger den Diskus und sicherte sich somit seinen dritten WM-Titel in Folge. Sprechen wollte "half man, half mountain bear" ("BBC") danach wenig. Aber freuen konnte er sich trotzdem. Obligatorisch gab es die Zerreißprobe für sein Trikot.

Die nächste Medaille sollte sich eigentlich Silke Spiegelburg holen. Sollte. Aber es wurde am Ende wieder nur der tragische 4. Platz. Wie schon so oft. Wieder gab es anstatt der Freuden- nur Krokodilstränen.

Eine wahre Explosion in Moskau löste allerdings Elena Isinbaeva aus. Zugegeben: Als Russin war klar, dass das Publikum die Stabhochspringerin feiern wird. Was aber im Luschniki-Stadion los war, als die 31-Jährige nach sechs Jahren wieder Weltmeisterin wurde, war verrückt. Gänsehaut pur.

Dass es in den letzten beiden Versuchen (5,07m) nicht zum Weltrekord reichte, machte am Ende gar nichts. Ihr doppelter Flic-Flac nach dem letzten Sprung war fast so cool wie Hartings Pose.

Bei den Siebenkämpfern wurde es beim abschließenden 800m-Lauf im Kampf um Bronze richtig spannend. Claudia Rath legte ein unfassbares Rennen hin. Für den Platz auf dem Podest fehlten am Ende lächerliche 15 Punkte. Auch (oder gerade) der Siebenkampf kann so grausam sein.

Am 5. Tag der WM steht nur eine Entscheidung an. Und die sogar sehr früh. Bereits ab 6.30 Uhr werden die Medaillen im 50km Gehen vergeben (Hier geht's zum LIVE-TICKER). Sonst stehen nur die Qualifikationen und Vorläufe im Hammerwerfen, Weitsprung, den 5000m und den 1500m an.

Die Entscheidungen des Tages:

400m-Hürden, Damen: In den Halbfinals zeigte sich Zuzana Hejnova in überragender Verfassung. Nach 53,53 Sekunden spazierte die Tschechin ins Ziel. Das lässt für den Donnerstag einiges erwarten. Weltmeisterin Lashinda Demus zeigte sich ebenfalls eindrucksvoll und dominierte das zweite Halbfinale. Ach ja, Natalya Antyukh ist raus. Doch eine Überraschung, wobei sie in diesem Jahr nun wirklich nicht geglänzt hatte.

400m-Hürden, Männer: Im ersten Halbfinale zerlegte es Bershawn Jackson an der ersten Hürde. Der junge US-Amerikaner war danach untröstlich, nicht einmal Felix Sanchez konnte ihn aufmuntern. Dieser ließ im zweiten Halbfinale gar nichts anbrennen und qualifizierte sich locker für das Finale.

5000m: Olympiasieger und Weltmeister Mo Farah hatte mit dem Vorlauf keine Probleme. Ganz im Gegensatz zu Arne Gabius. Der stürzte fast und geriet so völlig außer Tritt. So wurde es nichts mit dem erhoffen Finaleinzug.

Mann des Tages: Emir Bekric

Ein Halbfinale bei den 400m Hürden dient nicht immer zwingend zur Show. Noch weniger lassen sich die Favoriten in die Karten schauen und geben in den Vorläufen so richtig Gas.

Was der 22-Jährige aber bei seiner Qualifikation bot, war schon stark. Der Bosnier rannte als wäre es schon das Finale und stellte nebenbei noch einen neuen Landesrekord auf. Ob es für den ganz großen Coup am Ende reicht, bleibt abzuwarten. Große Chancen wird er freilich nicht haben.

Spaß gemacht hat sein Auftritt aber allemal. Im Vergleich zu Sanchez und Co., die eher unmotiviert ihre Runde liefen, sind die Emotionen, die Bekric nach einem Halbfinale zeigte, einfach nett anzusehen.

Frau des Tages: Claudia Rath

Vor dem abschließenden 800m-Lauf im Siebenkampf lag die Frankfurterin auf Platz sechs. Eine Chance auf eine Medaille war daher relativ gering.

Doch mit einem Wahnsinns-Run wurde es letztendlich ein wahres Foto-Finish um Bronze - mickrige 15 Punkte fehlten am Ende. Bitter.

Dennoch gebührt Rath der Respekt, denn wer nach einem solch anstrengenden Tag nochmal so einen letzten Wettbewerb hinlegt, der muss zur Frau des Tages werden. Da helfen auch Julia Fischers Freudentränen nichts.

Sprüche des Tages:

"Wer weiß schon wie die russischen Ärzte behandeln - mit Axt und Spaten?" (Diskus-Weltmeister Robert Harting, den im Finale von Moskau Rückenprobleme plagten, über die Tatsache, dass er seine Schmerzen nicht von einem deutschen Arzt hatte behandeln lassen dürfen)

"Der Arm der Vergeltung hat wieder zugeschlagen. Ich bin schon sehr erleichtert, die Anspannung war groß, die Stunden vor dem Finale im Hotel waren furchtbar. Einen Titel zu verteidigen ist immer schwierig, es ist leichter zu jagen, einen Gegner unter Druck zu setzen. Aber am Ende hat es ja gereicht." (Nochmal Robert Harting über seine Erleichterung)

"Unterstützen Sie mich. Schreien Sie. Springen Sie von den Sitzen auf. Drücken Sie mir die Daumen. Den Rest mache ich." (Elene Isinbaeva vor dem Stabhochsprung-Finale)

"Ein kleines weinendes Auge ist dabei, aber auch viel Zufriedenheit. Ich habe alles versucht, leider sind sie hinten mitgegangen." (Claudia Rath nach ihrem Wahnsinns-Lauf über 800m)

"Wieder Vierte, ich werde immer Vierte." (Der Name muss an dieser Stelle wohl nicht erwähnt werden)

Zahlen des Tages:

3: Drittes WM-Gold in Folge für Robert Harting. Weiterer Worte bedarf es nicht.

4: Platz vier. Blech. Tränen. Silke Spiegelburg. Wäre es nicht so traurig - es wäre fast schon ein Running-Gag.

5,07: Nachdem bereits fest stand, dass Isinbaeva Gold gewonnen hatte, stand das Olympiastadion bereits Kopf. Aber die zwei letzten Versuche für Weltrekord brachten die Zuschauer noch einmal richtig in Wallung. Geholfen hat es nichts.

15: Klar, die 15 fehlenden Punkte zur Bronze für Claudia Rath. Immer noch bitter.

43,74: Die schnellste Zeit über 400m seit über sechs Jahren. Gelaufen im Finale von LaShawn Merritt.

69,11: Nochmal der Harting. Gewinner-Weite und so.

Name des Tages: LaShawn Merritt

So schön sein Name auch klingt, ein fader Beigeschmack bleibt bei seinem WM-Titel. Mit einer Doping-Vergangenheit im Gepäck ging es nach Moskau. Wie er über die 400m die Konkurrenz dann demütigte, war beeindruckend. Oder einfach unmenschlich.

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