Against all odds

Von Michael Stricz
Ruhe vor dem Sturm: David Storl bereitet sich auf die Konfrontation mit den Richtern vor
© getty

Ein fehlerhaftes Kampfrichter-Urteil kostet David Storl um ein Haar seine verdiente Goldmedaille. Nur dank einer engagierten Vorstellung im Nahkampf-Modus mit den Kampfrichtern und der Hilfe eines Fotografen bekommt er den verdienten Lohn. Im Weitsprung war gegen den Ivan Drago des Luschniki-Stadions kein Kraut gewachsen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

In den Vorläufen hatte er sich noch ein wenig Luft nach oben gelassen, im Finale ließ David Storl jedoch alles raus! Erst bei seinem Wurf über satte 21,73 Meter und anschließend im Infight inklusive Körperkontakt mit den Kampfrichtern, die seinem absolut korrekten Versuch absurderweise zunächst die Anerkennung verweigerten.

Nur der tatkräftigen Mithilfe eines Fotografen war es am Ende wohl zu verdanken, dass sich das deutsche Lager über die dritte Goldmedaille in Moskau freuen durfte. Es war überhaupt der Tag der Fehlentscheidungen. Bereits bei der Staffel der Frauen am Morgen schrammten die Veranstalter an einer fatalen Fehlentscheidung vorbei, als sie fälschlicherweise zunächst das ukrainische Team ausschließen wollten.

Auch die gnädigsten Kampfrichter der Welt hätten den deutschen Weitspringern Sebastian Bayer und Christian Reif dagegen nicht zu einem Sieg beim Weitsprung verhelfen können. Zu erbarmungslos und selbstbewusst präsentierte sich der Lokalmatador und Favorit Alexander Menkov. Es war die wohl dominanteste Vorstellung eines Russen, seit der arme Apollo Ivan Drago vor die Fäuste geriet.

Das optische Highlight des Tages setzte dagegen ein Mann, der mit Medaillen heute ebenso wenig am Hut hatte wie scheinbar mit dem Spiegel am Morgen. Jason Livermore nahm die Frisur von Ronaldo bei der WM 2002 und - das ist wirklich eine Leistung - machte sie noch ein Stück hässlicher.

Der ganze Tag zum Nachlesen im Ticker

Der Samstag steht ganz im Zeichen des Kampfs um Gold, Silber und Bronze! Beim Marathon geht es schon mittags um jede Menge Kilometer und Edelmetall. Beim Hochsprung sind dann die Augen aller deutschen Fans auf Marie-Laurence Jungfleisch gerichtet, die sich gegen zwölf Konkurrentinnen durchsetzen will. Highlights sind natürlich das Finale der 4 x 400m Staffel der Frauen und das Finale der Männer über die 200 m Strecke. Mr. Bolt is calling (Sa, 13.30 Uhr im LIVE-TICKER)!

Die Entscheidungen des Tages:



Speerwurf

Drei deutsche Werferinnen gingen beim morgendlichen Speerwerfen an den Start. Zwei von ihnen, Linda Stahl und Christina Obergföll, schafften auch den Sprung ins Finale. Kathrina Molitor schrammte dagegen mit einer Weite von 60,32 Meter um lediglich sieben Zentimeter am Finale vorbei. Souverän gab sich die Topfavoritin Maria Abakumova aus Russland. Olympiasiegerin Barbora Spotakova legt ja derzeit eine Babypause ein.

Dreisprung

Ohne deutsche Teilnehmer lief der Dreisprung der Herren ab. Spektakuläres gibt es außer der Verletzung des Olympiavierten Daniele Greco aus Griechenland dann auch nicht zu vermelden.

100m Hürden

Nadine Hildebrand war die einzige deutsche Starterin und schaffte als Dritte ihres Vorlaufes die Quali für das Finale. Dort dürfte sie allerdings mit den Medaillen nichts zu tun haben. Brianna Rollins, Sally Pearson und alle anderen Topläuferinnen gaben sich keine Blöße und stehen ebenfalls im Finale.

4 x 400m Staffel

Ohne deutsche Beteiligung aber mit jeder Menge Verwirrung liefen die Vorläufe der 4 x 400m Staffeln der Frauen ab. Am Sieg der USA gab es natürlich nichts zu rütteln, das war bereits nach der ersten Runde erkennbar. Auch die Russinnen gewannen ihren Vorlauf mit deutlichem Vorsprung. Disqualifiziert wurde zunächst die Ukraine, weil eine Läuferin angeblich ihre Bahn verlassen hatte. Das sahen die aber anders - und zurecht! Blöd für die Jamaikanerinnen die stattdessen nun ausgeschlossen wurden.

1500m

Mit dem Newcomer Horniyu Tesfaye und Carsten Schlange machten sich zwei deutsche Athleten Hoffnungen auf das Finale in Moskau. Während Schlange eine ungünstige Gruppe erwischte und relativ deutlich scheiterte, lief Tesfaye, der erst seit einem Monat die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ein couragiertes Rennen. Belohnt wurde der sympathische gebürtige Äthiopier mit Platz sechs und der Qualifikation über die Zeit.

200m

Die 200m Vorläufe waren am Ende natürlich das, was jeder im Stadion erwartete: eine weitere Demonstration des "Mr. Benchmark" Usain Bolt. Gewohnt lässig joggte er seinen Konkurrenten davon. Fast hätte ihn das aber den Sieg im Halbfinale gekostet. Wenige Meter vor dem Ziel fuhr dem Favoriten sichtbar der Schreck in die Glieder, als er auf einmal Anaso Jobodwana neben sich erblickte. Ein Warnschuss zur rechten Zeit könnte man jetzt sagen. Wäre aber albern.

800m

Alysia Johnson-Montano schlug von Beginn an ein sehr hohes Tempo an und lief den Großteil der Strecke als tapfere Ausreißerin abseits der Konkurrenz. Am Ende wurde es aber doch noch einmal knapp für sie. Lässiger Kommentar dazu auf "Eurosport": "Frauen laufen immer schnell." Wäre das auch geklärt.

Mann des Tages: Der namenlose Held

Ganz im Stile von Kevin Costner betrat nach Allison Felix' Verletzung ein Held die Tartanbahn des Luschniki-Stadions und trug die verletzte US-Amerikanerin in Richtung der Katakomben. Da trocknen die Tränen bei Felix sicherlich gleich ein wenig schneller.

Noch heldenhafter wurde das Ganze noch dadurch, dass der Typ nicht nur die Sprinterin, sondern auch lässige braune Cordhosen trug.

Frau des Tages: Die namenlose Schergin

So viel Klischee muss sein. Die Frau des Tages ist heute eine russische Schergin. Eine Kampfrichterin hätte David Storl beinahe um den verdienten Lohn seiner Arbeit gebracht, weil sie seinen Versuch fälschlicherweise als unzulässig bewertete. Erst mit der Hilfe eines Fotografen(!) konnte die Situation zu Gunsten Storls aufgelöst werden.

Zugegeben, auch ihre männlichen Kollegen machten nicht unbedingt einen überzeugenden Job. Aber hey, so heißt eben die Kategorie.

Sprüche des Tages:

"Ich habe mein Bestes gegeben. Ich hätte es gerne ins Finale geschafft und es lag auch in meinen Möglichkeiten. Aber es ist sehr schwer, wenn man diese langen Straußenbeine neben sich auf der Innenbahn vorbeiziehen sieht." (James Ellington, Vierter im 200m Halbfinale)

"Ich bin im Finale oder was?" (Homiyu Tesfaye bekommt erst vor dem "ARD"-Mikrofon die frohe Kunde überbracht)

"David erzielt Geschwindigkeiten, die die anderen nicht erreichen. Das birgt immer das Risiko von Fehlversuchen." (Sven Lang, Trainer von David Storl, wusste wohl schon genau, was heute auf seinen Schützling zukommt)

"War ganz schlecht gelaufen, ich lass' alles so." (Christian Reif weiß genau, dass es auch beim Weitsprung nicht ohne die elementaren Dinge geht)

"Ich darf ihn duzen, wir haben die Hallenweltmeisterschaften zusammen kommentiert." (Auf "Eurosport" sind die Kommentatoren mit den Weitspringern per Du)

"Sieht aus wie Rübezahl für Arme." (Nicht so schöne Athleten müssen sich von Sportreportern so Einiges bieten lassen)

"JAAAAAAAAAAAAA!" (Weltmeister David Storl weiß besser als die Kampfrichter, dass sein dritter Stoß gültig war)

"Jetzt muss ich nießen, aber ich mach trotzdem weiter." (Dirk Thiele. 'Nuff said!)

"Es war ein wenig kühl heute, das hatte vielleicht etwas damit zu tun. Beim Sprint weiß man eben nie. Es ist ein Hochgeschwindigkeits-Event und irgendwann in der Karriere passiert so etwas. Man hofft nur, dass es nicht bei einer großen Meisterschaft passiert. (Michael Johnson, achtfacher Weltmeister, leidet mit Allison Felix)

"Vielleicht muss ich noch öfter trainieren." (Carsten Schlangen gibt sich nach Platz zehn einsichtig)

Zahlen des Tages:

34 verschiedene Länder konnten bei dieser WM bereits eine Medaille gewinnen.

21,73 Meter weit flog die Kugel bei David Storls drittem Versuch. Der Deutsche verteidigte damit seinen Titel und ist zum zweiten Mal in Folge Weltmeister im Kugelstoßen.

8,29 Meter weit sprang der Niederländer Ignisious Gaisah und damit so weit wie noch nie ein Niederländer zuvor. Kurioserweise war es jedoch nicht seine persönliche Bestleistung. Für die Antillen erreichte er bereits 8,43 Meter.

7 Zentimeter fehlten Kathrina Obergföll für den Einzug ins Finale im Speerwurf der Frauen. Trostpflaster aus deutscher Sicht: Linda Stahl und Christina Obergföll schafften die Quali locker.

3:44,44 Minuten lief Carsten Schlangen im ersten Vorlauf über 1500m und blieb damit fast zehn Sekunden unter seiner Jahresbestleistung. So geht das nicht...

3 Medaillen sicherten sich die Gastgeber aus Russland am siebten Tag der WM. Im Weitsprung und im Hammerwurf war es Gold, im 4 x 400m Finale waren Jamaika und die USA noch ein bisschen stärker.

Name des Tages: Shelly-Ann Fraser-Pryce

"So gut, dass sie gleich vier Namen bekommen hat." Treffender lässt sich die Leistung der Jamaikanerin bei dieser WM nicht zusammenfassen. Über die 200m profitierte Fraser-Pryce zwar auch vom Ausfall ihrer härtesten Konkurrentin Allison Felix, trotzdem war ihre Performance fast über die komplette Strecke sehr dominant.

Da sie auch den Lauf über die 100m in Moskau bereits für sich entschied, darf sich Fraser-Pryce für die nächsten zwei Jahre sogar noch mit einem weiteren Namen schmücken: Doppel-Weltmeisterin. Auch nicht schlecht.

Alle WM-Entscheidungen im Überblick

Artikel und Videos zum Thema