Ernste Grüße aus Moskau

Von Bastian Strobl
Usain Bolt ist der große Star der Weltmeisterschaft in Moskau
© getty

Die Usain-Bolt-Festspiele haben bei der Leichtathletik-WM standesgemäß begonnen. Auf die bekannten Faxen verzichtete der Weltrekordler am ersten Tag in Moskau allerdings. Langstreckenstar Mo Farah verzückte die Insel und ein DLV-Trio machte eine gute Figur im Zehnkampf. Außerdem: ein extrem kurzes 100-Meter-Rennen und eine schmerzhafte Diskusscheibe.

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Er kam. Er sah. Er siegte - und verschwand mit nicht viel mehr als einem kurzen Zwinkern. Usain Bolt wirkte vor den Augen seiner Eltern Wellesly und Jennifer Bolt, die in kompletter Team-Montur auf der Tribüne des Luschniki-Stadions saßen und ihren Sohn anfeuerten, zurückhaltend und fast ernst.

Der ganze Tag zum Nachlesen im Ticker

Der nüchterne Auftritt des Superstars am ersten Tag der Leichtathletik-WM passte ins Bild. Noch sind die Wettkämpfe in der russischen Hauptstadt nicht wirklich angekommen.

Gerade in der Vormittag-Session blieben die meisten Plätze im Moskauer Olympiastadion leer, was einige interessante Tweets zur Folge hatte. Vielleicht lassen sich die Fans aber auch nur viel Luft nach oben, immerhin hat die Weltmeisterschaft erst gerade begonnen.

Genauso wie Bolt, der seinen Vorlauf über 100 Meter im altbewährten Jogging-Modus bewältigte, dabei aber auf sonstige Faxen verzichtete. Aus gutem Grund, wie er danach zugab: "Ich bin zufrieden mit dem Lauf. Den Fehlstart hatte ich im Kopf, er hat mich aber nicht beeinflusst. Ich habe diesen Fehler in Daegu gemacht, bin aber jetzt konzentriert. Ich freue mich auf alles, was bei dieser WM noch passiert."

Bereits einen Schritt weiter ist Mo Farah. Der britische Olympia-Held wehrte über 10.000 Meter alle Angriffe der Afrikaner ab und verzückte die Insel. "The Sun" titelte nach seinem Erfolg in bekannter Art und Weise "Mo conquers the world".

Die allererste Goldmedaille der WM sicherte sich Edna Kiplagat im Marathon. Die Titelverteidigerin forcierte bei Temperaturen von über 30 Grad zwei Kilometer vor dem Ziel die entscheidende Attacke.

Zeit zum Verschnaufen bleibt aber nicht. Bereits am Sonntag geht es mit einigen großen Highlights weiter (So., 15 Uhr im LIVE-TICKER). Im Mittelpunkt steht das Finale über 100 Meter mit Bolt und Co. Zudem sollte es im Zehnkampf sowie im Weitsprung und beim Diskuswurf der Frauen die ersten Medaillen für Deutschland regnen.

Die Entscheidungen des Tages:

WettbewerbEntscheidung
Marathon, FrauenKiplagat verteidigt ihren Titel
10.000m, MännerFarah bleibt der König der Langstreckler

100m: Usain Bolt hier. Usain Bolt da. Alle Augen im Moskauer Olympiastadion waren auf den großen Star der Leichtathletik-Szene gerichtet. Der große Favorit gab sich aber überraschend ernst und ließ sein extrovertiertes Auftreten erst mal noch in der Tasche. Mit gejoggten 10,07 Sekunden ließ er dennoch keine Fragen offen, über wen der Titel am Sonntagabend gehen wird. Die beiden deutschen Starter hatten dagegen eine Woche nach ihren Glanzzeiten von Weinheim nichts zu melden. Martin Keller enttäuschte in 10,32, Julian Reus in 10,27 Sekunden.

400m: Zittern. Großes Zittern. Genau das war für Esther Cremer nach ihrem Vorlauf angesagt. Es schien bereits alles verloren. Die Deutsche hatte in ihrem Rennen das Nachsehen und überquerte als letzte Läuferin die Ziellinie, nachdem sie zu schnell angegangen war. Was danach folgte: Magenprobleme, Interviews, Happy End. Klingt komisch, ist aber so. Dank ihrer schnellen Zeit darf sie am Sonntag nämlich doch noch im Halbfinale antreten.

3000m Hindernis: Starkes Ergebnis vom deutschen Hindernis-Duo. Sowohl Antje Möldner-Schmitt als auch Gesa Felicitas Krause stehen im Endlauf. Während Möldner-Schmitt mit einer Saisonbestleistung von einer Medaille träumen darf, musste sich Krause strecken. Als letzte der fünf Zeitschnellsten qualifizierte sich die Frankfurterin für das Finale.

Diskus: Trösten. In den Arm nehmen. Auf andere Gedanken bringen. Das wird die Aufgabe von Robert Harting sein, bevor er selbst ins Geschehen eingreift. Julia Fischer, die Freundin des Olympiasiegers, musste bereits nach der Quali ihre Koffer packen. Besser machte es Nadine Müller, die mit 63,16 Metern eine souveräne Leistung ablieferte. Die Vize-Weltmeisterin gab sich danach allerdings selbstkritisch: "Das war noch nicht das, was wir wollten, im Finale kann ich bestimmt zwei bis drei Meter draufpacken."

Hammer: Markus Esser machte es ziemlich spannend. Nach zwei enttäuschenden Versuchen kam in der Quali alles auf den letzten Wurf an. Der deutsche Serienmeister behielt aber die Nerven und darf dank 75,90 Meter doch noch im Endkampf antreten.

Stabhochsprung: Auf die Stabhochspringer ist Verlass. Zumindest in der Quali. Sowohl Björn Otto als auch Raphael Holzdeppe und Malte Mohr kämpfen am Montag um die Medaillen. Auch Frankreichs Überflieger und Olympiasieger Renaud Lavillenie zeigte keine Schwächen und ist wohl der Man to beat.

Weitsprung: Lockerer Auftakt für Sosthene Moguenara. Der deutschen Medaillenhoffnung reichten in der Quali 6,63 Metern. "Das war eine enge Qualifikation, aber es ist gut, mit 6,63 Metern in der nächsten Runde zu stehen", zeigte sich die Zweite der Weltjahresbestenliste zufrieden. Dass es auch anders geht, bewies Brittney Reese. Die Olympiasiegerin musste bis zum Ende bangen und rutsche als letzte Springerin in den Endkampf der besten Zwölf.

Zehnkampf: Das erinnert fast ein wenig an die glorreichen Zeiten eines Frank Busemanns. Der DLV hat nach dem ersten Tag noch drei heiße Eisen im Feuer. Gerade Pascal Behrenbruch liegt vor seinem traditionell starken zweiten Tag mit 4258 Punkten als Siebter in Lauerstellung. Ebenfalls stark: Michael Schrader, der mit 4427 Punkten sogar auf dem Bronze-Rang übernachtet, und Nico Freimuth (4296 Punkte). Über allen thront aber natürlich Weltrekordler Ashton Eaton, der sich im Gegensatz zu seinem Landsmann Trey Hardee keine Blöße gab. Der Titelverteidiger musste verletzungsbedingt aufgeben.

Mann des Tages: Ifrish Alberg

Okay, es war kein Usain Bolt, der neben Ifrish Alberg stand. Aber auch Nesta Carter ist als Staffel-Olympiasieger und -Weltmeister ein großer Name. Da kann man seine Nerven schon mal nicht im Griff haben.

Dass man allerdings ausgerechnet auf der größten Bühne des Jahres zittrige Knie bekommt, ist alles andere als suboptimal. So kam es, wie es kommen musste. Start, Schuss, Ende.

Nach gerade mal drei Schritten stolperte Alberg über seine eigenen Füße und küsste den harten Boden der Realität. Mit 25 Jahren wird es aber zum Glück nicht die letzte WM für den Sprinter aus Suriname gewesen sein.

Frau des Tages: Natalia Semenowa

Manchmal hat man Glück. Manchmal hat man Pech. Und manchmal erlebt man einen Tag wie Natalia Semenowa. Die Ukrainerin wollte sich vor der Qualifikation im Diskuswurf eigentlich nur aufwärmen.

Doch Semenowa hatte die Rechnung ohne ihre Konkurrentin Zaneta Glanc gemacht Die Polin traf das Opfer mit ihrer Scheibe genau ins Gesicht. Die 31-Jährige ging blutend und mit gebrochener Nase zu Boden. Die meisten Sportler hätten sich wohl danach ins Krankenhaus einliefern lassen.

Aber nicht Natalia Semenowa. Eine Ukrainerin kennt keinen Schmerz. Sie biss auf die Zähne und trat tapfer zu ihren Versuchen an. Dass es am Ende nicht zum Finaleinzug reichte, tut ihrer Legende keinen Abbruch.

Sprüche des Tages:

"Die letzten paar Schritte konnte ich meine Beine nicht mehr ansteuern und bin ins Ziel gestolpert." (Esther Cremer brauchte auf dem Weg ins Ziel fast einen Kompass)

"Ich war ein ganz schönes Nervenbündel." (Antje Möldner-Schmitt war nach ihrem Finaleinzug sichtlich erlichtert)

"Er sah nicht so gut aus wie sonst. Das muss aber nichts heißen." (Björn Otto zeigt keine Angst vor Frankreichs Topfavorit Renaud Lavillenie. Oder doch?)

"Mindestens einer von uns holt eine Medaille, auch zwei sind möglich." (Understatement gehört nicht zum Sprachgebrauch von Pascal Behrenbruch)

Zahlen des Tages:

6 Jahre lang waren Justin Gatlin und Dwain Chambers zusammen wegen Dopings gesperrt. Nun stehen sie im Halbfinale über 100 Meter. Verrückte Leichtathletik-Welt!

10 WM-Medaillen hat Carl Lewis in seiner großen Karriere gewonnen (achtmal Gold, je einmal Silber und Bronze). Mit drei Titeln in Moskau könnte Usain Bolt die Leichtathletik-Legende als erfolgreichsten Medaillenhamster bei Weltmeisterschaften ablösen.

40 Kilometer lang bestimmte Valeria Straneo das Tempo beim Marathon. Dann ließ Edna Kiplagat die Italienerin stehen. Als Trost gab es Silber für die Lokomotive.

206 Nationen gehen bei der Weltmeisterschaft in Moskau an den Start. So viele haben in 30 Jahren WM-Geschichte nie zuvor am Saisonhöhepunkt der Leichtathleten teilgenommen.

Name des Tages: Kurt Felix

Er ist zurück. Nein, nicht der bekannte Fernsehmoderator. Sondern der farbige Zehnkämpfer aus Grenada. Schon bei Olympia 2012 ein Running Gag, sorgte Kurt Felix auch in Moskau für schmunzelnde Gesichter. Das Problem an der Sache: Wie in London hatte Felix auch dieses Mal keine Paola dabei. Und erneut musste er aufgeben. Manche Sachen ändern sich halt nie. Versprochen!

Alle WM-Entscheidungen im Überblick