"Es liegt nicht an Zigaretten & Whiskey"

Zum PDC-Event in München kleideten sich Michael van Gerwen und Russ Bray ganz tradionell
© pdc europe

Er gehört zum Darts wie Bier und grölende Fans. Kult-Caller Russ Bray spricht im Interview mit SPOX über das Geheimnis seiner Reibeisenstimme, Michael van Gerwen und den Traum von Wembley.

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SPOX: Russ, Sie sind dank Ihrer Reibeisenstimme der bekannteste Caller im Darts-Zirkus. Was ist Ihr Geheimnis?

Russ Bray: Ganz ehrlich, das habe ich mich auch häufiger gefragt, aber ich kann Ihnen das leider nicht beantworten. Ich würde sagen, ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort und profitiere jetzt von der gestiegenen Popularität der kompletten Sportart. Das macht mich natürlich stolz.

SPOX: Eine ähnliche Ausnahmestellung wie Sie hat Michael Buffer im Boxen. Würden Sie sich mit ihm vergleichen?

Bray: Nein, Buffer ist noch mal eine ganz andere Welt. Er tritt beim Boxen als MC, als Master of Ceremonies, auf. Den Job mache ich zwar auch ab und zu, aber beim Darts sehe ich meine Aufgabe anders. Ich würde mich dort eher mit einem Referee vergleichen.

SPOX: Was Buffer und Sie verbindet, sind ihre einmaligen Stimmen.

Bray: Das stimmt. Aber ich muss gleich sagen, dass es nicht an Zigaretten und Whiskey liegt (lacht). Ich habe schon längst aufgehört zu rauchen. Und Whiskey trinke ich eigentlich auch keinen, auch wenn häufig die Rede von einer Whiskey-Stimme ist. Bei mir war es einfach die Natur, die mich mit dieser Stimme gesegnet hat.

SPOX: Wann haben Sie Ihr besonderes Talent entdeckt?

Bray: Wie bei jedem Jungen kommt in der Pubertät irgendwann der Stimmbruch. Und meine Stimme entwickelte sich - warum auch immer - sofort zu einem tiefen Bass-Ton. Ich hatte schon immer eine eher brummige Stimme, aber mein Schicksal war damit natürlich endgültig besiegelt (lacht).

SPOX: Wie wurden Sie danach zum Caller?

Bray: Nun ja, wirklich planen kann man das nicht, ich kam durch puren Zufall dazu. Ich war in einer Darts-Bezirksliga für Hertfordshire aktiv. Eines Abends ist der Caller für unser Event aber nicht aufgetaucht. Deswegen habe ich einfach ausgeholfen, bis ich selber ans Oche musste. Offenbar habe ich mich nicht so schlecht angestellt. Danach kamen einige Leute auf mich zu und haben mich ermutigt, diesen Weg weiterzugehen.

SPOX: Trauern Sie Ihrer Chance als Profispieler nicht nach?

Bray: Nein, ich wäre nie so gut geworden wie ein Phil Taylor. Ich darf mich nicht beschweren, nach dem Split der PDC und BDO wurde ich 1996 zum dritten Referee bei der PDC. Und wie sagt man so schön: Der Rest ist Geschichte.

SPOX: Müssen Sie Ihre Stimme vor einem Auftritt auf eine spezielle Weise aufwärmen?

Bray: Ich trinke viel Wasser, wobei ich mir anhören muss, dass es immer noch nicht genug ist. Aber ansonsten gehe ich auf die Bühne und meine Stimme ist sofort da. Die Show kann losgehen, und ich muss nur aufpassen, dass ich die richtigen Scores ansage.

SPOX: Sie deuten es an: Auch Caller machen Fehler. An welche Momente erinnern Sie sich ungern zurück?

Bray: Es gibt eine Geschichte, die mir bis zum Ende meiner Karriere nachhängen wird. Das war damals in der Circus Tavern bei einem Match von Colin Lloyd. Und seitdem ist mein Motto: Wissen, niemals Raten! Das gilt im Leben, aber vor allem auf einer Darts-Bühne.

SPOX: Was ist passiert?

Bray: Colin hat die 20 getroffen, die 19, und beim dritten Dart dachte ich, es wäre die 7 gewesen. Ich habe es nicht hundertprozentig gesehen und habe deswegen geraten. Mit der Zeit bekommt man eigentlich ein gutes Gefühl für die Darts. Leider hat mich eben jenes Gefühl damals ein wenig im Stich gelassen. Als ich 46 ins Mikro gerufen habe, hat mich Colin nur ganz verdattert angeschaut. Also habe ich mich noch mal versichert und dann gesehen, dass der dritte Dart doch in der 19 war. Mein nächster Call war dann aber nicht 58, sondern 38, weil ich plötzlich die erste 20 nicht mehr auf dem Zettel hatte. Erst beim dritten Call hat dann alles gepasst.

SPOX: Wie haben die Spieler und Zuschauer reagiert?

Bray: Ein Fan aus der ersten Reihe hat mir den Tipp gegeben, doch mal beim Augenarzt vorbeizuschauen. Aber wir haben es eigentlich alle mit Humor genommen. So etwas passiert, damit muss man leben und vor allem darüber lachen können.

SPOX: Wie schwer ist es für einen Caller, die Atmosphäre und die Fans auszublenden, damit man sich auf seinen Job konzentrieren kann?

Bray: Wie Sie sagen, es ist nun mal mein Job. Man muss den Schalter umlegen, sonst verliert man den Fokus auf das Wesentliche. Das gilt aber nicht nur für uns, sondern auch für die Spieler. Trotzdem wollen wir unsere Fans nicht missen. Sie sind es, die unseren Sport besonders machen.

SPOX: Im Januar 2015 waren es allerdings die Zuschauer, die für hässliche Szenen sorgten. Bei einem Turnier im australischen Melbourne kam es zu heftigen Auseinandersetzungen samt fliegenden Stühlen und Tischen.

Bray: So etwas kann leider schnell passieren. Einer hat etwas zu viel getrunken und rempelt jemanden aus Versehen an, oder die Freundin wird zum Thema gemacht. Und ehe man sich versieht, nimmt alles seinen Lauf. Aber ich möchte betonen, dass solch ein Chaos wirklich ein Einzelfall ist. Im Endeffekt hat es auch schlimmer ausgesehen, als es tatsächlich war.

Seite 1: Bray über seine Stimme, einen Rechenfehler und das Chaos von Australien

Seite 2: Bray über seine besten Momente, Mighty Mike und einen Traum

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