Der letzte große Name geht

Wladimir Klitschko hinterlässt im Boxsport eine große Lücke
© getty

Wladimir Klitschko hat sein Karriereende bekannt gegeben. Damit macht der 41-Jährige alles richtig, hinterlässt im Boxsport jedoch eine große Lücke. Ganz besonders in Deutschland. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Stefan Petri.

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Nach 24 Jahren im Ring und insgesamt 69 Kämpfen ist Schluss. Nach Gold bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta, nach WM-Gürteln der WBO, IBF, IBO und WBA und unzähligen Titelverteidigungen. Nach 54 Knockouts - zehn mehr als Mike Tyson - und fünf Niederlagen, zuletzt im April gegen Anthony Joshua.

Wladimir Klitschko hört auf. Im Alter von 41 Jahren hängt der jüngere der beiden Klitschko-Brüder seine Handschuhe an den Nagel.

Und weit und breit ist niemand in Sicht, der seine Lücke ausfüllen könnte.

Klitschko: Ein untypischer Weltmeister

Auf globaler Ebene hat es Dr. Steelhammer nie zum ganz großen Superstar geschafft. Im Ring manchmal ein wenig steif, meist haushoch überlegen, aber nicht spektakulär genug, außerhalb des Rings ein intellektueller Boxer aus der Ukraine, der sich nicht über "Ich will deine Kinder fressen"-Trash Talk vermarkten wollte. Die enorme Popularität in seiner Wahlheimat Deutschland ließ sich in Las Vegas nur selten in Pay-per-View-Dollars ummünzen.

All das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Wladimir Klitschko ein Platz im Box-Olymp gewiss ist. 20 Profijahre auf höchstem Niveau. Ein in ausgereiftes Boxen, dass die wilden Schwinger der Gegner oft schon im Ansatz erstickte. Er hatte die Power, die Technik, die Taktik, die Disziplin, die Kondition - und in seinem Abschiedskampf gegen Joshua widerlegte er auch die Legende vom Glaskinn.

Klitschko ist einer der Besten aller Zeiten

Nein, der GOAT ist er nicht. Dafür fehlte dem Kopfmensch Klitschko manchmal ein bisschen der Killerinstinkt. Und im Ring zählt eben nicht immer nur der Puntkzettel, sondern auch die Tatsache, ob man das Publikum in seinen Bann ziehen kann. Ein bisschen weniger Klammern hier und da hätte es auch getan.

Aber dieser Kopf ist es eben auch, der ihm zum Aufhören geraten hat. An die letzten Kämpfe vieler Legenden will man sich gar nicht mehr erinnern: Sie wussten nicht, wann es an der Zeit war. Dass Klitschko es weiß, ist ihm hoch anzurechnen. Er ist auch in diesem Moment noch einer der besten Fighter auf diesem Planeten, in einem Rückkampf mit Joshua wäre er nicht chancenlos gewesen. Es muss ihn in den Fäusten gejuckt haben.

Nur: wozu? Wozu noch einmal die Gesundheit riskieren für einen Titel, den er letzten Endes nicht braucht? Für einen Scheck, den er ganz sicher nicht braucht? Seine Frau Hayden Panettiere und Tochter Kaya sollen endlich nicht mehr zu kurz kommen. Und mit fast 10 Jahren als Weltmeister und 25 Titelkämpfen - nur der große Joe Louis hat mehr - gehört er sowieso zu den besten Schwergewichtlern aller Zeiten.

Der Boxsport hat jetzt ein Problem

Mit ihm verliert diese Königsklasse des Boxsports ihren letzten großen Namen. Anthony Joshua und Deontay Wilder bringen Potenzial mit - das Schwergewicht ist noch nicht tot. Aber für die ganz großen Kämpfe, die Pay-per-View-Draws und Titelseiten, sind auch sie zu klein. Schade, dass sie Klitschko nicht vor zehn Jahren haben fordern können. Es ist kein Zufall, dass im größten Kampf des Jahres ein MMA-Fighter antreten wird...

Für den Boxsport in Deutschland ist es eine ganz besonders bittere Stunde, selbst wenn es in den letzten Jahren ein Abschied auf Raten war. Die Klitschkos kamen nach der Generation Maske und Ottke. Wer soll nun diese Lücke füllen?

Klar, wir haben Talente, halten sogar den einen oder anderen Gürtel, aber wer diese Frage optimistisch beantwortet, der ist höchstwahrscheinlich Promoter bei Sauerland. Vitali - und zuletzt eben nur noch Wladimir - liefen den übrigen deutschen Boxern in Sachen Popularität problemlos den Rang ab. Es gibt niemanden mehr, der konstant für gute Einschaltquoten sorgen wird.

Klitschko dagegen wird es ganz sicher nicht langweilig werden. Wie er in seinem Abschiedsvideo betonte, hat er viele Eisen im Feuer: Wissenschaftler, Investor, Geschäftsmann und so weiter. Vielleicht ruft ihn irgendwann die Politik, wie schon seinen älteren Bruder.

Wir hätten aber auch nichts dagegen, wenn er sich dazu entscheiden würde, dem Sport erhalten zu bleiben und sein Fachwissen weiterzugeben.

Sonst droht dieser in Deutschland in Zukunft leider in der Versenkung zu verschwinden.

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