Erhobenen Hauptes? Egal!

Conor McGregor will gegen Floyd Mayweather Jr. den größten Sieg seiner Karriere feiern
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McGregors Schlüssel zum Sieg

  • Mayweather Dampf machen

Vorhersehbar hin oder her: Dass die ersten Runden für McGregor von entscheidender Bedeutung sein werden, ist kein Geheimnis. Dies ist natürlich auch Mayweather bekannt. Der US-Amerikaner wird sich entsprechend auf einen Ansturm des Iren gefasst machen und gewohnt vorsichtig agieren. Einen Unterschied darf das für diesen aber nicht machen.

Diese erste Kampfphase muss McGregor nutzen und seinem Kontrahenten mit Treffern oder zumindest durch Druck der Sicherheit berauben, zu jederzeit der Chef im Ring zu sein.

Er muss das eigentlich Unmögliche möglich machen und Floyd aus dem Rhythmus bringen, ihn mit Ansage überrumpeln. Paradoxerweise ist ein eigentlicher Nachteil dabei sogar das Gegenteil. Denn ob McGregors Fähigkeiten ausreichen, um den besten Boxer der letzten 20 Jahre überhaupt zu treffen, weiß im Vorfeld niemand - auch nicht Mayweather.

  • Unberechenbar sein

Wenn McGregor seinen Gegenüber treffen will, dann darf er nicht wie ein Boxer agieren. Bleibt er auf Distanz und sucht seine Chance, wird er von Mayweather, in einem Duell, das bestenfalls an eine Sparring-Einheit erinnern dürfte, eiskalt ausgeboxt und gedemütigt.

Der Ire muss einem unkonventionellen Plan folgen und durch seinen MMA-Hintergrund Situationen schaffen, die Mayweather in seinen 49 Kämpfen als Profi im Idealfall nie erlebt hat. Er muss dabei nicht nur aus eigentlich unmöglich erscheinenden Winkeln sein Glück versuchen, sondern auch Ermahnungen des Schiedsrichters in Kauf nehmen und dreckig boxen. Der 29-Jährige muss ein Bully sein, ohne dabei kopflos nach vorne zu stürmen.

  • Alles oder nichts

Ein weiterer X-Faktor ist zweifelsohne die Ausdauer. Im Octagon stand McGregor maximal über fünf Runden unter Dauerbelastung. Ein Boxkampf ist eine ganz andere Belastung.

Es spielt dem Iren zwar in die Karten, dass sein Gegenüber in diesem Jahr bereits 41 Jahre alt werden wird, an der Fitness von Mayweather zu zweifeln, wäre allerdings ein schwerer Fehler. Außerdem weiß der US-Amerikaner nach all den Jahren nur zu gut, wie man sich einen Kampf einteilt. Ob McGregor dies auf Anhieb nur ansatzweise so gut schafft?

Wohl eher nicht. Es scheint somit nur eine Marschroute zu geben. The Notorious darf gar nicht daran denken, abzuwarten und die Lücke, die es nicht gibt, zu suchen.

Je länger das Duell dauert, desto geringer werden die Chancen. Er darf sich zwar nicht direkt dermaßen verausgaben, dass er selbst am Ende seiner Kräfte ist, muss Mayweather allerdings vor allem in den ersten Runden so unter Druck setzen, dass dieser absolut keine Luft zum Atmen hat, solange er selbst noch frisch ist und seine Vorteile bei der Schlagkraft ausspielen kann. Der US-Amerikaner darf nie in seinen Rhythmus finden.

McGregor muss seinen Plan darauf auslegen, früh ein Ende zu suchen und dafür im Gegenzug in Kauf nehmen, in den späteren Runden mit den Konsequenzen leben zu müssen. Mit Ehre über die Runden kommen, erhobenen Hauptes den Ring verlassen und das Geld einstecken? Nicht mit McGregor. Er glaubt an einen Sieg, wird alles versuchen.

  • In Mayweathers Kopf kommen

Bereits im Vorfeld ließ sich McGregor zu keinem Zeitpunkt von seinem Gegenüber in eine Position bringen, in der er schwach ausgesehen hätte. Egal bei welchem Aufeinandertreffen sich beide im Rahmen der Promo-Tour gegenüberstanden, der Ire wirkte entschlossen, eiskalt und vor allem: bereit. Dass sich Mayweather von diesen Spielchen beeindrucken lässt, ist vor dem Hintergrund, dass der Fight in einem Boxring ausgetragen wird, zwar nicht gerade wahrscheinlich. Dennoch hat McGregor sicherlich Eindruck geschunden.

Eine Sache dürfte zudem am 40-Jährigen nagen: Im Gegensatz zu seinen bisherigen Gegnern konnte sich Floyd nicht explizit auf McGregor vorbereiten. Zwar war in der Vergangenheit das Credo stets, sich nicht auf den Kampfstil seiner Kontrahenten vorzubereiten, sondern auf die Person. Sein Team wird sich dennoch jedes noch so kleine Detail angeschaut und Mayweather entsprechend eingestellt haben. Diesmal gibt es jedoch nichts zu sehen. Aufzeichnungen von McGregors MMA-Kämpfen? Sind nahezu wertlos.

Sollte es McGregor gelingen, Mayweather direkt zu Kampfbeginn zu schocken, könnte dies zusammen mit dem Auftreten in der Vorbereitung dafür sorgen, dass der US-Amerikaner zumindest ans Nachdenken gerät. Es wäre für den Außenseiter ein unbezahlbarerer Bonus.

  • Die einzige Chance nutzen

Dass die Linke von McGregor eine enorme Power hat, dürfte hinlänglich bekannt sein. Auch die Tatsache, dass er diese gerne als Konterschlag einsetzt, wie etwa im zweiten Fight gegen Nate Diaz zu sehen war, ist ebenfalls kein Geheimnis. Wenig überraschend sehen viele Kampfsport-Fans die Linke auch als einzige Chance des Iren, um gegen Mayweather die große Sensation Wirklichkeit werden zu lassen.

Doch als Konter? Gegen den besten Defensiv-Boxer aller Zeiten? Komplett unmöglich ist dies trotz der natürlich angebrachten Skepsis nicht. Es kommt vor allem darauf an, wie Mayweather an den Kampf herangeht. Will er McGregor wirklich ausknocken und geht dafür ein für ihn ungewohntes Risiko? Macht sich im späteren Kampfverlauf vielleicht doch sein Alter bemerkbar? Was ist mit der Pause von zwei Jahren? Klar, schafft es Mayweather sein komplettes Repertoire abzurufen, dann dürfte McGregor richtig alt aussehen.

Aber: Beide Fighter stehen sich noch immer in einem Boxkampf gegenüber, in dem - und das hat die Vergangenheit gezeigt - immer alles möglich ist. Ein Schlag, ein Geistesblitz oder ein noch so kleiner Fehler können binnen Sekundenbruchteilen alles verändern.

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