Eine letzte Tracht Prügel

Arthur Abraham (l.) und Robert Stieglitz steigen zum vierten Mal gegeneinander in den Ring
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Körperliche Verfassung

Hinter beiden Boxern liegt ein langes und intensives Training. Beide machen bei der körperlichen Verfassung einen exzellenten Eindruck, sind komplett austrainiert. Interessant sind deshalb primär die naturgegebenen Vorzüge. Der Größenvorteil geht dabei an Stieglitz, der bei einer Körpergröße von 180 Zentimetern fünf Zentimeter größer ist als sein Gegenüber.

Einen wirklichen Nutzen kann der 34-Jährige daraus allerdings nicht ziehen. Grund ist die geduckte Haltung, aus der Stieglitz zumeist boxt. Bei der Reichweite wendet sich das Blatt. Hier hat der Weltmeister mit 183 Zentimetern einen Vorteil von rund acht Zentimetern. Was sich nach wenig anhört, kann für Abraham zum entscheidenden Pluspunkt werden.

Mit Carl Froch und Dirrell hatte der 35-Jährige in der Vergangenheit extreme Probleme, gleiches gilt für weitere Boxer, die den Reichweitenvorteil auf ihrer Seite hatten. Abraham dürfte deshalb froh sein, ein Problem weniger zu haben. Da Stieglitz es allerdings vermag, ebenso schnell wie gekonnt die Distanz zu überbrücken und Abraham auf seine Doppeldeckung baut, relativiert sich der Vorteil jedoch.

Das Gewicht wird indes keine entscheidende Rolle spielen. Beim Wiegen blieben beide ohne Probleme im Super-Mittelgewichts-Limit von 76,2 Kilogramm. Abraham, der in der Vergangenheit des Öfteren Schwierigkeiten hatte, brachte 76 Kilogramm auf die Waage. Bei Stieglitz waren es 75,9 Kilogramm.

SPOX-Urteil: Unentschieden

Fähigkeiten

Der als eindimensional geltende Abraham hat in den letzten Jahren eine interessante Entwicklung hinter sich. Nachdem sich der Linksausleger früher meist ausschließlich auf die Power in seinen Fäusten verließ, verfügt er mittlerweile dank des unermüdlichen Wegners unter anderem über einen soliden Jab und hat seinen Stil somit zumindest etwas an die neue Umgebung des Super-Mittelgewichts angepasst.

Vor allem in den Duellen gegen den Briten Paul Smith, die er klar für sich entschied, war es immer wieder die Führhand, die ansehnliche Kombinationen vorbereitete. Zum großen Techniker macht dies den Wahl-Berliner allerdings noch lange nicht. An seinem teils zu defensiven Stil zu Beginn des Kampfes hat sich zudem nicht wirklich viel geändert. Ein Ansatzpunkt für Stieglitz, den dieser durch seine Fähigkeit, von der ersten Sekunde an im Kampf zu sein, nutzen könnte.

"Ich habe die bisherigen Fights gegen Arthur mit meinem Coach analysiert und wir müssen wohl noch ein wenig in Sachen Taktik umstellen. Ich bin auf jeden Fall positiv gestimmt, den 'Final Showdown' zu meinen Gunsten zu entscheiden", analysierte der Linksausleger, dessen Variabilität über der seines Gegenübers anzusiedeln ist.

"Er kann nur nach vorne gehen, kennt nur eine Taktik. Arthur ist ihm in allen Belangen überlegen. Deswegen erwarte ich auch einen klaren Sieg Arthurs. Alles andere wäre eine Katastrophe", konterte Wegner. "Robert schlägt viele Hände, hat jedoch keinen Killerschlag. Er gibt von Beginn an Gas wie eine Rakete, doch darauf bin ich eingestellt", ergänzte Abraham, der als perfekter "Runden-Klauer" agieren kann. Eine geringere Anzahl an Aktionen und dafür die klareren Treffern, machen sich auf den Scorecards bemerkbar.

SPOX-Urteil: Vorteil Stieglitz

Abrahams wichtigste Kämpfe: Vom Schlumpf zum König

Mentale Stärke

"Kurz und deutlich lieber Arthur: es gibt nur ein Ziel - ich hole mir meinen WM-Gürtel wieder zurück." Die Ansage von Stieglitz scheint kaum Fragen offen zu lassen, wirkt jedoch ein wenig eindimensional. Für beide Kontrahenten steht deutlich mehr auf dem Spiel als nur das Gold der WBO. Abraham droht der Verlust Wegners, der zuletzt betonte, dass "bei einer Niederlage beide nicht mehr zusammenarbeiten werden", und damit ein vermeintliches Karriereende. Auch auf der Gegenseite steht ein Ende der Laufbahn im Raum.

Raum für etwaige Zweifel sollte es in den Köpfen der Boxer dennoch nicht geben. Abraham-Coach Wegner fand im Vorfeld klare Worte: "Ich glaube, dass dieser Kampf für beide enorm wichtig ist. Deshalb wird Arthur sich am Riemen reißen und die Sache ein für alle Mal klarstellen", sagte der 73-Jährige im Gespräch mit SPOX. "Einen fünften Kampf wird es nicht geben", schob sein Schützling, der schnell trotzig werden kann, wenn es nicht gut für ihn läuft, nach.

Auch die Tatsache, dass das Duo aufgrund der Zusammenarbeit zwischen dem Sauerland-Boxstall und Sat.1 mehr als Ergebnisse liefern muss, immerhin ist Abraham das große Zugpferd der Kooperation, kann sich auf die Leistung auswirken - im positiven wie negativen Sinn. Selbst Marco Huck, der sich aktuell auf seinen Kampf gegen Krzystof Glowacki vorbereitet, meldete sich zu Wort: "Ich habe Arthur gesagt, dass er ihn dieses Mal vernichten muss. Dann gibt es keine Diskussionen mehr", so der ehemalige Wegner-Schützling.

Die Gegenseite haderte unterdessen mit der Vergangenheit. "Wir erwarten und hoffen beim vierten Duell auf faire Punktrichter und einen Ringrichter, der zum Beispiel die Nackenschläge von Arthur unterbindet", so Dzemski: Es soll ein faires Gefecht werden, auf hohem Niveau, aus dem dann der bessere Boxer als Sieger hervorgeht!" Ob etwaige Nebenschauplätze sich zum Nachteil entwickeln könnten, wird sich zeigen.

SPOX-Urteil: Vorteil Abraham

Fazit

"Das ist ein Klassiker - 'El Clasico' - des deutschen Boxens. Bayern München gegen Borussia Dortmund - das wird auch nie langweilig ", bemühte Wegner den Vergleich zum Fußball. Auch Kalle Sauerland legte nach: "Große Sprüche, die muss ich vor diesem Duell nicht machen. Man muss sich einfach nur die drei zurückliegenden Fights anschauen, dann ist klar, was Sie am Samstag im Ring erwarten wird", sagte der Promoter. Sofern es einen Sieger gibt, wird im ausverkauften Gerry Weber Stadion die Rivalitäten endgültig ihr Ende finden.

Der Anfang des Kampfes ist für beide Boxer von enormer Bedeutung. Gelingt es Abraham den energischen Beginn seines Gegenübers verpuffen zu lassen und dabei selbst schnellstmöglich auch mit offensiven Aktionen und über seinen verbesserten Jab in das Duell zu finden, könnte das Kapitel Stieglitz ein für alle Mal zu den Akten gelegt werden. Im Falle einer Niederlage sieht die Sachlage jedoch ganz anders aus - es bliebe nichts als ein Haufen Scherben.

Doch auch auf der Gegenseite dürfte das "alles oder nichts"-Gefühl für eine Motivation jenseits aller Grenzen sorgen. "Unser Raubtier wird Arthur den Titel entreißen", betonte Dzemski in den letzten Tagen, denn Stieglitz habe "momentan nichts" und sei deshalb "hungrig und gefährlich". Aussagen, die tief blicken lassen. Denn in der Tat hat Stieglitz im Falle einer erneuten Niederlage kaum gute Argumente für die Fortsetzung seiner Karriere.

Die Niederlage im zweiten Duell hatte Abraham einem geschwollen Auge und damit einer Verletzung zu verdanken, der Erfolg im dritten Aufeinandertreffen war eng, aber erarbeitet. Für einen Knockout seitens Stieglitz' wird es auch im vierten Kampf nicht reichen, auf eine erneute Verletzung zu spekulieren, macht keinen Sinn. Mit diesem Wissen, einem mentalen Vorteil und dem Niederschlag im Gepäck geht der Titelverteidiger als leichter Favorit in den Ring - und wird dieser Rolle gegen einen engagierten Stieglitz am Ende auch gerecht.

SPOX-Urteil: Punktsieg Abraham

Seite 1: Vorbereitung bis Ausdauer

Seite 2: Körperliche Verfassung bis Fazit

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