Kryptonit trifft Kryptonit

Manny Pacquiao (l.) und Floyd Mayweather stehen sich im Kampf des Jahrhunderts gegenüber
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Ausdauer

Beide Boxer gehören nicht mehr zum jüngsten Semester. Allerdings haben weder Mayweather noch Pacquiao ein Problem damit, über die vollen zwölf Runden im Seilgeviert zu stehen. Unabhängig von der Beeinflussung durch etwaige Wirkungstreffer wissen beide schon durch ihre Routine, wie sie ihre Kräfte einzuteilen haben.

Zwar wirkte gerade Pacquiao in seinen letzten Kämpfen nicht mehr so dominant, wie es noch vor ein paar Jahren der Fall war. Dennoch war er stets auf der Höhe - und das trotz einer hohen Arbeitsrate von teilweise mehr als 100 Schlägen pro Runde. Seine überragende Ausdauer ist der entscheidende Faktor, der ihm seinen Stil ermöglicht.

Auch Mayweather hat keine Probleme mit der vollen Distanz. Durch seine präzisen Schläge und den Verzicht auf lange Kombinationen spart er im Gegensatz zu Pacquiao deutlich an Kraft. Eigentlich müsste seine Ausdauer somit als geringer und deshalb als Nachteil gewertet werden, allerdings zählt letztlich nur, in welcher Form beide Duellanten bis zum Ende in der Lage sind zu agieren.

Die Tatsache, dass sich beide auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Vorbereitung befinden, spricht ebenfalls dafür, dass etwaige Ausdauerprobleme kein Faktor sein werden. Der Umstand, dass Pacquiao zwei Jahre jünger ist, spielt ebenfalls keine Rolle.

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Körperliche Verfassung

Hinter beiden Kontrahenten liegt ein wochenlanges und überaus intensives Training. Im Vorfeld des Kampfes wirken sie deshalb entsprechend fit. Ein Gramm Fett sucht man sowohl bei Mayweather als auch bei Pacquiao vergebens, ihre Körper sind komplett ausdefiniert. Im Hinblick auf die physischen Voraussetzungen hat jedoch der US-Amerikaner leicht die Nase vorn.

Mit 173 Zentimetern ist Mayweather knapp vier Zentimeter größer als sein Kontrahent. Ein Umstand, der allein keinen wirklich großen Vorteil verspricht. Dieser kommt jedoch bei der Reichweite zum Vorschein. Während Pacquiao auf 170 Zentimeter kommt, sind es bei Mayweather deren 183.

Ein Unterschied von 13 Zentimetern ist beachtlich. Vor allem bei einem technisch so exzellent ausgebildeten Konterboxer wie Mayweather, der selbst kleinste Vorteile zu seinen Gunsten nutzen kann. Ferner ist es ihm möglich, Pacquiao im Ring mit seiner Masse zu bewegen und sich so etwa aus den Seilen zu befreien. Eine Möglichkeit, die er gegen größere Boxer wie zuletzt Marcos Maidana nicht hatte.

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Fähigkeiten

Mayweather gilt nicht umsonst als technisch bester Boxer des Planeten. Der 38-Jährige verfügt in der Offensive über ein weitgefächertes Arsenal, eine unglaubliche Präzision und eine Voraussicht, die ihresgleichen sucht. Auch seine Anpassungsgabe, die er zuweilen bereits während einer Runde unter Beweis stellt, sowie die Fähigkeit, den Gegner aus dem Rhythmus zu bringen und zu halten, sorgen für Ehrfurcht.

Was Mayweather jedoch vor allem abhebt, ist seine Defensive gekoppelt mit einer atemberaubenden Reaktionszeit. Er schaffte es über seine gesamte Karriere hinweg einen Gegner nach dem anderen in die Verzweiflung zu treiben. Seine Beinarbeit sowie die Bewegungen mit Oberkörper und Kopf sorgen immer wieder für offene Münder. Die perfektionierte Shoulder-Roll-Defense spielt jedoch gegen einen Rechtsausleger keine große Rolle.

Allerdings macht sich sein Alter inzwischen zumindest etwas bemerkbar. "Vor allem gegen Maidana hat Floyd untypische Lücken in seiner Deckung offenbart. Das sind wirklich Kleinigkeiten, aber auf diesem Niveau können sie entscheidend sein", stellte ESPN-Analyst Dan Rafael im Gespräch mit SPOX fest.

Pacquiao ist weit mehr als ein konventioneller Rechtsausleger. Speziell im technischen Bereich wird der Mann von den Philippinen gerne unterschätzt. Während sich viele Linkshänder auf ihrem naturgegebenen Vorteil ausruhen, hat der 36-Jährige zusammen mit Roach diesen nicht nur auf ein völlig neues Level gebracht, sondern auch mit sämtlichen Kniffen eines Normalauslegers ergänzt.

Auf einen K.o. ist er deshalb nicht angewiesen. "Ich glaube, dass Manny ihn über zwölf Runden auspunkten wird. Das ist unser Matchplan", so Roach. Auch seine Defensivarbeit ist mehr als vorzeigbar. Alles in allem mag Pacquiao ein technisch starker Boxer sein, an einen Mayweather reicht in diesem Bereich jedoch niemand heran.

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Mentale Stärke

"Ich glaube, Mayweather wurde in den Kampf getrieben. Er wollte den Fight gar nicht. Ich spüre, er fühlt sich nicht wohl damit", heizte Roach unlängst den verbalen Schlagabtausch an. "Seit fünf Jahren hören wir, dass Floyd Angst hat vor Manny. Wir werden es am Samstag sehen", konterte Mayweather Senior. Der Kampf um einen Vorteil auf mentaler Ebene wurde von beiden Seiten knallhart geführt, die Wirkung auf die Kämpfer lässt sich jedoch kaum nachvollziehen.

Mayweather ist in all seinen Jahren nicht nur ohne Niederlage, er war auch nie am Boden. Sein Selbstvertrauen fällt entsprechend aus. "Es gibt viele, die ganz gut sind - ich bin groß", sagte er kürzlich gegenüber ESPN und fügte an: "Niemand kann mir das Gehirn so waschen, dass ich glaube, dass Muhammad Ali und Sugar Ray Robinson besser waren als ich." Zum Kampf selbst merkte er an: "Es kämpft einer, der ist der Beste, und es kämpft ein anderer Fighter." Auch das obligatorische Grinsen durfte nicht fehlen.

Pacquiao mag zwar fünf Niederlagen auf dem Konto haben, weniger selbstbewusst ist der Mann von den Philippinen dadurch allerdings nicht. Vor allem nicht vor dem größten Kampf seiner Karriere, mit dem er sämtliche Rückschläge vergessen machen und sich endgültig zum größten Boxer seiner Generation krönen kann. "Manny hat die besseren Beine, er ist besser in Form als Mayweather", sagte Roach, dessen psychologische Kriegsführung eine Rolle im Kampf spielen könnte: "Und vor allem: Er ist deutlich motivierter."

Doch damit nicht genug: "Es würde mich sehr wundern, wenn Mayweather in den Ring steigt. Ich glaube es nicht, bevor ich ihn nicht vor uns im Ring gesehen habe", legte der 55-Jährige nach. Pacquiao ist felsenfest davon überzeugt, dass er gegen Mayweather nicht nur eine Chance hat, sondern seinen Erzrivalen nach all den Jahren des Wartens endlich schlagen kann. Die wahre mentale Verfassung wird sich jedoch erst während des Kampfes offenbaren.

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Fazit

Beide Kämpfer sind motiviert bis zum Maximum, die verbalen Schlachten im Vorfeld sind geschlagen. Die Wahrheit liegt dennoch wie immer im Ring selbst - und dort kommt zum Duell der Stile. Mayweather und Pacquiao könnten unterschiedlicher kaum sein. Einen Favoriten auszumachen, scheint deshalb einem Münzwurf gleich zu kommen.

Auch unter den Legenden gibt es die unterschiedlichsten Auffassungen, wer am Ende des Abends den Ring als Sieger verlassen wird. "Pacquiao hat den Vorteil, Mayweather wird sich eher die späten Runden holen", sagte etwa George Foreman: "Aber Manny wird vorne bleiben." Eine Meinung die Sugar Ray Leonard nicht teilen wollte. "Es gibt einfach keinen Weg, einen Typen wie Mayweather zu schlagen", konterte der 58-Jährige.

Die Herangehensweisen scheinen dennoch klar: Pacquiao muss von Anfang an versuchen, über sein aggressives Boxen und seine Geschwindigkeit einen Weg in das Aufeinandertreffen zu finden. Überziehen wie in der Vergangenheit darf er dabei jedoch nicht. Jeder noch so kleine Fehler würde von Mayweather eiskalt ausgenutzt und könnte ihn den Kampf kosten. Schafft er es tatsächlich die Oberhand zu gewinnen, bringt er seinen Erzrivalen in ernsthafte Probleme.

Für Mayweather ist es im Gegenzug entscheidend, die Anfangsphase unbeschadet zu überstehen und sich auf seine Anpassungsfähigkeit zu verlassen. Der 38-Jährige kann trotz einiger Probleme gegen Rechtsausleger auf einer Verteidigung aufbauen, die ihresgleichen sucht. Je weiter der Kampf fortschreitet, desto besser dürfte er seinen philippinischen Gegner in den Griff bekommen - zumindest sofern seine Beinarbeit passt. Ein Knockout-Sieg Mayweathers erscheint allerdings unwahrscheinlich.

Für besondere Spannung sorgt jedoch die Tatsache, dass die größten Stärken des jeweiligen Boxers die Schwachstellen des Gegenübers betreffen. "Jeder stellt für den anderen sein Kryptonit dar", bestätigt Rafael: "Noch nie hat der Spruch 'Styles make Fights' besser gepasst als diesmal." Da Mayweather mit Rechtsauslegern Probleme hatte und Pacquiao nochmal eine andere Hausnummer ist, hat der Filipino am Ende knapp die Nase vorn. Er wird Mayweather durch seine Arbeitsrate sowie seine ungewöhnlichen Winkel aus der Komfortzone herausholen und im Gegensatz zu früher die Geduld bewahren. Ausknocken wird er ihn allerdings nicht.

SPOX-Urteil: Punktsieg Pacquiao

Seite 1: Vorbereitung bis Kinn

Seite 2: Ausdauer bis Fazit

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