Todesbiss oder Kobrabeschwörung?

Kubrat Pulev (r.) will Wladimir Klitschko vom Thron stoßen
© getty

Am Samstag kommt es in der Hamburger o2 World zur Titelverteidigung Wladimir Klitschkos (62-3-0) gegen Kubrat Pulev (20-0-0). SPOX hat beide Kämpfer vor dem Duell (ab 22.45 Uhr im LIVE-TICKER) auf Herz und Nieren geprüft. Der Head-to-Head-Vergleich.

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Vorbereitung

Dank Shannon Briggs erlebte Wladimir Klitschko eine etwas andere Art der Vorbereitung. Der US-Amerikaner, der sich durch seine Auftritte einen weiteren Titelkampf erhofft, folgte dem Weltmeister auf Schritt und Tritt. Ob im Trainingscamp, im Restaurant oder als römischer Legionär verkleidet beim offiziellen Wiegen, der 42-Jährige meldete sich stets lautstark zu Wort. Immer dabei: Provokationen und eine Kamera.

Als wäre die konstante Ablenkung nicht genug, zog sich Klitschko im Training einen Muskelfaserriss im Bizeps zu, weshalb der eigentlich für den 6. September angesetzte Kampf um zwei Monate verschoben werden musste. Trotz der ungeplanten Ereignisse dürfte der 38-Jährige sein gewohntes Programm abgespult haben und topfit in das Duell gehen. "Wladimir ist nicht nur der beste Boxer, sondern auch der Champion, der am härtesten arbeitet", betonte Trainer Johnathan Banks.

Dennoch dürfte der Fokus des Ukrainers, dessen Verlobte Hayden Panettiere das erste gemeinsame Kind erwartet, gelitten haben. Ein Vorteil, den Gegner Kubrat Pulev unbedingt nutzen möchte. Im Gegensatz zu seinem Kontrahenten stand der Bulgare nicht im Rampenlicht und konnte sich in Berlin ungestört mit Trainer Otto Ramin auf die Chance seines Lebens vorbereiten.

Kubrat Pulev im SPOX-Interview

Auch die Verletzung Klitschkos spielte ihm dabei in die Karten: "Ich konnte weiter trainieren und so in noch bessere Form kommen, während Klitschko nichts tun konnte", sagte Pulev im Gespräch mit dem "Ring Magazine". Neben der körperlichen Fitness hat der bekennende Schachfan nach eigener Aussage vor allem an einer passenden Strategie gearbeitet, um der erste bulgarische Weltmeister im Schwergewicht zu werden.

SPOX-Urteil: Vorteil Pulev

Erfahrung

Zwar gab es in der Vorbereitung Klitschkos Störfeuer, dennoch ist seine Erfahrung über jeden Zweifel erhaben. Über 140 Kämpfe, Silber bei den Europameisterschaften 1996 und eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen im gleichen Jahr stehen unter anderem für den Ukrainer als Amateur zu Buche. Hinzu kommen 65 Kämpfe als Profi, bei denen er insgesamt 329 Runden im Ring stand sowie eine Vielzahl von Titelkämpfen - aus der Ruhe bringen dürfte Klitschko also nichts mehr.

Allerdings kann auch Pulev, der bereits mit elf Jahren das Boxen begann, auf eine erfolgreiche Zeit als Amateur zurückblicken. Sei es die Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft 2005 oder der Gewinn der Goldmedaille bei den Europameisterschaften 2008, der 33-Jährige wusste in seinen über 250 Kämpfen als Amateur bereits vor seinem Schritt zum Profi zu überzeugen. Seit seinem Debüt 2009 stand er zudem in 20 Kämpfen, von denen er alle gewann, für 133 Runden im Ring.

Trotz seiner makellosen Bilanz hat der Herausforderer im Vergleich das Nachsehen. Er absolvierte nur knapp ein Drittel der Kämpfe und auch das Rundenverhältnis von 329:133 spricht für Klitschko. Ergänzt man die Rechnung durch die Tatsache, dass Pulev zum ersten Mal in seiner Karriere auf einer solchen Bühne um Titel antritt, wird sein Nachteil noch klarer.

SPOX-Urteil: Vorteil Klitschko

Schlagkraft

Wladimir 'Dr. Steelhammer' Klitschko - noch Fragen? Nein? Gut! Eigentlich sagt der Name nämlich schon alles über die Schlagkraft des Ukrainers aus, eine Knockout-Quote von 80 Prozent tut ihr Übriges. Zwar waren wirklich imposante Niederschläge zuletzt selten, allerdings ist und bleibt Klitschkos Power eine enorme Gefahr - und diese geht nicht nur von seiner vernichtenden Rechten aus.

Auch sein Jab, von vielen gerne unterschätzt, dient nicht nur der Distanzfindung und dem Punkten auf den Scorecards. Der Schlag, mit dem Klitschko den Kampf diktiert, verfügt über eine Härte, die es im Schwergewicht wohl selten bis nie gab. Kombiniert mit dem linken Haken, der bei etwaigen Ausweichversuchen Pulevs zu dessen rechter Seite ins Spiel kommen dürfte, ergeben sich für den Bulgaren wenig berauschende Aussichten.

Zumal er in diesem Bereich kaum etwas entgegenzusetzen hat. Lediglich elf seiner 20 Kämpfe beendete er vorzeitig, eine ernsthafte K.o.-Gefahr scheint vom 33-Jährigen nicht auszugehen. Pulev punktet stattdessen mit einem ebenfalls starken Jab, einer hohen Präzision und einer ordentlichen Geschwindigkeit - passend zu seinem Spitznamen 'Kobra'. Alles in allem dürfte Klitschko dennoch relativ gelassen in einen Schlagabtausch gehen.

SPOX-Urteil: Vorteil Klitschko

Kinn

Relativ? Relativ! Denn es gibt sie tatsächlich, die Achillesferse des Weltmeisters. Dass Klitschkos Kinn nie das härteste war, und es wohl auch niemals werden wird, ist nun wahrlich kein großes Geheimnis. Vor allem gegen Lamon Brewster und Corrie Sanders wurde dies mehr als deutlich. Allerdings liegen diese Demonstrationen bereits eine Dekade zurück.

Zu verdanken hat Klitschko diesen Umstand primär seiner verbesserten Defensivarbeit, die er vor allem unter Legende Emanuel Steward entwickelte, dem Jab als Kontrollinstrument und mit Sicherheit auch der fehlenden Klasse seiner Gegner. Eklatante Nachteile in Größe, Technik und Schlagkraft waren die Regel. Folglich handelt es sich wohl dennoch um den einzigen konkreten Ansatzpunkt Pulevs - trotz fehlender Power.

Der Bulgare, der über eine eher ausbaufähige Deckungsarbeit verfügt, muss zweifelsohne ein großes Risiko eingehen, will er das nahezu Unmögliche schaffen und den Weltmeister entthronen. Ein Blick auf seine bisherige Karriere verrät, dass er die Nehmerqualitäten dazu auf jeden Fall aufweist. Vor allem gegen Alexander Ustinov und Tony Thompson musste er harte Treffer einstecken, tat dies jedoch unbeeindruckt. Ob dies allerdings auch am Samstag der Fall sein wird, sei dahingestellt.

SPOX-Urteil: Vorteil Pulev

Seite 1: Vorbereitung bis Kinn

Seite 2: Ausdauer bis Fazit

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