Urgewalt trifft Pferdelunge

Marco Huck vs. Firat Arsan: Wer verlässt Stuttgart mit dem Titel?
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Ausdauer

Viele Boxer machen diese Entwicklung durch. Man verausgabt sich zu Beginn eines Kampfes, wodurch die Luft in der Schlussphase dünn wird. Auch Huck musste diese Erfahrung machen, als er sich in seinem ersten WM-Fight gegen Steve Cunningham die Kondition nicht richtig einteilte.

Seit dieser bitteren Niederlage hat der Käpt'n allerdings dazu gelernt - auch weil Wegner oftmals frühzeitig die Zeichen der Zeit erkennt und seinen ungestümen Schützling bremst.

Also ein großer Vorteil gegenüber einem 43-Jährigen? Von wegen! Arslan gilt als das Konditionswunder schlechthin. Man hat fast den Eindruck, als könne er sogar 30 Runden im Ring stehen, ohne großartig in Probleme zu geraten. Oder wie es selbst Huck ausdrückte: "Firat hat Kondition wie zehn Pferde." SPOX-Urteil: Vorteil Arslan

Körperliche Verfassung

Huck ist zwar sechs Zentimeter größer als sein Gegner (1,88 m zu 1,82 m), bei der Reichweite schenken sich beide Kontrahenten allerdings nichts (195 cm). Auch beim Wiegen ließen sich kaum Unterschiede feststellen.

Huck, der mit 90,5 kg etwas schwerer war als Arslan (90,1 kg), gilt trotz seiner Größe als explosiver als sein Gegner. Das stellte er nach einigen schwachen Vorstellungen vor allem in seinem letzten Kampf gegen Ola Afolabi unter Beweis.

Auf dem Papier ein Pluspunkt gegenüber dem Brawler Arslan, den Huck allerdings erst mal ausspielen muss. SPOX-Urteil: Vorteil Huck

Fähigkeiten

Ein Techniker vor dem Herrn wird Huck in seiner Karriere nicht mehr. Sein häufig stürmischer Stil ist kein Augenschmaus für Box-Ästheten. Die Offensivaktionen sind nicht geschmeidig, der Jab verkümmert im Eifer des Gefechts häufig zu einer Randnotiz und die Präzision lässt ebenfalls zu wünschen übrig.

Warum er trotzdem Weltmeister ist? Sobald Huck in den Vorwärtsgang übergeht, schafft er es oftmals, seinen Gegner mit schnellen Schlagsalven zu übermannen. Das sieht nicht immer schön aus, ist aber extrem spektakulär und hinterlässt Eindruck - sowohl beim Gegner als auch auf den Zetteln der Punktrichter.

Durch diesen Stil ist Huck allerdings auch enorm anfällig für schnelle Konter. Ob Arslan daraus Profit schlagen kann, muss man abwarten. Der Lokalmatador ist nicht unbedingt als Konter-Spezialist bekannt.

Meistens versteckt er sich hinter seiner Doppeldeckung und versucht, aus kurzer Distanz seine Kombinationen im Ziel unterzubringen. Damit hatte er im ersten Kampf durchaus Erfolg - für einen Sieg muss Arslan aber flexibler agieren und häufiger seine Führhand platzieren. Ansonsten wird er vielleicht wie im November 2012 wieder hochprozentiger treffen (34 Prozent zu 28 Prozent), absolut gesehen allerdings weniger Treffer setzen als Huck (235 zu 241). SPOX-Urteil: Vorteil Huck

Mentale Stärke

Arslan kann seinen vielleicht letzten großen Auftritt ganz entspannt angehen. Der Druck liegt bei Huck, der unbedingt ein Zeichen setzen muss, um einem Vereinigungskampf im Cruisergewicht oder vielleicht sogar dem Aufstieg ins Schwergewicht ein Schritt näher zu kommen.

Die ersten beiden Runden vor dem eigentlichen Kampf gingen bereits an den Herausforderer. Das Arslan-Lager bereitete Huck beim Wiegen mit lauten "Firat, Firat"-Sprechchören einen besonderen Empfang. Das dürfte aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Stimmung in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle gewesen sein.

Außerdem wurde der umstrittene Punktrichter Mickey Vann, von dem sich Arslan im ersten Kampf benachteiligt sah, ausgetauscht. Der 43-Jährige hatte zuvor Protest bei der WBO eingelegt und damit offenbar Erfolg gehabt. SPOX-Urteil: Vorteil Arslan

Fazit

"Ohne zu übertreiben, kann ich sagen, dass dies vom Medieninteresse das größte deutsch-deutsche Duell seit Maske vs. Rocchigiani ist." Promoter Kalle Sauerland mag mit dieser Aussage Recht haben oder auch nicht - ein gewisses Flair kann man dem Rückkampf zwischen Huck und Arslan aber sicherlich nicht absprechen.

Eigentlich ist alles vorstellbar. Ein Huck, der wie im dritten Duell mit Afolabi alle Kritiker verstummen lässt. Ein Arslan, der sich noch mal die Krone holt. Oder spielen doch wieder die Punktrichter das Zünglein an der Waage?

Vieles wird darauf ankommen, ob es der Herausforderer wieder schafft, Huck den letzten Nerv zu rauben. Sollte der Käpt'n allerdings von Anfang aufs Gaspedal drücken und den Kampf diktieren, dürfte er seinen WBO-Titel ein weiteres Mal verteidigen können. SPOX-Urteil: Punktsieg Huck

Seite 1: Vorbereitung bis Kinn

Seite 2: Ausdauer bis Fazit

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