Kiez, Knast, Kohle und K.o.

SID
Graciano Rocchigiani hat am 29. Dezember Geburtstag
© getty

Graciano Rocchigiani hat in seinem schillernden Leben keinen Skandal ausgelassen. Der "Bad Boy" des deutschen Boxens war aber auch mal einer der besten Halbschwergewichtsboxer der Welt. Am Sonntag wird "Rocky" 50.

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Ein Leben in Saus und Braus, Graciano Rocchigiani träumte schon als Kind vom großen Geld. Der Sohn eines sardischen Eisenbiegers erlernte im Westteil Berlins das Boxen, verschaffte sich Respekt, boxte sich durch, wurde zweimal Weltmeister, scheffelte Millionen, verprasste alles, stürzte ab und lebte zuletzt von Hartz IV.

Am Sonntag (29. Dezember) wird "Rocky" 50 - ein Leben zwischen Kiez, Knast, Kohle und K.o.

"In der Vergangenheit habe ich mich oft wie auf einer Achterbahn gefühlt. Für kurze Zeit ganz oben, als strahlender Sieger, und dann plötzlich wieder ganz unten, am Boden zerstört. Einmal fand ich mich im Straßengraben wieder und dreimal auch im Knast", sagte der Bad Boy des deutschen Boxsports vor seinem runden Wiegenfest, das er in seiner Heimatstadt mit Freunden begehen will.

Trainerjob in Hanau

Derzeit führt die Achterbahnfahrt wieder mal nach oben. Der Draufgänger mit Berliner Schnauze hat einen neuen Job als Trainer, "Rocky" betreut in Hanau die deutsche Staffel für die World Series of Boxing (WSB).

Ein durchaus ansprechender Internet-Auftritt ("Rocchigiani.de") und eine eigene Mode-Kollektion zeugen von weiteren Aktivitäten. "Zurzeit läuft es wieder echt gut, und ich hoffe, dass diese kleine Glückssträhne noch ein Weilchen anhält", sagte der Ex-Champion.

Vor wenigen Monate befand sich der frühere Gebäudereiniger noch ganz auf der Schattenseite des Lebens. Der Haudrauf war pleite, lebte von Hartz IV und hatte keine Wohnung. Unterschlupf fand er bei einem befreundeten Pensionsbesitzer in Großziethen vor den Toren Berlins.

Die Millionen waren verprasst, falsche Freunde und der Hang, auch außerhalb des Rings Konflikte mit Fäusten zu lösen, warfen den jüngeren, aber talentierten Bruder von Ex-Weltmeister Ralf Rocchigiani immer wieder aus der Bahn.

Mehrmals im Gefängnis

Das ganze Drama seines Lebens wurde vor einigen Wochen wieder deutlich, als Ex-Ehefrau Christine ihre Autobiografie ("K.o. nach zwölf Runden") veröffentlichte.

Drogen, Prostituierte, häusliche Gewalt, Knast, Scheidung - Rocchigiani ließ keinen Skandal aus. Mehrmals musste der Mann aus Berlin-Schöneberg hinter Gitter - u.a. wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung oder wiederholten Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Ehefrau Christine war auch dabei, als Rocchigiani einen der spektakulärsten Prozesse in der Geschichte des Profiboxens führte - und gewann. Am 22. März 1998 hatte sich der Rechtsausleger vor 9000 Zuschauern in der Berliner Max-Schmeling-Halle durch einen Sieg gegen den Amerikaner Michael Nunn den WM-Titel der WBC im Halbschwergewicht gesichert.

Eklat durch die WBC

Als erster deutscher Boxer widerlegte er das Motto "They never come back" und wurde zum zweiten Mal in seiner Karriere Champion.

Vier Monate später sorgte die WBC für einen Eklat. Der anerkannte Verband, in dem bereits Muhammad Ali Weltmeister war, ernannte plötzlich den Amerikaner Roy Jones zum neuen Champion. Rocchigiani fühlte sich bestohlen und zog in den USA vor Gericht.

Am Ende wurden ihm 31 Millionen Dollar Schadensersatz zugesprochen. Die WBC drohte mit Konkurs, 2004 ging Rocchigiani auf ein Vergleichsangebot an und bekam 4,5 Millionen Dollar. Es dauerte aber nicht lange, da war auch diese Summe durchgebracht.

Rocky gegen Maske und den Tiger

Zur tragischen Figur wurde "Rocky" zur Zeit des deutschen Boxbooms in den Neunziger Jahren in Kämpfen gegen die damaligen TV-Lieblinge Henry Maske und Dariusz Michalczewski.

Beide Weltmeister hatte er am Rande einer Niederlage, verlor aber jeweils umstritten. Die Rückkämpfe gab der Rechtsausleger klar ab, sodass ihm der Aufstieg zum nationalen Helden verwehrt blieb.

Am 11. März 1988 war der Stern des Profiboxers Graciano Rocchigiani aufgegangen. Vor 6000 Zuschauern prügelte der damals 24-Jährige in Düsseldorf den Amerikaner Vincent Boulware (USA) im IBF-Titelkampf des Supermittelgewichts windelweich.

Schon damals zeigte sich sein typischer Stil: Sobald er sich bei einem Gegner festgebissen hatte, war "Rocky" nicht mehr zu halten und zeigte spektakuläre Schlagserien. Über Nacht war der Shooting-Star zum Champion geworden, Deutschland hatte nach Max Schmeling und Eckhard Dagge seinen dritten Weltmeister im Profiboxen.

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