Pacmans Endspiel

Manny Pacquiao trifft in Macao auf den Amerikaner Brandon Rios
© getty

Manny Pacquiao feiert am Samstag in Macao seine Rückkehr in den Ring. Doch für den Philippiner steht gegen Brandon Rios mehr auf dem Spiel, als die beiden Niederlagen in seinen letzten zwei Kämpfen vergessen zu machen. Es geht wohl auch um die Karriere des legendären Weltergewichts.

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2905 Suiten. 800 Spieltische. Mehr als 3400 Geldspielautomaten. Wenn Touristen am Venetian Resort in Macao vorbeischlendern, können viele von ihnen ihren Augen nicht trauen. Der Luxuskomplex am berühmt-berüchtigten Cotai Strip sprengt alle Dimensionen.

Mit 980.000 Quadratmeter Nutzungsfläche ist das Hotel samt Casino und weiteren Unterhaltungsangeboten das sechstgrößte Gebäude der Welt, unter anderem nur geschlagen vom New Century Global Center in der chinesischen Stadt Chengdu oder dem Royal Clock Tower Hotel in Mekka.

Nur beim Gym sparte die Investorengruppe, die das gleichnamige Hotel in Las Vegas ebenfalls im Portfolio hat, offenbar ein wenig. So müssen sich Brandon Rios und Manny Pacquiao derzeit die Trainingshalle teilen - mit folgenschweren Konsequenzen.

Chaos im Gym

Als am Mittwoch das Camp des Herausforderers nicht rechtzeitig das Gym verließ, kam es zu einem kleinen Schlagabtausch zwischen Rios' Trainerteam und Freddie Roach. "Mexican Motherfucker", "Piece of shit" schallte es durch die heiligen Hallen. Alex Ariza, Rios' Konditionstrainer, ließ sich sogar zu einem Tritt gegen Roach hinreißen.

"Wir beginnen immer zur gleichen Zeit. Als ich nachgefragt habe, warum sie noch da sind, hat sich Ariza erst über mein Parkinson lustig gemacht und mich dann getreten", erklärte Pacquiaos Coach gegenüber "ESPN".

Von der Gegenseite wurde die Szenerie naturgemäß anders dargestellt. "Er hätte ruhig noch warten können. Pacquiao war noch nicht mal da, und trotzdem spielt Roach schon den großen Zampano. Daran sieht man, wie nervös er ist", konterte Rios-Trainer Robert Garcia.

Wie genau das Handgemenge ablief, mag man kaum beurteilen. Und dennoch kann man sich des Eindrucks Garcias nicht erwehren. Eine ähnliche Situation hätte Roach vor einigen Jahren vielleicht noch anders gemeistert.

Pleite gegen Bradley

Damals dominierte sein Aushängeschild allerdings auch noch die Boxwelt wie kaum ein Zweiter und wechselte sich munter mit Floyd Mayweather als Nummer eins in jedem Pound-for-Pound-Ranking ab.

Doch das gehört der Vergangenheit an. Pacquiaos Phalanx wurde gebrochen, seine Ausnahmestellung gibt es nicht mehr. Seine letzten beiden Kämpfe hat der Philippiner verloren, von dem lang ersehnten Duell mit Mayweather spricht schon lange niemand mehr.

Zugegeben: Als er sich im Juni 2012 Timothy Bradley nach Punkten geschlagen geben musste, fühlte sich nicht nur Pacquiao wie im falschen Film. Eigentlich jeder Experte und Zuschauer in der ausverkauften MGM Grand Garden Arena von Las Vegas hatte Pacman vorne.

Allerdings hatten sie die Rechnung ohne C.J. Ross gemacht, die als Punktrichtern den Fight unerklärlicherweise zugunsten von Bradley wertete. "Das ist eine Schande für den Boxsport. Ich schäme mich für jeden, der diesen Sport genauso liebt wie ich", schimpfte damals Promoter Bob Arum.

Auch beim Showdown zwischen Mayweather und Canelo Alvarez Mitte September machte die Punktrichterin alles andere als eine gute Figur.

Marquez knockt Pacman aus

Doch es liegt nicht nur an Ross, dass Pacquiaos Karriere im letzten Jahr einige Schrammen bekommen hat. Dafür war vor allem der 8. Dezember 2012 verantwortlich. Wieder bot das berühmte MGM die Bühne für einen Abend, der den meisten noch lange in Erinnerung geblieben ist.

Im vierten Aufeinandertreffen der mittlerweile legendären Rivalität zwischen Juan Manuel Marquez und Pacquiao war es zum ersten Mal der Mexikaner, der den Ring als Sieger verließ. Es war aber weniger die Niederlage, die Pacman in den Kreis der Normalsterblichen beförderte.

Vielmehr war es die Art und Weise, die die Boxfans landauf und landab mit schockierten Gesichtern zurückließ. Pacquiao, der erste und bislang einzige Weltmeister in acht verschiedenen Gewichtsklassen, beendete den Abend am Boden liegend, im sprichwörtlichen Staub des Rings, die Augen tief geschlossen.

Es war dieses Bild, das in den Tagen danach um die Welt ging. Das Bild eines Mannes, der dasselbe Schicksal erlitt wie viele große Champions zuvor. Und die Liste ist lang und namhaft: Joe Louis, Sugar Ray Robinson, Muhammad Ali, Mike Tyson, um nur einige zu nennen.

Der Taifun Haiyan

Sie alle erkannten die Zeichen der Zeit nicht und erlebten ihren Abstieg aus dem Box-Olymp hautnah mit. Roach, sein langjähriger Weggefährte, ging bei Pacquiaos Knockout sogar vom Schlimmsten aus: "Er lag einfach zu lange regungslos da. Ich habe mich gefragt: 'Ist er tot?' Es war beängstigend. Aber er ist wieder zu sich gekommen."

In den Monaten darauf zog sich Pacquiao zurück: "Es war gut, mal etwas Abstand zu gewinnen. Es gibt auch Wichtigeres als Boxen." Das wurde ihm spätestens am 8. November wieder mal bewusst. Man kann sich kaum vorstellen, welchen Konflikt in ihm tobte, als er mitansehen musste, wie Tausende seiner Landsleute durch den Taifun Haiyan ihr Leben verloren.

"Ich wollte helfen. Fast nichts hätte mich in diesem Moment davon abhalten können. Aber ich war in der heißen Phase meiner Vorbereitung. Ich konnte das nicht aufgeben", so Pacquiao, der in seiner Heimat eine Karriere als Politiker anstrebt . "Meine Gebete sind bei meinen Landsleuten. Ich werde den Sieg gegen Rios ihnen widmen."

Auch Roach ist sich des zerrissenen Herzens seines Schützlings bewusst: "Seine Anwesenheit alleine hätte den Menschen geholfen. Natürlich beschäftigt ihn das, das weiß ich und macht mir auch ein paar Sorgen. Ich hoffe, dass er sich davon nicht zu sehr ablenken lassen."

Bam Bam Rios

Das Rios-Camp sieht aber nicht nur deswegen Chancen, Pacquiao am Samstag in der Cotai Arena endgültig in den Ruhestand zu schicken. Nichts anderes würde die dritte Niederlage in Folge wohl bedeuten. Rios, dessen Spitzname "Bam Bam" eigentlich schon alles sagt, gilt mit seiner In-your-face-Herangehensweise als Offensive Puncher vor dem Herrn.

Laut "CompuBox.com" feuert der Amerikaner pro Runde 74 Schläge ab, 25 davon finden ihr Ziel. Drückt Rios auch gegen Pacquiao aufs Gas, könnte vor allem im späteren Verlauf des Kampfes das Alter eine Rolle spielen. "Bei Marquez hat man gesehen, was passiert, wenn er hart getroffen wird. So wird es auch am Samstag laufen."

Während Rios mit 27 Jahren gerade erst ins beste Boxalter kommt, feiert Pacman im Dezember seinen 35. Geburtstag. "Ich werde meinen Stil nicht verändern, aber ein wenig intelligenter boxen", so der US-Boy, der wohl das härteste Kinn im gesamten Weltergewicht hat

Kein offener Schlagabtausch?

Das ist auch dringend notwendig, denn Rios sollte sich von Pacquiaos beiden Niederlagen nicht aufs Glatteis führen lassen. Laut Roach befindet sich der Ex-Champion in der besten Form seit etlichen Jahren.

Für Pacquiao wird es darauf ankommen, sich nicht unbedingt auf einen offenen Schlagabtausch einzulassen. Vielmehr sollte er die Distanz wahren und den häufig zu rücksichtlos boxenden Rios mit seiner schnellen Beinarbeit, so sie denn noch vorhanden ist, aus dem Gleichgewicht zu bringen, um ihn dann mit der Pot-Shot-Taktik, bei der man nur ein, zwei Schläge macht und dann wieder die Distanz herstellt, zu ärgern.

An der Motivation sollte es zumindest nicht fehlen. Schon gar nicht nach dem Vorfall im Gym. Den bekam Pacquacio zwar nicht hautnah mit. Nach einem kleinen Video davon soll er Roach aber versprochen haben, sich der Sache anzunehmen - und schritt danach mit ernstem Blick in die Weiten des Venetian Resort von dannen.

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