Abraham siegt, aber überzeugt nicht

SID
Arthur Abraham siegte vor 6.000 Zuschauern in Kiel gegen den Polen Piotr Wilczewski
© Getty

Das Gute im Box-Geschäft für die Promoter ist ja: Es gibt immer einen Weg zum Titel. "Jetzt geht es um die Weltmeisterschaft", verkündete also Kalle Sauerland nach dem Punktsieg (118:109, 118:109, 119:108) von Arthur Abraham am Samstag vor 6.000 Zuschauern in Kiel gegen den tapferen, aber harmlosen Polen Piotr Wilczewski.

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So wird es also kommen Ende August: Abraham gegen Robert Stieglitz (Magdeburg) oder den Briten George Groves. "Ich bin bereit, morgen um die WM zu kämpfen", tönte der Berliner noch im Kieler Ring - dann fuhr er zum Arzt.

Verdacht auf Trommelfellriss - Abraham hat mehr auf die Ohren bekommen als geplant. Und weniger ausgeteilt als vorgesehen. Trainer Ulli Wegner, der knorrige Vorpommer mit dem Hang zur klaren Aussprache, dämpfte wie ein Rufer im Wald die öffentlich vorgetragenen WM-Ambitionen vom Kämpfer und Manager: "Bei seinem Leistungsvermögen darf er nicht über die Runden gehen", sagte Wegner also, "wenn ich jetzt in Euphorie verfalle, bin ich falsch am Platz. Aber wahrscheinlich habe ich keine Ahnung vom Boxen."

Nur Trainer Wegner mahnt

Wegner, "neunmaliger Trainer des Jahres, Träger des Bundesverdienstkreuzes und der Goldenen Henne", wie der Sauerland-Sprecher bei jeder Vorstellung betont, wird demnächst 70. Er hat Sven Ottke, Markus Beyer, Marko Huck und Abraham zu Weltmeistern gemacht.

Er sagt, was er denkt, auch wenn das seinen Chefs nicht immer gefallen mag. Man tut also gut daran da hinzuhören. "Wenn man die Weltspitze mitbestimmen will, muss mehr kommen", sagte Wegner also.

Das werden interessante Gespräche hinter den verschlossenen Türen des Max-Schmeling-Gyms in Berlin in den nächsten Tagen und Wochen. Wegner ist keinesfalls immer von der forschen Art von Juniorchef Kalle Sauerland begeistert. Der Trainer wollte auch den Kampf Marco Huck gegen Alexander Powetkin nicht. Samstagnacht in Kiel klang er fast schon ein wenig resigniert und sarkastisch: "Ich habe vom Manager gehört, wir hätten den alten Arthur wiedergesehen. Dann muss ich mich wahrscheinlich anschließen."

Aufwärtshaken kam nicht

Wegner weiß es nämlich besser. Abraham war aktiver als zuletzt, verschanzte sich nicht hinter seiner Doppeldeckung. Aber er hatte nicht die boxerischen Möglichkeiten, den biederen Breslauer entscheidend zu besiegen. Das Distanzgefühl fehlte, kleine Schritte raus aus der Halbdistanz und vor allem der Aufwärtshaken, mit dem Wilczewski entscheidend zu treffen gewesen wäre. "Das muss durch ständiges Training im Unterbewusstsein aktiviert werden", sagte Wegner, "dafür muss der Boxer aber intensiv mitarbeiten."

2010/2011 ist der einst ungeschlagene Mittelgewichts-Champion Arthur Abraham durch den Aufstieg eine Gewichtsklasse höher vom Erfolgsweg abgekommen. Drei Niederlagen gegen Weltklassegegner in den Verbänden WBC und WBA zeigten die sportlichen Grenzen des 32-Jährigen klar auf.

Seit Januar ist er jetzt auf dem Comebackweg: "Ich schaue nur nach vorne." Durch den Sieg über Wilczewski ist er nun tatsächlich nach nur zwei Kämpfen Pflichtherausforderer beim Verband WBO. Es gibt eben viele Wege zu einer "Weltmeisterschaft".

Der zunächst diagnostizierte Trommelfellriss stellte sich übrigens nur als verhärtetes Ohrenschmalz heraus.

Die Weltmeister der Verbände

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