Best Ager - ohne best?

Von Norbert Pangerl
Treffen am Samstag in Moskau aufeinander: Altmeister Roy Jones jr. (l.) und Denis Lebedew
© Imago

Das bisher vielleicht beste Box-Wochenende im Jahr 2011 steht vor der Tür. Die Boxfans rund um den Globus blicken dabei nicht nur nach Nordamerika, wo Altmeister Bernard Hopkins zum Rematch gegen Jean Pascal antritt, sondern auch nach Russland. Ein alter Rivale von Hopkins misst sich dort mit einem Ex-Gegner von Marco Huck und riskiert nach Meinung vieler dabei seine Gesundheit.

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Um der wachsenden Bedeutung dieser Personengruppe gerecht zu werden und um nicht mehr despektierlich von "den Alten" sprechen zu müssen, hat sich in den letzten Jahren für die Menschen, die kurz vor ihrem 50. Geburtstag stehen, in den Marketingabteilungen der großen Firmen und davon ausgehend auch in den Medien der Begriff "Best Ager" etabliert.

Im Boxen ist diese Bezeichnung bisher nicht zu finden, blickt man aber auf die Kämpfe des kommenden Wochenendes, so könnte doch der eine oder andere auf den Gedanken kommen, dass auch die Box-Promoter diese lukrative Zielgruppe für sich entdeckt haben.

Im kanadischen Montreal steigt der mittlerweile 46-jährige Bernard Hopkins erneut gegen den 18 Jahre jüngeren Jean Pascal in den Ring. Ein paar Stunden vorher kann das russische Publikum in Moskau einen Langzeit-Rivalen von Hopkins bewundern.

Roy Jones jr. zurück im Ring

Die lebende Legende Roy Jones jr. betritt das erste Mal seit April 2010 wieder die Box-Bühne. Vor gut einem Jahr wurde er in einer Neuauflage ihres Mittelgewichts-Gefechts von 1993 just von Bernard Hopkins vorgeführt.

Während Hopkins im Halb-Schwergewicht nach wie vor die Nummer 1 der unabhängigen Weltrangliste ist und gegen Pascal um den Weltmeisterschaftstitel der WBC kämpft, ist der ehemalige Dominator dieser Klasse und "fighter of the decade" in den 1990ern, Roy Jones jr., nicht mehr in den Rankings zu finden. Zu deutlich waren seine Niederlagen in den vergangenen Kämpfen.

Bereits vor der Schlappe gegen Bernard Hopkins, den er 1993 noch einstimmig nach Punkten besiegen konnte, war der 42-Jährige in Sydney in der ersten Runde von Lokalmatador Danny Green ausgeknockt worden. Spätestens ab da stellte sich bei vielen Fans des coolen US-Amerikaners Mitleid mit dem Mann ein, der in den 90ern die großen Hallen füllte und dessen Leben zu dieser Zeit ein einziger Titelkampf war.

Absprung verpasst?

Viel Zeit ist seit damals aber vergangen und Jones jr. ist nach Meinung der meisten Fans und Experten gerade dabei, seine glanzvolle Karriere so gar nicht glanzvoll enden zu lassen. Sechs seiner letzten elf Kämpfe hat der einst als unbesiegbar geltende Mann aus Pensacola verloren. Davor verließ er in 50 Kämpfen nur einmal den Ring als Verlierer - 1997 wurde er gegen Montell Griffin disqualifiziert.

Nun tritt er in Russland gegen die Nummer 1 der WBO im Cruisergewicht, Denis Lebedew, an. Der hart schlagende Russe ist in Deutschland als letzter Huck-Gegner bestens bekannt. Im Dezember musste er sich dem deutschen Weltmeister - für viele unverdient - mit 2:1 Richterstimmen geschlagen geben und will sich durch einen Sieg gegen Jones jr. eine weitere Chance auf einen der WM-Titel sichern.

"Jones ist immer noch ein gefährlicher Kämpfer", sagte Lebedew auf der gemeinsamen Pressekonferenz Anfang der Woche. "Ich muss mein Bestes geben, um den Kampf zu gewinnen. Aber ich werde gewinnen und dann die amtierenden Weltmeister herausfordern", erklärte Lebedew den anwesenden Journalisten.

Der Altmeister geht als Außenseiter ins Rennen

Dass es tatsächlich so kommen wird, ist die einhellige Meinung vieler Boxsport-Begeisterter und auch zahlreicher Experten. Unklar sei lediglich, ob Jones jr. nach Punkten oder durch Knockout verlieren wird. Auch bei den Wettanbietern ist der US-Amerikaner Außenseiter gegen den 31-jährigen Russen.

Jones jr. zeigte sich ob dieser Aussagen nicht verwundert: "Ich bin hier, um eine gute Show zu liefern, das ist schließlich alles was ich kann. Ich kümmere mich nicht um die Aussagen der Kritiker", ließ er auf der Pressekonferenz verlauten.

Um was er sich demnächst vermutlich kümmern muss, ist die kolportierte Kampfbörse in Höhe von 500.000 US-Dollar, die wohl auch einen gewichtigen Grund für die Russland-Reise des zukünftigen Hall-of-famers gespielt haben dürfte. In seiner Prime time lehnte er noch Kämpfe in Übersee ab. Heute, da das Ende der Karriere naht, tingelt er durch die Weltgeschichte. Parallelen zu Evander Holyfield drängen sich auf, der vor zwei Wochen 48-jährig in Kopenhagen im Ring stand.

Sportlich fragwürdig - aber unterhaltsam?

Über den sportlichen Wert der samstäglichen Ansetzung lässt sich im Vorfeld nur schwer etwas sagen. Lebedew, der derzeit zu den stärksten Cruisergewichtlern gezählt werden darf, möchte sich mit einem bekannten Namen seinen Rekord aufpolieren. Am besten mit einem vorzeitigen Sieg. Für ihn gilt: Verlieren verboten.

Dazu hat er sich mit Kostya Tszyu einen prominenten Trainer in seine Ecke geholt. Der frühere Weltklasse-Boxer ist so alt wie der Gegner seines Schützlings, hat aber im Gegensatz zu diesem den richtigen Zeitpunkt für den Absprung von der aktiven Karriere gefunden. Für Jones jr. ein Grund, auf der Pressekonferenz spontan einen Rap einzustreuen: "Float like a butterfly, sting like a bee, his trainer is just as old as me!", dichtete Jones jr. in Anlehnung an den bekannten Spruch Muhammed Alis.

Ob Roy Jones jr. neben seinen gesanglichen Fähigkeiten in der Lage ist, ein vielleicht letztes sportliches Ausrufezeichen in seiner Karriere zu setzen, ist äußerst fraglich. In den Medien wird von einer sicheren Niederlage für den Boxer aus Florida ausgegangen und viele haben gar Angst vor bleibenden gesundheitlichen Schäden bei his royness. Der entgegnete jedoch: "Ich kann mir mein Gesicht nicht zu sehr beschädigen lassen, denn wie ihr wisst: mein Aussehen ist mein Kapital."

Aus Goldies werden Oldies

Egal, ob man nun denen rechtgibt, die sagen, Jones jr. hätte längst zurücktreten sollen, oder den Fans, die sich freuen, den Ex-Champ nochmals im Ring bewundern zu können, eines ist allen gleich: der ehemalige achtfache Weltmeister Roy Jones jr. elektrisiert die Massen nach wie vor, in Russland und auch anderswo. Auch Bernard Hopkins will nach einem Sieg gegen Jean Pascal noch lange nicht Schluss machen und Holyfield sowieso nicht.

Und so bleiben die Legenden von einst der Boxgemeinde erhalten. Wenn auch vielleicht nicht mehr als Best Agers im Ring, sondern als klingende Namen, die aus jeder Boxveranstaltung zwischen Albuquerque und Irkutsk ein Event von Weltformat machen. Oder um es mit den Worten von Kostya Tszyu zu sagen: "This happens, sometimes this is what boxing is about."

Die Weltranglisten der vier anerkannten Verbände

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