Die Lichtgestalt des Supermittelgewichts

Von Philipp Dornhegge
Andre Ward, WBA-Champion im Supermittelgewicht, hat seit 1996 keinen Kampf mehr verloren
© Getty

In der Nacht von Samstag auf Sonntag steigt Andre Ward im Halbfinale des Super-Six-Turniers gegen Arthur Abraham in den Ring. Der Son of God gilt nach einer dominanten Vorrunde inzwischen als großer Favorit auf den Gesamtsieg. Allerdings ist er weiterhin nicht unumstritten.

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Nur wenige Boxer haben in der jüngeren Vergangenheit in der öffentlichen Wahrnehmung so eine Wandlung durchgemacht wie Andre Ward. Als das Super-Six-Turnier startete, war er für den Sauerland-Stall zwar einer der Mitfavoriten, gerade in Deutschland aber hieß es zumeist: "Abraham und Kessler sind die Favoriten, danach kommt der Rest."

Arthur Abraham im SPOX-Interview

Auch in der mySPOX-Community waren vor Wards erstem Kampf gegen Mikkel Kessler Vorhersagen wie "Ward hat keine Chance, Kessler ist zu gut" (Rodnox) oder "5th round knockout. Länger geht der Fight nicht. Kessler wird den Kampf dominieren" (VuweZeeler) keine Ausnahme.

Das hat natürlich damit zu tun, dass die Situation vor Turnierbeginn offenbar zu sehr durch die deutsche Brille gesehen wurde. Andererseits: Auch in den USA und anderswo war man sich nicht sicher, was vom Son of God zu halten ist.

Klar, Ward war schon im Amateurbereich unglaublich gut. Er hat seit 1996, seit er zwölf Jahre alt war, keinen Fight mehr verloren. In 23 Profikämpfen bestand praktisch nie ein Zweifel über den Ausgang.

Von der großen Unbekannten zur Lichtgestalt

Allerdings hat er dabei eine mäßige K.o.-Quote (56,52 Prozent) vorzuweisen und er hatte lange Zeit niemanden besiegt, dessen Name viel hermacht. Erst mit dem überzeugenden Auftritt gegen Edison Miranda im Vorfeld des Turniers ließ er aufhorchen.

Auch seine Schlagkraft ist noch immer nicht zur absoluten Spitzenklasse zu zählen. Dies alles sind Dinge, die erklären, warum Ward nur die wenigsten auf dem Schirm hatten.

Dabei übersahen jedoch fast alle, dass Wards Leistungskurve stetig nach oben zeigte und dass seine Technik und Präzision eine Klasse für sich sind. Kaum jemand boxt so kontrolliert in seiner Vorgehensweise und gleichzeitig so unberechenbar und variantenreich wie Ward.

Kessler überraschte Ward mit ungeahnter Aggressivität und Schnelligkeit, beim zweiten Turnier-Kampf war Ersatzmann Allan Green hoffnungslos überfordert und kassierte Schlag um Schlag. Mittlerweile ist aus der großen Unbekannten die Lichtgestalt des Supermittelgewichts geworden, Ward macht seinem Spitznamen Son of God in sportlicher Hinsicht alle Ehre.

Bei allem Lob: Ward keineswegs unumstritten

Dabei ist der 27-Jährige, so sehr er abseits des Ringes als Gentleman gilt, keineswegs unumstritten. Kesslers technischer K.o. kam auch dadurch zustande, dass Ward ihn immer wieder mit versteckten Kopfstößen traktierte.

Zudem hatte er hier und da unerlaubt seine Ellenbogen eingesetzt. Fans und Experten sahen dies, der Ringrichter jedoch ließ Ward gewähren.

Womit der zweite Kritikpunkt schon genannt ist: Die Goossen Tutor Promotions um Toppromoter Dan Goossen tue alles, um die Chancen ihres Schützlings zu verbessern, und schrecke dabei auch nicht davor zurück, Ringrichter auszuwählen, die Ward wohlgesonnen sind.

Seine letzten sieben Profikämpfe bestritt der Kalifornier allesamt in seinem Heimatstaat, allein vier davon in der Oracle Arena in Oakland. Dort, wo er sein Trainingszentrum hat. Den Kessler-Kampf leitete Jack Reiss, beim Green-Kampf war Raul Caiz Sr. der dritte Mann im Ring. Beide Ringrichter sind - wie Ward - Kalifornier.

Sauerland muss neutralen Ringrichter erzwingen

Dass es dazu kommen konnte, ist allerdings in beiden Fällen auf ein Versäumnis der Gegenpartei zurückzuführen, auf den ausgehandelten Statuten des Super-Six-Turniers zu beharren: Demnach muss zu jedem Fight ein neutraler Referee berufen werden.

Zwar wurde vor Kesslers Auftritt ein Punktrichter kurzfristig noch ausgetauscht, aber der Referee blieb derselbe. Und der war bei dem vorzeitigen Ende des Kampfes der einzig relevante Mann. Den Fehler, den der Sauerland-Stall damals machte, vermied man jetzt im Vorfeld.

Erneut wollte das Ward-Lager einen Kalifornier nominieren, doch Abrahams Camp schritt ein und drohte, nicht zum Kampf anreisen zu wollen. Die Situation konnte geklärt werden, mittlerweile steht fest, dass Luis Pabon aus Puerto Rico den Kampf um den WBA-Gürtel im Supermittelgewicht leiten wird.

Immerhin hat Ward aber wieder ein Heimspiel: Der Kampf findet im Home Depot Center in Carson (Großraum Los Angeles) statt. Dort hatte er 2007 bereits einen gewissen Francisco Diaz per K.o. besiegt.

Ward: "Auf einen harten Kampf eingestellt"

Wilfried Sauerland nutzte die Gelegenheit, um eine Spitze gegen Andre Ward zu verteilen: "Wir sind froh, dass das Ringrichter-Problem gelöst ist", so der Hall-of-Fame-Promoter. "Die Tatsache, dass Dan Goossen es mal wieder versucht hat, zeigt doch deutlich, dass er nicht viel Vertrauen in sein bestes Pferd hat. Es verstärkt vielmehr den Eindruck, dass er sich Sorgen um Ward macht und Angst vor Arthurs Power hat. Ich kann es ihm nicht verdenken."

Ward ging bei der Pressekonferenz in L.A. gar nicht erst auf die Sticheleien ein: "Abraham ist sehr stark", erklärte er. "Ich bin auf einen harten Kampf eingestellt. Das ist genau die Art von Kampf, die ich gewinnen muss, um ein ganz Großer zu werden. Von meiner Seite gibt es nicht viel zu sagen. Ich habe mich so vorbereitet, wie sich ein Champion vorbereiten muss. Ich bin bereit."

Kaum jemand glaubt an einen Abraham-Sieg

In der Tat hätte es Ward überhaupt nicht nötig, Nebenkriegsschauplätze aufzumachen. Er ist viel zu gut, als dass er einen Heimrichter bräuchte.

Die Fights gegen Kessler und Green hätte er sowieso gewonnen, er war jeweils der deutlich überlegene Fighter. Insofern mutet es schon seltsam an, dass es sein Lager für erforderlich hält zu tricksen.

Rund anderthalb Jahre nach dem Start des Super-Six-Turniers zweifelt kaum noch jemand daran, dass Andre Ward besser als alle anderen Supermittelgewichtler der Welt ist. Inklusive IBF-Weltmeister Lucian Bute, der beim Super-Six-Turnier bekanntlich nicht dabei ist. Abraham hat am Samstag die Chance, diese einhellige Meinung wieder zu ändern.

Aber wer glaubt ernsthaft daran, dass das tatsächlich passieren wird? In den Wettbüros jedenfalls kann man kaum einen Pfifferling verdienen, wenn man darauf setzt, dass der Lauf des Amerikaners weitergeht. Boxlegende Sugar Ray Leonard fasst kurz und knapp zusammen, was man von Ward zu erwarten hat: "Es sollten sich mehr Leute seine Kämpfe ansehen. Der Bursche wird schon bald ein Superstar sein. Andre Ward ist ein absoluter Gewinner."

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