"Der größte Edelstein, den ich habe"

Von Für SPOX in Hamburg: Ingo Rohrbach
Der 25-jährige Jack Culcay gewann bisher alle seine sechs Profikämpfe, vier davon durch einen K.o.
© Getty

Am Freitag steigt Superweltergewichtler Jack Culcay gegen den Bulgaren Alexey Ribchev in den Ring. Es ist der siebte Profikampf des 25-Jährigen, zum ersten Mal wird ein Fight bei "bild.de" im Internet-TV übertragen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

In Hamburg traf SPOX den gebürtigen Ecuadorianer und seinen Trainer Michael Timm. Im Doppelinterview geht es um Nervosität und Ansporn vor einem Novum, langfristige Ziele, eine Vater-Sohn-Beziehung und den Vergleich mit Roy Jones und Floyd Mayweather.

SPOX: Herr Timm, Jack Culcay ist zum ersten Mal Hauptkämpfer bei "bild.de". Kribbelt es schon ein bisschen?

Michael Timm: Vor allem bei Jack, er steht ja jetzt im Fokus. Es ist das erste Mal, dass dort überhaupt so etwas gezeigt wird. Aber Jack ist ein Typ, der durch seine großen Erfolge als Amateur schon im Fokus stand. Und damit ist er sehr gut umgegangen. Ich glaube, dass ihn das jetzt auch beflügelt. Er möchte unbedingt zeigen, dass er boxen kann, dass er nicht zu Unrecht Amateur-Weltmeister geworden ist und bei den Profis aufgenommen wurde. Er möchte auch dort nach ganz oben. Die bisherigen Erfolge zeigen, dass er auf dem richtigen Weg ist.

Jack Culcay: In erster Linie bin ich glücklich darüber, dass ich in meinem siebten Kampf schon Hauptkämpfer bin. Das macht mich stolz.

SPOX: Jack, Sie schlagen viel, stecken aber auch mal was ein. Das wollen viele Leute im Ring sehen. Ist Ihr attraktiver Stil ein Grund dafür, dass es so früh geklappt hat, Hauptkämpfer zu sein?

Culcay: Vielleicht schon, es ist einfach gut anzuschauen. Ich habe immer schon so geboxt, auch zu Amateur-Zeiten habe ich immer schon anders geboxt. Meinen Stil auch bei den Profis zeigen zu können, ist perfekt.

SPOX: Sie haben den Schritt, Profi zu werden, demnach nie bereut?

Culcay: Nein, überhaupt nicht. Das mit der "Bild"-Zeitung ist das Größte, was ich bislang erreichen konnte. Ich habe nichts bereut.

SPOX: Fritz Sdunek hat mal gesagt, Juan Carlos Gomez sei das größte Juwel gewesen, dass er jemals schleifen durfte. Ist das bei Ihnen mit Jack ähnlich, Herr Timm?

Timm: Es ist im Prinzip genau das gleiche. Was wir beide besprechen - die taktische Linie, im Vorwärts- oder im Rückwärtsgang zu boxen -, das läuft ganz locker von der Hand. Er ist einfach filigran in seinen ganzen Bewegungen. Er kann Haken schlagen, Geraden schlagen im Vorwärts- wie im Rückwärtsgang. Die Reaktion ist da, die Beweglichkeit ist da, und seit er bei den Profis dabei ist, ist noch mal einiges hinzugekommen: zum Beispiel das Verständnis fürs Profiboxen, es macht ihm Spaß. Ich muss sagen: Vom Talent her ist er mit der größte Edelstein, den ich überhaupt habe.

SPOX: Läuft es wirklich so reibungslos zwischen Ihnen, Jack?

Culcay: (lacht) Ja, ich versuche, wenn er mir etwa zeigt, wie ein Aufwärtshaken geht, das umzusetzen. Und wenn ich das am Anfang nicht hinbekomme, dann versuche ich das solange, bis es klappt.

SPOX: Man könnte den Eindruck bekommen, dass Ihr Verhältnis ein bisschen wie das zwischen Vater und Sohn ist.

Culcay: Ja, auf jeden Fall. Ich verstehe mich sehr gut mit Timmy. Mein ehemaliger Trainer hat mir früher schon von ihm erzählt. Und jetzt, wo wir zusammen arbeiten, muss ich sagen, dass ich sehr gut mit ihm kann. Wir verstehen uns prächtig.

SPOX: Ich war ein großer Fan von Roy Jones zu seinen besten Zeiten. Bei Jack Culcay habe ich immer das Gefühl: Da kommt der kleine Roy Jones.

Timm: Richtig, es ist auch ein bisschen Floyd Mayweather dabei. Jack hat selbst Roy Jones als Vorbild gehabt, den hat er sich immer gerne angeguckt. Ich glaube auch, dass Jack sich von solchen Leuten gerne was abschaut - wie sie boxen, mit welcher Variabilität sie ihre Kämpfe gestalten.

SPOX: Ehrt Sie dieser Vergleich, Jack?

Culcay: Auf jeden Fall, ich gucke mir die beiden ja auch an. Oder Muhammad Ali. Und ich versuche, mir von allen was abzugucken. Und wenn man dann gelobt wird, dass man ähnlich boxt oder ähnliche Reflexe hat, da fühlt man sich natürlich auch geehrt.

SPOX: Im letzten Kampf hatten Sie mit Ionut Trandafir Ilie einen Gegner, der erst vier Niederlagen hatte, jetzt treffen sie auf einen mit nur einer Niederlage. Zu früh, oder meistert er den auch?

Timm: Nein, wir müssen jetzt dahin kommen, dass er gegen solche Leute boxen muss, die viel Erfahrung haben. Er hat noch nicht viele Profikämpfe, und solche Maßstäbe müssen jetzt gesetzt werden. Jack hatte schon ein paar Aufbaukämpfe - dieser soll zwar auch einer werden, aber ein Aufbaukampf von verschärftem Charakter.

Culcay: Ribchev ist hungrig, auch noch nicht lange bei den Profis, und er will was erreichen. Das will ich auch. Wir beide kämpfen, um der Beste zu sein.

SPOX: Wohin soll es mittelfristig gehen? Superweltergewicht ist natürlich eine brutale Klasse mit Pacquiao, Cotto und Co. Ist das Ziel deshalb erst mal die Europameisterschaft?

Timm: Er soll jetzt erstmal einen oder mehrere Kämpfe über zwölf Runden bestreiten, das wäre mir ganz lieb, damit er die Erfahrung dort sammelt. Das bedeutet erst mal, eine deutsche Meisterschaft anzustreben, beispielsweise gegen Michael Trabant. Der hat auch schon einige Erfahrung. Ich denke, das wäre schon mal ein erster guter Prüfstein hier in Deutschland. Und dann internationale Meisterschaften oder Europameisterschaften über zwölf Runden. Denn das Pflaster da oben in der absoluten Spitze ist schon sehr hart, und es ist ein hartes Stück Arbeit, da oben anzukommen.

Culcay: Ich sehe das genauso. Ich brauche erst mal Erfahrung, aber wenn der Trainer meint, ich bin bereit, dann nehme ich das an und kämpfe. Ich hoffe, dass ich in einem halben Jahr bei der Europameisterschaft mitmachen kann. Und dann in einem Jahr bei der Weltmeisterschaft.

SPOX: Spornen Sie diese großen Namen eher an, haben Sie Respekt oder vielleicht sogar ein bisschen Angst?

Culcay: Furcht habe ich überhaupt nicht, das spornt mich an. Ich bin in einer guten Gewichtsklasse, in der ich auch etwas hoch- oder runter gehen kann, da kann ich variieren. Ich suche mir dann den besten Gegner aus, um gegen ihn zu boxen.

SPOX: Schauen wir also in die Zukunft, Herr Timm: Trauen Sie ihm zu, dass er gegen die absoluten Topleute in einigen Jahren besteht?

Timm: Wenn er sich weiter so entwickelt und die Sicherheit kommt, traue ich ihm das absolut zu, ja.

SPOX: Hand aufs Herz: Kriegt Ribchev am Freitag seine zweite oder Jack die erste Niederlage?

Culcay: (unterbricht lachend) Er kriegt die zweite Niederlage, das steht schon mal fest. Ich tue alles dafür, um zu gewinnen.

Timm: Ich hoffe, dass Jack der eindeutige Sieger wird, aber es wird nicht einfach für ihn. Für mich ist es wichtig, dass er die taktische Linie, die wir festgelegt haben, umsetzt. Wenn dann ein vorzeitiger Sieg kommt, dann soll es eben so sein.

Boxen im Internet-TV: Universum geht neue Wege