"Ich gehöre zu den ganz Großen des Boxens"

Von Interview: Bärbel Mees
Sebastian Sylvester wurde September 2009 mit dem Sieg über Giovanni Lorenzo IBF-Weltmeister
© Imago

Als Kind war der Fang eines 102 Zentimeter langen Hechts noch sein größter Erfolg. Jetzt gehört Mittelgewicht-Weltmeister Sebastian Sylvester (29) zu den "ganz Großen des Boxens". Vor der Titelverteidigung gegen Roman Karmazin, den Weltranglisten-Ersten der IBF, spricht Sylvester über seine Taktik, einen Polizei-Einsatz inklusive Einbruch und die Freude beim Oktoberfest.

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SPOX: Sie kämpfen am 5. Juni gegen Roman Karmazin, den Weltranglisten der IBF. Wie fit sind Sie?

Sebastian Sylvester: (lacht) Für drei, vier Runden habe ich schon Luft. Nein, Scherz, zwölf Runden sind kein Problem. Momentan befinde ich mich in der Sparringsphase, aber es liegt noch eine anstrengende Wochen vor mir. Dann bin ich fit für meinen Kampf in Neubrandenburg.

SPOX: Was macht Karmazin gefährlich?

Sylvester: Er arbeitet viel mit der Führungshand und ist sehr offensiv. Er läuft nicht im Ring davon, sondern sucht den Kampf.

SPOX: Welche Taktik haben Sie sich zurechtgelegt?

Sylvester: Mein Trainer hat alles im Vorfeld analysiert. Deshalb werde ich versuchen, ihn wenn möglich durchgängig unter Druck zu setzen. Aber letztendlich muss ich mich spontan darauf einstellen können, wie er sich präsentiert und welche Strategie er verfolgt.

SPOX: Bei Ihrer ersten Titelverteidigung gegen Billy Lyell ist Ihre Taktik aufgegangen. Danach kündigten Sie nach dem Sieg an, erst einmal richtig zu schlemmen. Mussten Sie mit Ihrem Gewicht kämpfen?

Sylvester: Diesmal habe ich nicht so geschlemmt wie sonst, denn ich hatte nach dem Kampf gegen Lyell nicht viel Zeit bis zum Fight gegen Karmazin. Ursprünglich sollte der Kampf schon am 1. Mai stattfinden, von daher habe ich nur eine Woche Pause gemacht. Letztendlich hatte ich jetzt vier Wochen mehr Zeit und konnte dementsprechend ackern.

SPOX: Sie sind mit 29 im besten Boxalter. Was verändert sich mit dem Alter? Wird man gelassener?

Sylvester: Man nimmt das alles nicht mehr so ernst und wird viel ruhiger. Zumindest ging es mir so. Früher war ich immer viel nervöser und habe mich schon aus dem Konzept bringen lassen, wenn mein Gegner nur böse geguckt hat. Heute weiß ich, wie der Gegner tickt - und ein bisschen Show gehört auch dazu. Vor allem die Amerikaner lassen gerne mal große Sprüche ab, aber mit 29 schaue ich da drüber hinweg. Ich denke mir immer: "Mach du deine Show, ich mach mein Ding." Und bisher hat das immer gut geklappt.

SPOX: Inzwischen ist esIhre zweite Titelverteidigung. Haben Sie sich mittlerweile daran gewöhnt, Weltmeister zu sein?

Sylvester: Ich fühle mich noch immer wie ein Jäger, obwohl ich inzwischen der Gejagte bin. Aber so richtig komme ich noch nicht damit klar, dass ich jetzt Weltmeister und einer von den ganz Großen bin.

SPOX: Sie wirken sehr bescheiden. Wer hält Sie am Boden?

Sylvester: Wieso sollte ich abheben? Ich habe nichts Großes geleistet, ich tue lediglich das, was ich kann - eben ein bisschen zu boxen. Aber damit verändere ich ja nicht die Welt, also brauche ich auch nicht abzuheben. Ich habe noch immer meine alten Freunde und nehme mir viel Zeit für sie und meine Familie.

SPOX: Nach Ihrem Titelgewinn hat Ihnen ein Freund ein Ferrari-Wochenende geschenkt. Was gibt es dieses Mal?

Sylvester: Nach meiner Titelverteidigung habe ich eine sogenannte Einsatz-Simulation geschenkt bekommen. Dabei muss man in ein Haus einbrechen und etwas rausholen. Die ganze Sache ist natürlich nur gestellt und nicht real. Das wirkt quasi wie ein Polizei-Einsatz. Bisher hatte ich leider noch kein freies Wochenende übrig, aber nach meinem Kampf werde ich das definitiv nachholen. Hoffentlich lässt sich mein Kumpel auch diesmal wieder etwas einfallen. (lacht)

SPOX: Wie wäre es mit Angeln? Sie haben auch einen Angelschein...

Sylvester: Richtig. Aber Angeln gehe ich sogar schon vor dem Kampf. Am Sonntagmorgen um sechs fahren mein Trainer und ich wieder mit dem Boot raus, Dorsche fangen oder Hechte. Wir müssen uns noch einigen. Ein oder zwei Kumpels kommen noch mit, das wird eine lustige Runde.

SPOX: Ist das Ihre Art, den Kopf wieder freizukriegen?

Sylvester: Es ist wichtig, ab und zu dem stressigen Trainingsalltag zu entfliehen. Einfach mal relaxen. Ich schalte das Handy aus und denke mal wieder über alles nach. Wenn aber ein Fisch anbeißt, geht mein Puls richtig hoch. Und nach einem ganzen Tag auf dem Wasser bin ich so geschlaucht, dass ich abends nur noch ins Bett falle.

SPOX: Was war denn Ihr bisher größter Fang?

Sylvester: Ein 102 Zentimeter langer Hecht. Aber das ist lange her, damals war ich noch ein kleiner Steppke und bin mit meinem Vater hinausgefahren. Ich war acht oder neun Jahre alt und viel zu schwach, um den Fisch ins Boot zu ziehen. Fünf Minuten lang habe ich mich abgemüht, aber am Ende musste mir mein Vater helfen.

SPOX: Inzwischen sind Sie selbst Vater. Besuchen Sie mit Ihrer Tochter dieses Jahr das Oktoberfest? Schließlich waren Sie schon letztes Jahr dort...

Sylvester: Mein Promoter Wilfried Sauerland hat mich nach meinem Titelgewinn zum Oktoberfest eingeladen. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, denn ich wollte schon immer mal dort hin. Und es war vom Feinsten, das muss man mal erlebt haben. Wenn sich dieses Jahr ein Familien-Wochenende anbietet, wäre das schön. Wenn ich mit meiner Tochter hingehe, muss ich sicherlich die eine oder andere Achterbahn fahren.

SPOX: Und wie sieht es mit dem Alkohol aus? Ist er tabu oder darf eine Mass mal sein?

Sylvester: Letztes Jahr wurde ich praktisch gezwungen, eine Mass zu trinken, weil davon Fotos gemacht werden sollten. Aber ich muss sagen: Es schmeckt gar nicht so verkehrt, eigentlich sogar richtig gut. Ich habe sogar eine Halbe geschafft.

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