Bogdanovic und die bayerische Armada

Von Robert Arndt
Bogdan Bogdanovic ist der Schlüsselspieler der Serben
© fiba.com

Zum dritten Mal in vier Jahren steht Serbien im Finale eines großen Turniers. Dort wartet nun das Überraschungsteam aus Slowenien (ab 20.30 Uhr im LIVETICKER). Dabei fehlen den Serben bei dieser EuroBasket zahlreiche Schlüsselspieler, nicht zuletzt Star-Spielmacher Milos Teodosic. Der Balkan-Staat setzt nun vor allem auf Bogdan Bogdanovic und die geballte Expertise vom FC Bayern München.

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Milos Teodosic, Nemanja Nedovic, Nikola Kalinic, Nemanja Bjelica, Nikola Jokic, Miroslav Raduljica. Die Liste der serbischen Ausfälle für die EM war wohl so lang und prominent wie bei keinem anderen Team. Und dennoch stehen die Männer vom Balkan souverän im Finale - dem Dritten in vier Jahren (Silber bei Olympia 2016 und dem World Cup 2014).

"Das sind große Verluste für unser Team", gestand Head Coach Aleksandar Djordjevic vor dem Turnier ein. "Wir werden trotzdem mit den gleichen hohen Ansprüchen weiterarbeiten." In der Tat, das haben sie. Mit einer hungrigen zweiten Garde erspielten sich die Serben Sieg um Sieg. Nur gegen Russland setzte es in der Gruppenphase eine knappe Niederlage, die Revanche gab es dann im Halbfinale.

Gerade zu Beginn war noch ordentlich Sand im Getriebe. Auch die Siege über Lettland und die Türkei waren hart erkämpft. Das neu zusammengestellte Team musste sich erst noch finden. Bogdan Bogdanovic wurden erstmals die Schlüssel in die Hand gedrückt und er machte es sehr ordentlich. Sein Scoring half zu Beginn, lediglich sein Wurf von draußen fiel über das Turnier noch nicht wie gewünscht (31,1 Prozent).

Serbien: Schwacher Dreier, starke Bigs

Doch dies war nicht nur ein Problem des künftigen NBA-Spielers. Als ganzes Team treffen die Serben nur magere 33,1 Prozent, im Viertelfinale waren es gar nur 18 Prozent (3/17). Stattdessen setzt das Team auf die Hünen unter dem Korb, vornehmlich Ogjnen Kuzmic und 2,22-Meter-Riese Boban Marjanovic. Regelmäßig wandert der "Molten" unter den Korb, wo die Bigs dann die Cutter suchen, selbst abschließen oder den freien Mann am Perimeter finden.

Durch die traditionell starke serbische Schule ist dies immer ein hervorragendes Mittel. So fällt der Ausfall vom neuen Point Guard der Los Angeles Clippers, Teodosic, weniger ins Gewicht. Mit Stefan Jovic vertritt ihn ein Spielmacher der alten Schule, der das Spiel hervorragend lesen kann, jedoch kaum den eigenen Abschluss sucht. Bei diesem Turnier nimmt der 26-Jährige nur 5,2 Würfe pro Spiel, verteilt dafür aber fast 6 Assists.

Jovic kann spielen

Im Halbfinale verletzte sich der Taktgeber jedoch im dritten Viertel am Knöchel und musste raus. Serbien kam gegen die Russen noch einmal ins Wanken, fiel aber nicht. Umso wichtiger für die Orlovi (Adler), dass Coach Djordjevic auf der Pressekonferenz vor dem Finale bereits Entwarnung gab. "Wir haben ihn untersucht und die Ergebnisse sind gut. Es ist nichts Schwerwiegendes. Er sagte mir nach dem Spiel, dass er auflaufen will."

Auch nach der Saison wird Jovic weiter mit Djordjevic zusammenarbeiten. Nach erfolgreichen Jahren bei Crvena Zvezda (Drei ABA-Titel, eine Viertelfinal-Teilnahme in der Euroleague) geht es zum FC Bayern. "Ich weiß, was in München entstehen soll. Natürlich kenne ich auch den Trainer vom Nationalteam, unsere Philosophien des Teambasketballs sind identisch. Insofern passt es bestens", schwärmte Jovic bereits bei seiner Vorstellung im Juli von seinem neuen Arbeitgeber.

Serbien: Die Bayern-Achse

Nicht nur der Coach wird ihm in der bayerischen Landeshauptstadt bekannt vorkommen. Auch Vladimir Lucic, der gegen Italien Marco Belinelli (5/18 FG) das Leben zur Hölle machte, trägt ein weiteres Jahr das rote Trikot. Dazu gelang mit der Verpflichtung von Milan Macvan (Emporio Armani Milano) ein weiterer Coup auf dem Transfermarkt. Der 27-Jährige Power Forward ist neben Bogdanovic der verlängerte Arm von Djordjevic auf dem Court.

Nicht ohne Grund machte der Bayern-Trainer den variablen, aber kantigen Flügelspieler zu seinem Kapitän. "In der Vorbereitung wollte er spielen, obwohl er schlimmes Fieber hatte. Irgendwann kam er und meinte, dass es nicht mehr geht. Zwei Tage später meldete er sich wieder fit. Er ist ein echtes Vorbild für alle."

Djordjevic vor Slowenien angriffslustig

Auch gegen die Slowenen wird Djordjevic auf seine Bayern-Achse zurückgreifen. Es gilt die Kreise von Goran Dragic und Luka Doncic einzuschränken. Im Halbfinale ging fast die komplette Offense von diesem Duo aus, die so erfahrenen Spanier hatten keine Mittel gegen die kongenialen Partner und gingen letztlich unter.

Für Djordjevic aber kein Grund verängstigt zu sein, auch wenn er den Gegner noch einmal lobte. "Sie haben großartig gespielt und werden von der Euphorie angetrieben." Was folgte, war aber eine kleine Kampfansage an den Finalgegner. "Sie haben eindrucksvoll gegen Spanien ausgesehen, weil die Spanier es zugelassen haben. Wir sind ein anderer Gegner und kommen mit unseren Waffen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie wieder eindrucksvoll aussehen. Wir müssen unser Spiel spielen, Mut zeigen und Sicherheit gewinnen."

Der Schlüsselspieler der Serben wird Bogdan Bogdanovic sein. Er ist es, der Jovic im Aufbau entlastet, wenn dieser auf der Bank sitzt, und den Löwenanteil des Scorings übernimmt (20,3 Punkte pro Spiel). Dazu wird er gegen Dragic oder Doncic verteidigen müssen. Ähnliches sah man bereits gegen Russland, als der künftige Guard der Sacramento Kings Russlands Topscorer Alexey Shved über das komplette Feld jagte. Zunächst mit Erfolg, erst in der Schlussphase drehte der Khimki-Guard auf (am Ende 33 Punkte), doch Bogdanovic antwortete auf seine Weise und traf in der Crunchtime zwei wichtige Würfe.

Serbien nur Außenseiter gegen Slowenien?

Doch bei all der guten Stimmung rund um das Team: Die serbische Mannschaft bleibt ein kleines Rätsel. Die Auftritte gegen Italien oder auch Ungarn im Achtelfinale waren souverän, aber nicht furchteinflößend, zu viele Lücken fanden sich weiter im Team. Auch gegen Russland wurde eine komfortable Führung beinahe noch verspielt. Gerade Ex-Bayern-Guard und Jovic-Backup Vasilije Micic (2,3 Punkte, 1,1 Assists, 28,6 Prozent aus dem Feld) enttäuschte bislang auf ganzer Linie.

Verlassen konnte sich das Team neben Bogdanovic und Jovic auf ihre Bigs. Kuzmic (7,3 Punkte, 5,6 Rebounds) und Marjanovic (13,3 Zähler, 5,0 Boards) waren über das Turnier nicht zu stoppen. Über 40 Minuten kann Djordjevic höchste Qualität auf der Fünf einsetzen. Dazu ist mit Ex-Bayern-Center Vladimir Stimac ein weiterer solider Big Man im Kader, der ein paar Fouls geben kann.

Aber: Dass Slowenien große Spieler verteidigen kann, zeigte sich eindrucksvoll gegen Spanien. Gasper Vidmar und Anthony Randolph entnervten die Gasols mit schnellen Händen sowie extrem physischer Defense. Zudem profitierten die Slowenen vom schwachen Shooting der Spanier - die Achillesferse der serbischen Mannschaft.

Nach den Leistungen über die drei Wochen gehen die Slowenen wohl als Favorit in das Spiel, auch wenn dies auf serbischer Seite niemand zugeben möchte. Doch wer hätte vor der EuroBasket mit einem Sieger Serbien gerechnet? Selbst im eigenen Land hätten wohl die wenigsten damit gerechnet, dass ihre Adler wieder in ein Finale marschieren werden. Doch nicht zuletzt dieses Turnier hat gezeigt: Mit Serbien ist bei jeglichen Titelkämpfen zu rechnen - unabhängig vom Personal.

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