"Basketball war für mich zweitrangig"

Tyrus Thomas spielte in der NBA für Chicago und Charlotte
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Nachdem die BBL-Themenwoche mit John Bryant, Will Cherry und Vasilije Micic startete, folgt jetzt Tyrus Thomas. Mit 402 NBA-Spielen auf dem Buckel ist er kein gewöhnlicher Neuzugang, der schwierige Jahre hinter sich hat. Im Exklusiv-Interview mit SPOX spricht der Forward der Eisbären Bremerhaven über seinen Lebensweg, die schlechteste Saison der Geschichte und die Begegnung mit Michael Jordan.

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SPOX: Herr Thomas, wer hat Ihnen erzählt, dass es in Deutschland eine Stadt mit dem Namen "Bremerhaven" gibt?

Tyrus Thomas: (lacht) Ja, das wusste ich zuvor wirklich nicht. Ein guter Freund, der einige Verantwortliche der Eisbären kennengelernt hat, erzählte mir von dem Klub und vom Interesse, das sie an mir hatten. Da bin ich natürlich hellhörig geworden und dachte mir, dass es eine gute Möglichkeit für mich sein könnte, eine neue Herausforderung zu suchen und nach Deutschland zu gehen.

SPOX: Sie hätten sich vermutlich jedes Team in der BBL aussuchen können, auch Euroleague-Teams wie Bayern München oder Bamberg. Haben Sie die große Bühne absichtlich gemieden?

Thomas: Nein, nicht unbedingt. Aber ich habe einfach gemerkt, dass es hier in Bremerhaven passt. Das Team, die Organisation, die Leute - darauf habe ich Wert gelegt und danach habe ich gesucht. Natürlich spielen auch meine aktuelle Situation und der Abschnitt meiner Karriere eine Rolle, in dem ich mich gerade befinde. Und da waren die Eisbären einfach perfekt.

SPOX: Die Fans sind schon sehr gespannt, Sie auf dem Parkett zu sehen. Was dürfen sie von Ihnen erwarten?

Thomas: Ich bin noch nicht hundertprozentig in Form, aber ich arbeite an mir und meinem Körper und bin auf einem guten Weg. Wenn ich komplett fit bin, bin ich sicher, dass ich dem Team weiterhelfen kann. Ich spiele hart und mit einer großen Einsatzbereitschaft. Das will ich auch den Fans in Bremerhaven zeigen. Ich will, dass unser Team den besten Basketball spielt und dafür werde ich alles geben.

SPOX: Wie viel von Tyrus Thomas, dem Teilnehmer beim NBA Slam Dunk Contest 2007, steckt noch in dem Tyrus Thomas, der jetzt in der BBL aufläuft?

Thomas: (lacht) Im Kern bin ich natürlich noch derselbe. Aber es stimmt schon, man verändert sich und auch sein Spiel. Früher war ich athletischer, aber der Dunk Contest ist schon fast zehn Jahre her. Mittlerweise spiele ich mehr mit Köpfchen und habe über die Jahre gelernt, auf dem Court vorausschauender zu agieren. In der BBL wird zudem anderer Basketball gespielt. Darauf bin ich sehr gespannt.

SPOX: 2014 mussten Sie sich an der Wirbelsäule operieren lassen. Hat das vielleicht eine größere Karriere zerstört?

Thomas: Die körperlichen Probleme haben es natürlich nicht gerade leichter gemacht und ich habe über die Jahre einige Kämpfe mit meinem Körper ausgefochten. Aber ich bin, wer ich bin und ich bin jetzt hier. Ich schaue nicht auf Eventualitäten.

SPOX: Lassen Sie uns ein bisschen über Ihre Zeit in der NBA sprechen. Sie wurden im Draft 2006 an Position vier gezogen und direkt zu den Chicago Bulls getradet. Dort trafen Sie auf Scott Skiles. Wie wichtig war er für Ihre Entwicklung?

Thomas: Scott hat mir beigebracht, wie man Basketball spielt. Ja, wirklich. Er hat mein Spiel noch einmal auf ein völlig neues Level gehoben. Mir wurde klar: Ich hatte Basketball überhaupt nicht verstanden. Ich hatte die wichtigen Dinge zuvor nicht kapiert. Es hat eine Weile gedauert, aber er hat mir gezeigt, was Wille und harte Arbeit bedeuten. Dafür bin ich ihm unglaublich dankbar.

SPOX: In Ihrer dritten Saison starteten Sie 61 Spiele und wurden zu einem soliden Baustein der Bulls, doch im nächsten Jahr bekamen Sie kaum noch Minuten. Was war passiert?

Thomas: Das war ein schwieriges Jahr. In Rookie Taj Gibson bekam ich Konkurrenz auf meiner Position und zu allem Überfluss brach ich mir gleich zu Saisonbeginn den Arm. Als ich nach sieben Wochen wieder zurückkam, war ich Bankspieler. Ich kam nie wieder richtig in Tritt und wurde dann im Februar nach Charlotte getradet, bevor ich eine Chance hatte, mich zurückzukämpfen.

SPOX: Michael Jordan, der Besitzer der Charlotte Hornets (früher: Bobcats) ist in der Liga aufgrund seiner Einmischung in die Arbeit des Front Office und seiner zweifelhaften Draftpicks nicht besonders angesehen. Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Thomas: Ich habe mit Michael Jordan eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht. Die Leute kennen MJ nicht. Darum sagen sie so etwas. Es erging mir mit ihm als Franchise-Besitzer genauso wie mit Jerry Reinsdorf in Chicago. Wir hatten ein ausgezeichnetes Verhältnis.

SPOX: Sie waren Teil des Bobcats-Teams, das mit lediglich 7 Siegen in 66 Spielen die schlechteste Saison der NBA-Historie hinnehmen musste. Was geht in Ihrem Kopf vor, wenn Sie daran zurückdenken?

Thomas: Das war eine schwierige Phase, nicht nur für mich. Für uns alle. Aber genau wie die anderen Jungs bin ich daran gewachsen. Wir haben uns nicht runterziehen lassen und jeden Tag als das gesehen, was er war: ein neuer Tag. Du musst jeden Tag dein Bestes geben. Mehr kannst du nicht machen.

SPOX: Nachdem Sie von Charlotte 2013 entlassen worden waren, mussten Sie knapp zwei Jahre warten, bis Sie wieder eine Chance bekamen, zu spielen. Können Sie beschreiben, wie Sie sich in der Zeit ohne Basketball gefühlt haben?

Thomas: Es war ein langer Prozess für mich. Ich hatte viele andere Dinge im Kopf, zudem gab es auch persönliche Angelegenheiten und Probleme, um die ich mich kümmern musste. Basketball war für mich zweitrangig. Und dementsprechend ging es dann erst einmal wieder darum, besser zu werden.

SPOX: Im Januar haben Sie nach einem missglückten neuen Anlauf bei den Memphis Grizzlies bei den Iowa Energy in der D-League unterschrieben. Warum sind Sie nicht nach Europa gegangen?

Thomas: In Europa hätte ich zwar höhere Gehaltsschecks bekommen können, aber mir ging es nie ums Geld. Ich wollte in den USA bleiben und dort um meine Chance kämpfen. Ich hatte das Gefühl, dass der Schritt damals richtig war, vor allem auf meine physische und psychische Verfassung bezogen. Schließlich hatte ich ganz schön lange ausgesetzt.

SPOX: Mit 5,6 Punkten und 4,1 Rebounds war Ihre Zeit in Iowa nicht gerade erfolgreich. Warum hat es in der D-League nicht so geklappt, wie Sie es sich vorgestellt hatten?

Thomas: Wer sagt, dass ich mir etwas anderes vorgestellt hatte?

SPOX: Hatten Sie nicht?

Thomas: Es ging für mich wirklich nur darum, wieder auf dem Court zu stehen. Nicht darum, die Liga zu dominieren. Ich konnte in Iowa nicht so viel spielen, da ich meinen Körper erst langsam wieder an die Belastung heranführen musste. Aber ich war zufrieden, wie es gelaufen ist und was ich in der D-League erreicht habe.

SPOX: Während Ihrer Zeit in den USA haben Sie Ihre Tattoos in einer Sendung vorgestellt. Auch heute posten Sie bei Facebook regelmäßig Bilder von Ihrem stark tätowierten Oberkörper. Sind Sie süchtig nach Tattoos?

Thomas: (lacht) Ich weiß nicht, ob ich schon süchtig bin, aber ja, ich habe eine ganze Menge. Ich weiß nicht einmal mehr, wie viele. Im Prinzip kann man sie aber gar nicht als einzelne Elemente sehen. Sie gehören alle zusammen und bilden ein großes Kunstwerk. Tattoos sind für mich einfach eine Möglichkeit, mich selbst auszudrücken.

Tyrus Thomas im Steckbrief

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