Planlos in den nächsten Umbruch

Wie geht's weiter mit Chris Fleming (l.) und DBB-Boss Ingo Weiss
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Nicht überraschend, dennoch bitter: Die Posse um Bundestrainer Chris Fleming, der offenbar als Assistantcoach in die NBA wechselt, ist der nächste Beweis für das mangelhafte Krisenmanagement des DBB. Trotz der Heim-EM und Dirk Nowitzkis Zusage gibt es Anlass zu großer Sorge. Ein Kommentar von SPOX-Chefredakteur Haruka Gruber.

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Die letzten zwei Wochen im Schnelldurchlauf: Per Günther sagt wegen Knieproblemen für die EM ab, Elias Harris und Daniel Theis holen notwendige Operationen nach und sagen eventuell ab, Tim Ohlbrecht und Lucca Staiger sagen aus privaten Gründen ab, Maxi Kleber muss sich einer Fuß-Operation unterziehen und ist nicht dabei - und nun die Posse um Bundestrainer Chris Fleming.

Jede einzelne Personalie für sich genommen mag teilweise erklärbar sein, aber das Gesamtbild, welches der DBB zwei Monate vor Beginn der Heim-EM abgibt, ist besorgniserregend.

Dabei gibt es sportlich noch keinen Anlass zur Panik: Von Kleber abgesehen war keinem der ausfallenden Spieler eine Hauptrolle zugedacht und Bundestrainer Fleming wird sich erst nach der EM mit seiner wohl neuen Aufgabe beschäftigen, so dass seine uneingeschränkte Konzentration der Nationalmannschaft gehört.

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Eine fatale Außendarstellung

Vielmehr geht es um die fatale Außendarstellung des DBB. Die Vorrunde im heimischen Berlin sowie die Zusage der beiden NBA-Profis Dirk Nowitzki und Dennis Schröder sollten es einfacher machen, sich positiv zu inszenieren und Fans und die Nationalspieler zu mobilisieren. Allerdings zeigt sich in diesen Tagen, dass das Krisenmanagement des Verbandes weiterhin mangelhaft ist.

Beispiel Staiger/Ohlbrecht: Im Fußball wäre es undenkbar, dass zwei Ergänzungsspieler "aus persönlichen Gründen" eine Kader-Einladung durch Jogi Löw für ein Großturnier in der Heimat nonchalant ablehnen. In der deutschen Basketball-Szene verwundert es hingegen niemanden, dass so etwas geschieht.

Unabhängig von Staiger/Ohlbrecht bestätigen viele Spieler und deren Berater "off the record", dass sie ermüdet sind vom teils unlogischen Gebaren des DBB und den Schuldzuweisungen im Fall des Misserfolgs, so dass die Motivation leidet, sich jeden Sommer zur Verfügung zu stellen. Und der Verband scheint dies stillschweigend zu akzeptieren.

Viele Spieler sind unzufrieden

Es mag in diesem Kontext ein Zufall sein oder nicht, dass Günther nach 2014 auch 2015 dem DBB aus Verletzungsgründen nicht zur Verfügung steht, nachdem er sich in den Jahren zuvor des Öfteren unzufrieden zeigte ob seiner Wertschätzung in der Nationalmannschaft.

Jene Unzufriedenheit ist häufig zu vernehmen, selbst bei denen, die viel Einsatzzeit erhalten - was zur Frage führt: Muss der DBB im Umgang mit den Spielern und deren Umfeld etwas ändern? Und die viel grundsätzlichere Frage: Ist sich der Verband überhaupt bewusst, dass es ein Problem gibt? Oder wird dieses Problem womöglich verdrängt, statt sich diesem zu stellen?

DBB sitzt Probleme aus

Dass der DBB Probleme lieber aussitzt oder versucht, diese einfach wegzudementieren, zeigt sich im Fall von Bundestrainer Fleming einmal mehr. Zunächst tat Präsident Ingo Weiss so, als ob die Berichte Humbug seien, wonach Fleming nach der EM als Assistantcoach bei den Denver Nuggets anfängt.

Nur einige Stunden später widersprach er sich selbst und sagte, dass Fleming durchaus mit "NBA-Klubs und mit Spitzenteams aus Europa" reden würde und der DBB es wisse. Weiss sagt sogar: "Wenn er ab Oktober zu den Nuggets geht, dann finde ich das gut."

Doch der Verdacht liegt nahe, dass Weiss mit derlei Äußerungen die Öffentlichkeit nur beruhigen möchte - obwohl jedem bewusst sein dürfte, dass Flemings Wechsel in die NBA vielfältigste Probleme für den DBB impliziert.

Drei Szenarien, drei Schwierigkeiten

Szenario a) Das DBB-Team qualifiziert sich als EM-Erster oder -Zweiter direkt für Olympia 2016

Dem Vernehmen nach dürfte Fleming den Bundestrainer-Job wohl weiter fortführen. Dabei hatte der DBB noch 2014 klar argumentiert, dass eine Doppelfunktion mit einem Klub-Asisstantcoach wie damals mit Emir Mutapcic nur eine Notlösung sei und das Amt in Vollzeit ausgeführt werden soll, um das bestmögliche Scouting potenzieller Nationalspieler und einen regelmäßigen Kontakt zu den BBL-Klubs zu gewährleisten. Wenn Fleming in der NBA arbeitet, wären diese Überlegungen schon wieder hinfällig.

Szenario b) Das DBB-Team qualifiziert sich bei der EM zumindest für das Olympia-Qualiturnier

Bei der EM werden vier weitere Tickets für das Olympia-Qualifikationsturnier vergeben, das vom 5. bis 11. Juli 2016, also einen Monat vor den Spielen in Rio, stattfindet. Dadurch würde Flemings Vorbereitungszeit für den DBB noch weiter verkürzt werden, bedenkt man, dass die NBA-Regular-Season bis Mitte April läuft. Sollte Denver sogar die Playoffs erreichen, könnte Fleming erst im Laufe des Mai/Juni einsteigen.

Szenario c) Das DBB-Team qualifiziert sich nicht für Olympia oder das Quali-Turnier

Dann würde es keinen Anlass geben, überhaupt mit Fleming weiterzuarbeiten. Denn spätestens 2017, wenn der neue FIBA-Rahmenkalender eingeführt wird mit Länderspielen innerhalb der Klub-Saison, wird der DBB einen hauptamtlichen Bundestrainer benötigen. Entsprechend müsste 2016 als Übergangsjahr für den möglichen Fleming-Nachfolger genutzt werden.

Trennung?

Demnach gibt es eine signifikante Wahrscheinlichkeit einer Trennung und der DBB sollte bereits in der Planungsphase sein, den bestmöglichen Nachfolger zu finden. Er wäre nach der Bauermann-Ära der fünfte Bundestrainer in vier Jahren.

Nur: Ob sich der DBB über alle Konsequenzen bewusst ist, darf zumindest in Frage gestellt werden. Alleine dass Weiss zugibt, dass er von Flemings Gesprächen mit NBA-Teams und europäischen Topklubs informiert war, aber der DBB offenbar keine Strategie entwickelt hat, wie denn im Falle eines konkreten Angebots damit umgegangen wird, lässt nichts Gutes erahnen.

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