"Stoschek ist ein Glücksfall"

Wolfgang Heyder war fast 15 Jahre lang Geschäftsführer in Bamberg
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Er war der Über-Manager des Basketballs, dann überwarf er sich mit dem Mäzen - und taucht plötzlich in einer neuen Sportart auf. Bambergs Ex-Manager Wolfgang Heyder ist gnadenlos ehrlich, perfektionistisch und ein Unikum des deutschen Sports. Nachdem er in der fränkischen Provinz mit sechs Meisterschaften eine Basketball-Hochburg errichtet hat, will er im Handball mit dem Zweitligisten Coburg ähnliches erreichen. Der 59-Jährige mit einem intimen Blick in sein Seelenleben - und seiner Analyse der Lage es deutschen Basketballs inklusive der Suche nach einem neuen BBL-Geschäftsführer.

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SPOX: Herr Heyder, die BBL sorgt für Verwunderung: Einerseits wächst die Bundesliga seit Jahren, andererseits gab es in diesem Sommer mehr negative als positive Nachrichten. Nach dem Artland-Rückzug und dem Insolvenzverfahren gegen Trier wurde nun bekannt, dass das vermeintlich ehrgeizige Basketball-Projekt in Hamburg doch nicht so ambitioniert ist, weswegen Pascal Roller als Geschäftsführer des Zweitligisten zurücktrat. Wie ist es um den deutschen Basketball bestellt?

Wolfgang Heyder: Es wurde viel über die Vision 2020 gesprochen und es ist fraglos gelungen, die Liga als Ganzes und einen Großteil der Standorte nach vorne zu entwickeln. Der Basketball kam ein wichtiges Stück weiter. Trotzdem gibt es immer noch ein weitreichendes Problem: die nationale Reichweite, vor allem über das Fernsehen. Nur übers TV können Sponsoren herangezogen und gebunden werden. So aber fällt es den Klubs schwer, einen zweiten großen Partner neben dem Trikotsponsor zu finden, der bereit ist, die BBL zu tragen. Der Fall Hamburg zeigt es: Eigentlich ist es eine Basketball-Stadt mit einer gewachsenen Nachwuchstradition und einem Interesse in der Bevölkerung. Die Halle war ja immer voll. Dass man es nicht schafft, zwei oder drei große Partner zu finden, ist enttäuschend.

SPOX: Eine höhere TV-Reichweite erhofft sich jeder - nur wie soll das konkret gelingen? Das BBL-Pokalfinale im "ZDF" sahen lediglich 280.000 Zuschauer, was einen Marktanteil von 2,4 Prozent bedeutete. Der normale "ZDF"-Schnitt liegt bei 12 Prozent.

Heyder: Es ist ein vielschichtiges Thema, das sich aus meiner Sicht auf drei Ursachen zurückführen lässt. Erstens: Besonders die Öffentlich-Rechtlichen müssten eine Regelmäßigkeit gewährleisten und nachhaltig über Sportarten wie Basketball berichten, um den Zuschauer zu erziehen. Ein Pokalfinale zu zeigen, bringt nichts. Zweitens: Die verschiedenen Medien werden immer noch nicht ideal genutzt, um crossmedial auf einen Event wie das Pokal-Wochenende hinzuweisen. Wer hat außerhalb vom Basketball überhaupt mitbekommen, dass in Oldenburg das Top Four stattfindet? Und drittens - und da gehen wir tief in die Struktur rein: Das größte Interesse an einer Sportart haben die Menschen, die die Sportart aktiv betreiben. Von daher hat der Basketball schlichtweg zu wenige Mitglieder. Mit weniger als 200.000 DBB-Mitgliedern wird man sich in der Breite immer schwertun gegen Sportarten wie Handball mit 800.000 Verbands-Mitgliedern. Wir sind mit Basketball weiter in der Nische.

SPOX: Mangelt es an der Lobbyarbeit des DBB?

Heyder: Es gibt viele Ansatzpunkte, um Mitglieder zu generieren. Verglichen mit anderen Sportarten sind beispielsweise die Zuschauerzahlen in der BBL und in der zweitklassigen ProA sowie drittklassigen ProB sehr gut. Diese Sympathisanten müssen Mitglieder werden. Wobei das nicht reicht, Lobbyarbeit in den Gremien ist zwingend erforderlich. Unter anderem finden wir in der Lehrerausbildung nicht mehr statt. Heißt: Als zukünftiger Sportlehrer muss oder kann man Basketball nicht mehr belegen - mit der Folge, dass unsere Sportart nicht mehr in der Fläche vertreten ist.

SPOX: Umso wichtiger wäre eine enge Kooperation zwischen dem DBB und der BBL, zumal sie gesellschaftsrechtlich ohnehin verzahnt sind. Nach Jahren der gegenseitigen Stichelei tritt man mittlerweile harmonischer auf - dennoch stellt sich die Frage: Was wird tatsächlich gemeinsam bewegt?

Heyder: Der Wille ist im Gegensatz zu früher erkennbar, gemeinsame Interessen zu verfolgen. Es gibt immer wieder Gespräche und es wurde die Kompetenzgruppe gegründet. Aber der Weg, wie man gemeinsam in die Tiefe geht, ist noch lange nicht gefunden. Es wird sehr viel an der Oberfläche analysiert, statt intensiv zusammenzuarbeiten und eingreifende Maßnahmen vorzubereiten. Es gibt nichts Konkretes, wie man gemeinsam den Basketball nach vorne bringen kann.

SPOX: Eine weitere Kontroverse im deutschen Basketball dreht sich um die Frage, ob die BBL zukünftig am 18er Feld festhält, oder auf 16 Teams reduziert wird. Warum ist das Thema überhaupt so wichtig?

Heyder: Es gibt bei diesem Thema zwei Lager und jeder möchte seine Interessen wahren: Die Teams, die international spielen, können auf mehr als 80 Spiele kommen, das grenzt an menschlicher Erschöpfung. Eine Reduzierung auf 14 Teams, wie es Svetislav Pesic vorschlägt, geht zu weit. Aber ich finde 16 Teams vernünftig und es hat nichts damit zu tun, den Kleinen, die ihren Standort schützen möchten, etwas wegnehmen zu wollen. Ich sehe zwei positive Konsequenzen. Erstens: Die Professionalisierung der ProA, die schon länger stattfindet, würde durch zwei weitere Klubs mit hohen Zielen weiter vorangetrieben werden. So könnte ein starker Unterbau entstehen mit mehr Teams, die die BBL bereits kennen, entsprechende Standards aufgebaut haben und die Bereitschaft mitbringen, den Aufstieg anzupeilen. So würde automatisch mehr Druck auf alle BBL-Teams entstehen, was zu einer weiteren Bewegung nach oben führt. Zweitens - und das sage ich nicht nur aus der Sicht des ehemaligen Bamberg-Managers: Die in Europa vertretenen Mannschaften müssen mehr geschützt werden. Die Spieler müssen vernünftig Zeit zum Durchschnaufen bekommen. Dadurch könnte ein deutscher Verein dann den nächsten Schritt in der Euroleague schaffen und sich die Qualität in der BBL erhöhen.

Svetislav Pesic im SPOX-Interview

SPOX: Sie sagen, dass den Kleinen nichts weggenommen werden soll. Allerdings würden durch eine Reduzierung von 18 auf 16 Teams zwei Heimspiele und damit eine sechsstellige Summe verloren gehen.

Heyder: Vielleicht kann man sich Formate überlegen, durch die zusätzliche Spiele generiert werden für die Teams, die nicht international vertreten sind. Es gibt einige Möglichkeiten wie die Einführung von Pre-Playoffs.

SPOX: Man gewinnt dennoch den Eindruck, dass die Reduzierung der Liga fast schon dogmatisch geführt wird, so unversöhnlich stehen sich die kleinen und großen Teams gegenüber.

Heyder: Das Kuriose: Ich kann mich aus der Bamberger Zeit nur an ganz wenige Situationen erinnern, bei dem das Thema wirklich eine Diskussion nach sich zog. Es wurde zwar angesprochen, aber das Thema nie so hingeführt, dass wirklich eine Entscheidung getroffen wird. Die Liga-Reduzierung war immer nur ein Nebenkriegsthema, eine nie zu Ende geführte Diskussion.

SPOX: Wirklich? Überraschend angesichts der teils hitzigen Aussagen, vor allem von den Topteams.

Heyder: Bis vor einem Jahr gab es eine vermeintlich klare Tendenz, an der 18er Liga festzuhalten. Deswegen ging man das Thema nie an in der Voraussicht, dass eine Verkleinerung nur sehr schwierig durchzusetzen ist. In dieser Saison wäre es jedoch richtig eskaliert, wenn Alba tatsächlich das Euroleague-Viertelfinale erreicht hätte. Vermutlich wird in den nächsten Jahren die Wahrscheinlichkeit steigen, dass ein BBL-Klub international so weit vordringt und spätestens wenn 2017 das Nationalmannschaftsfenster während der laufenden Saison eingeführt wird, kommen wir nicht um eine Reduzierung herum.

SPOX: Sie sprechen immer noch vom "Wir", wenn es um Basketball geht. Dabei sind Sie mittlerweile Geschäftsführer beim Handball-Zweitligisten Coburg, den Sie in die Bundesliga führen sollen. Stimmt der Eindruck, dass Sie mit dem Handball fremdeln?

Heyder: In einem halben Jahr wird man nicht automatisch Handballer, nur weil man die Sportart wechselt. Ich habe 42 Jahre in den verschiedenen Funktionen intensiv Basketball betrieben. Von daher fühle ich mich als Basketballer: Ich habe die Sportart gelernt und mich assimiliert. Basketball war immer mein Leben - und das wird es auch immer bleiben. Nach den 16 Jahren in Bamberg wollte ich allerdings eine neue, persönliche Herausforderung. Das hilft, manche Dinge aus einer neuen Perspektive zu sehen.

SPOX: Wenn Basketball Ihr Leben ist: Fühlte sich die Trennung von Bamberg an, als ob ein Teil von Ihnen gestorben wäre?

Heyder: Das wäre zu dramatisch (lacht). Ich habe als Manager 80 bis 100 Stunden pro Woche gearbeitet und alle Bereiche intensiv abgedeckt, sei es Profi, Nachwuchs oder Sponsoring. Ich habe wenig anderes getan. Insofern hängt es natürlich nach und Bamberg ist nicht so einfach abzuschütteln. Es wäre gelogen zu sagen, dass ich schon so weit wäre, das Kapitel abzuschließen. Ich kann das Thema nicht von heute auf morgen ablegen.

SPOX: Welches Gefühl hängt noch nach, wenn Sie an Bambergs Mäzen Michael Stoschek denken, mit dem Sie sich heftig überworfen haben?

Heyder: Vorweg: Darüber, dass sich ein so erfolgreicher Geschäftsmann für unsere Sportart engagiert, kann es keine zwei Meinungen geben. Michael Stoschek ist ein Glücksfall für den Basketball. Und was mir wichtig ist zu sagen: Wir hatten über die Art und Weise, wie man auf der zwischenmenschlichen Ebene arbeitet, unterschiedliche Meinungen. Auf der professionellen Ebene gebührt ihm Respekt für das, wie er Bamberg fördert. Das Positive ist, dass wir beide immer nur das Beste für Bamberg wollten. Genauso wie viele andere Menschen auch, die in Bamberg kürzlich wieder zusammengekommen sind zur Ehrung durch die Stadt. Da ging es nicht um Preise oder die Frage "Wer hat wie viel getan", sondern um den Respekt und den Rückhalt einer ganzen Region. Das war wunderbar.

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