"Die BBL ist eine Insel des Glücks"

Dirk Bauermann blickt optimistisch in die Zukunft
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SPOX: Wie bewerten Sie mit dem Blick aus dem Ausland die sportliche Klasse der BBL? Gemessen an den Ergebnissen in der Euroleague und dem Eurocup ist die BBL weit davon entfernt, 2020 tatsächlich die führende Basketball-Liga Europas zu stellen. Die Bayern sind in der Euroleague-Vorrunde vorzeitig ausgeschieden und die Eurocup-Vorrunden-Bilanz der drei deutschen Teams Oldenburg, Quakenbrück und Bonn lautet addiert 7-20. Nur Alba in der Euroleague und Bamberg im Eurocup überzeugen.

Bauermann: Ich sehe es nicht so dramatisch. Was Alba in der BBL und der Euroleague abliefert, ist mehr als beachtlich. Ich habe einige Spiele gesehen und die Leistungen waren durchweg überzeugend. Berlin zeigt den Bayern und Bamberg, dass man mit geringeren Mitteln erfolgreicher sein kann. Wobei die Bayern mit den schweren Verletzungen und der sehr schweren Vorrunden-Gruppe viel Pech hatten. Was man allerdings an den Ergebnissen klar sieht: In der VTB United League fließt wesentlich mehr Geld. Was hier für Spieler höchster europäischer Qualität spielen und was die Mäzene investieren, ist in der Summe schon erstaunlich. Das gilt nicht nur für ZSKA Moskau mit ihrem praktisch unbegrenzten Etat. Dahinter kommen Kazan, Krasnodar und Khimki, denen ebenfalls riesige Summen zur Verfügung stehen. Dass sich das auf die sportliche Qualität niederschlägt, sollte nicht verwundern.

SPOX: Die deutschen Klubs hoffen auf die Einführung des "Financial Fair Play", um wettbewerbsfähiger zu sein. Wie wollen die russischen Klubs damit umgehen?

Bauermann: Ehrlich gesagt ist das Financial Fair Play in Russland kein großes Thema. Sie halten das für einen wenig realistischen Ansatz. Hier haben Klubs zum Teil nicht einmal richtige Budgets für eine Saison, die man prüfen könnte. Wenn ein Mäzen einen Spieler nachverpflichten will, macht er das einfach und schießt Geld zu. Das Letzte, worüber sich die russischen Vereine Gedanken machen, ist das Financial Fair Play.

SPOX: Sprich: Die BBL wird bis 2020 nie die beste Liga stellen können?

Bauermann: Das Ziel ist nicht illusorisch. Was die reine finanzielle Ausstattung anbelangt, wird die BBL die Lücke vielleicht nicht füllen können, aber bei den anderen Faktoren ist Deutschland meilenweit voraus: Die Stimmung bei den Fans, die generelle Infrastruktur in den Hallen, die Organisation der Klubs, die mittlerweile verbesserte Übertragungssituation dank der Kooperation mit der Deutschen Telekom. In der Kombination sind wir jetzt schon die Nummer eins oder hinter Spanien die Nummer zwei. Daher fehlt nicht mehr so viel.

SPOX: BBL-Geschäftsführer Jan Pommer betonte in der Vergangenheit, dass der DBB ebenfalls in der Pflicht steht. Wie sehen Sie den Verband aufgestellt?

Bauermann: Vorweg: Chris Fleming ist die ideale Lösung als Bundestrainer. Er lebt seit 20 Jahren in Deutschland, spricht die Sprache hervorragend, ist ein ausgewiesen guter Trainer, genießt in Europa einen sehr guten Ruf und versteht dank seiner jahrelangen Erfahrung in der Euroleague den europäischen Basketball. Die Wichtigkeit des letzten Punkts wird häufig unterschätzt: In der BBL wird ein anderer, eher amerikanischer und athletischer Basketball gespielt. Daher muss ein Bundestrainer wissen, welche Art von Basketball auf europäischem Spitzenlevel gefragt ist. Entsprechend ist Chris die perfekte Lösung. Dennoch muss der DBB kontinuierlich versuchen, sich immer professioneller aufzustellen.

SPOX: Unter anderem überlegt der DBB, neben Peter Radegast einen zweiten Sportdirektor zu verpflichten. Der ehemalige Bamberg-Manager Wolfgang Heyder, Flemings enger Vertrauter, signalisiert Bereitschaft.

Bauermann: Wenn jemand wie Wolfgang zur Verfügung steht, der nicht nur im Segment Profi- und Spitzensport ein absoluter Fachmann ist, sondern ebenfalls im Segment Jugendförderung und Spielerentwicklung, muss man alles tun, um ihn für so eine Aufgabe zu begeistern.

SPOX: Was halten Sie von der Idee, einen Vertreter aus der NBA in die sportliche Führung zu integrieren, um ein verbindendes Glied zu haben zwischen den Spieler mit NBA-Verträgen und -Ambitionen und den in Europa beheimateten Profis?

Bauermann: Chris Fleming wird wissen, wie er seinen Stab zusammenzustellen hat, um die bestmöglichen Ergebnisse zu liefern. Es ist alleine seine Entscheidung und er wird sie sehr gewissenhaft abwägen.

SPOX: Ein Spieler, über den in Deutschland kontrovers diskutiert wird, ist Chris Kaman. Er besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft und zeigt sich in Portland wieder verbessert. Vielen missfällt es jedoch, dass er seine Teilnahme an der EM 2015 an Dirk Nowitzki koppelt. Was denken Sie?

Bauermann: Dass er seine Zusage mit Dirk verbindet, kann man natürlich kritisieren. Und es wäre einfacher für alle Beteiligten, wenn er vorbehaltlose seine Bereitschaft erklären würde, für den DBB zu spielen. Man muss ihm das aber nachsehen. Er will unbedingt erfolgreich sein und zu den Olympischen Spielen 2016. Die Chancen stehen unweit besser, wenn Dirk dabei ist.

SPOX: Ist das nicht ein Beweis seiner fehlenden Loyalität zu Deutschland?

Bauermann: Ich habe mit Chris zwei Sommer verbracht, damals im Olympia-Jahr 2008 und zur EM 2011. Ich hatte nie den Eindruck, dass er sich nicht ausreichend mit Deutschland, dem Land seines Großvaters, identifiziert. Dass es immer etwas anderes ist als bei jemandem, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, dürfe jedem klar sein. Nur: In fast jedem Land gibt es einen naturalisierten Spieler: Spanien hat Serge Ibaka, Ukraine wäre ohne Pooh Jeter als Point Guard nie zur WM gefahren - und wir hätten uns 2008 ohne Chris wahrscheinlich nicht für Olympia qualifiziert und Dirks großen Traum erfüllt. Und im Vergleich zu vielen anderen eingebürgerten Spielern verspürt Chris eine deutlich größere Verbundenheit zum Land. Insofern empfinde ich diese Diskussion als unnötig.

SPOX: Sollten Kaman und Nowitzki für den DBB auflaufen, würden Sie gemeinsam mit Tibor Pleiß einen der besten Frontcourts bei der EM bilden, vergleichbar nur mit Spanien und den Gasol-Brüdern sowie Ibaka. Wie bewerten Sie die Situation von Pleiß bei seinem neuen Klub FC Barcelona?

Bauermann: Es war klar, dass es für Tibor in Barcelona schwierig wird. Bei Laboral gehörte ihm eine zentrale Rolle und das absolute Vertrauen von Coach Sergio Scariolo. In vielen Phasen eines Spiels war die Taktik genau auf Tibor zugeschnitten - und diese Sicherheit braucht er. Tibor funktioniert so besser, als wenn die Spielzeiten schwanken und er manchmal nur eingewechselt wird, um in wenigen Minuten seiner Mannschaft zu helfen. Natürlich kann er Energie reinbringen, verteidigen und blocken - aber es fällt ihm nicht leicht, wenn er ständig um Einsätze kämpfen muss und nicht weiß, wann er wie lange auf dem Court steht. Daher war der Schritt zum FC Barcelona genau richtig. Er ist schon jetzt in Spanien persönlich und professionell ungemein gereift. Wenn er es lernt, trotz ungewisser Einsatzzeiten effektiv zu sein, ist er wirklich bereit. Ich bin überzeugt, dass er im Sommer eine riesige EM spielen und der nächste Schritt die NBA heißen wird.

SPOX: Das DBB-Team wurde bei der EM-Vorrunden-Ansetzung in eine extrem schwierige Gruppe gelost mit Spanien, Serbien und Italien. Hinzukommen die freiwillig ausgesuchten Türken sowie Island, der einzige Underdog. Was ist für Deutschland möglich, wenn alle zusagen? Kaman und Pleiß als Center, Nowitzki und der in Spanien stark spielende Maxi Kleber als Power Forwards, Dennis Schröder als Point Guard, dazu die BBL-Profis...

Bauermann: Das Entscheidende wird sein, dass es keine zwei Lager gibt: Auf der einen Seite die NBA-Stars, auf der anderen Seite der Rest der Mannschaft, der sich vor Ehrfurcht nichts traut. Wenn es gelingt, dass eine tatsächliche Einheit entsteht, muss Deutschland vor keinem Angst haben. Die Chancen stehen 2015 genauso gut, sich wie 2008 für Olympia zu qualifizieren oder wie 2005 eine Medaille zu gewinnen.

Seite 1: Bauermann über seinen neuen Verein, den Präsidenten und die Zukunft

Seite 2: Bauermann über den DBB, Chris Kaman und die Nationalmannschaft

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