"Ich dachte an einen schlechten Witz"

Tim Ohlbrecht hat einen ereignisreichen Sommer hinter sich
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SPOX: Sollte es so gewesen sein: War es eine Verkettung unglücklicher Umstände - oder eine gezielte Demontage des DBB von Ihnen?

Ohlbrecht: Ich frage mich immer noch, warum sie mich einfliegen lassen, nur um mich wieder auszusortieren. Ich verstehe es nicht, warum der DBB mich wieder in diese Schublade geschoben und mich ins schlechte Licht gerückt hat. Ich wollte mit dem Wechsel nach Ulm endlich wieder in Deutschland Fuß fassen und etwas Neues beginnen, aber jetzt denken wieder viele, dass ich schlecht bin. Ich muss mich für Dinge rechtfertigen, die ich nicht verursacht habe und nicht beeinflussen kann. Das kann ich nur so erklären, dass der Verband nach den ganzen Summer-League-Ausflügen eingeschnappt war und die Oberen ein Statement setzen wollten an alle Nationalspieler: "Euch droht das gleiche Schicksal wie Ohlbrecht."

SPOX: Und es geschah wirklich nichts, was Ihnen vorzuwerfen wäre? Sie kamen nicht ein paar Tage später als verabredet oder dergleichen?

Ohlbrecht: Die Termine waren alle abgesprochen. Der Flug aus den USA wurde sogar vom DBB bezahlt und ich trainierte wie besprochen am selben Tag mit, damit wir keine Zeit verlieren. Ich ließ mir nichts zu Schulden kommen.

SPOX: In der Summer-League-Debatte meldete sich Ihr zukünftiger Teamkollege Per Günther mit erfrischender Ehrlichkeit zu Wort und sagte, dass er den Schritt voll verstehen könnte, es in den USA zu versuchen und erst verspätet beim DBB einzusteigen. Wie empfanden Sie seine Stellungnahme?

Ohlbrecht: Ich hatte mit Per lange über das Thema gesprochen. Wir haben die gleiche Sichtweise und ich finde es cool, dass er seine Meinung öffentlich gemacht hat. Ganz unabhängig von mir: Ich kann es nur befürworten, wenn so viele deutsche Spieler anders als in den Jahren davor die Gelegenheit erhalten, an der Summer League teilzunehmen, und NBA-Scouts Interesse zeigen. Das kann nur gut für den deutschen Basketball sein, wenn die Miami Heat zu Danilo Barthel sagen, dass sie ihn gut finden und ihn ihm Blick behalten. Der DBB muss verstehen, dass das nur positiv ist und nicht negativ. Es ist eine Frage der Perspektive!

SPOX: Steht diese Summer-League-Debatte für eine gewisse Basketball-Kultur in Deutschland? Dirk Nowitzki erzählt im SPOX-Interview, dass selbst er zu Beginn seiner Karriere verspottet wurde wegen seines Traums, in die NBA zu gehen.

Ohlbrecht: Ich will Deutschland nicht schlecht reden, ich liebe meine Heimat, wobei es irgendwie typisch ist. Wenn hierzulande jemand hart arbeitet, erfolgreich ist, Geld verdient und sich einen Porsche leistet, ist er gleich ein Prolet. Und wenn sich jemand traut, seinen eigenen Weg zu gehen, um sich den Traum zu verwirklichen, wird er belächelt. In den USA werden solche Menschen eher respektiert. Wenn man in Deutschland offen sagt, dass man es in die NBA schaffen will, und man dafür jede Entbehrung in Kauf nimmt, heißt es häufig: "Übertreibe mal nicht, du bist Deutscher und du schafft es sowieso nicht in die NBA." Förderlicher wäre die Reaktion: "Cool, da traut sich einer, aus seiner Wohlfühlzone rauszugehen und etwas Neues zu versuchen."

SPOX: Selbst bei Hawks-Point-Guard Dennis Schröder, dem neuen Hoffnungsträger, gab es aus dem DBB zahlreiche skeptische Stimmen.

Ohlbrecht: Ich kenne nicht die Details.Der Verband und alle in Deutschland sollten jetzt glücklich sein, ihn zu haben, um Sponsoren zu finden und die Aufmerksamkeit auf den Basketball zu lenken.

SPOX: Nach den Vorkommnissen im diesem Sommer: Denken Sie an einen Rücktritt aus der Nationalmannschaft?

Ohlbrecht: Ich bin immer noch gekränkt, doch da muss ich drüberstehen. Wie gesagt: Ich möchte nicht den DBB für alles verantwortlich machen. Die Sache ist nur: Ich muss mich ebenfalls zu Wort melden, damit die Öffentlichkeit beide Seiten kennt. Der DBB hatte seine Gründe für die Kaderzusammenstellung, er qualifizierte sich für die EM und er machte damit in den eigenen Augen alles richtig. Das ist das gute Recht, so zu denken. Jetzt lassen wir alles sacken und nächstes Jahr können wir uns gerne zusammensetzen und alles besprechen. Dann gibt es keinen Grund, nicht mehr zusammenzukommen.

SPOX: Zumal Sie auf der Center-Position eine gute Ergänzung wären neben Tibor Pleiß und Maik Zirbes.

Ohlbrecht: Deswegen freue ich mich auf die Saison in Ulm. Der Klub hatte eine Lücke auf der Center-Position und ich kann die Rolle so ausfüllen, dass ich auch mal von der Dreierlinie abdrücken darf, so wie früher John Bryant. Daher kann ich es mir vorstellen, dass ich mich gut mit Tibor und Maik ergänze. Die Voraussetzungen in Ulm sind perfekt - und jetzt liegt es an mir zu zeigen, dass ich wirklich in die Nationalmannschaft gehöre.

SPOX: Was ist mit der Rückkehr in die NBA?

Ohlbrecht: Einen Lebenstraum legt man nicht einfach so ab. Allerdings denke ich mittlerweile anders. Wenn in dieser Saison alles super läuft und Ulm sagt: "Hör' mal, willst du nicht vorzeitig verlängern?", würde ich antworten: "Warum denn nicht?" Ich finde, dass man nicht alles bis zum Letzten ausreizen und nicht alle Optionen offen halten muss. Ich könnte jedes Jahr auf die NBA hoffen, hoffen und hoffen. Ich setze heute andere Prioritäten: Wenn in Ulm alles passt und wir uns weiter wohlfühlen, möchten wir bleiben. Ein Sommer ohne Unsicherheiten ist ein Gedanke, den ich schön finde.

Seite 1: Ohlbrecht über seinen turbulenten Sommer 2014 und den "Shot Doctor"

Seite 2: Ohlbrecht über seine Aussortierung beim DBB und Bundestrainer Mutapcic

Seite 3: Ohlbrecht über die deutsche Basketball-Kultur und seinen NBA-Traum

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