"Vielleicht spiele ich nie wieder"

Von Interview: Jonas Schützeneder
Steffen Hamann holte sich in der vergangenen Saison mit Bayern den Meistertitel
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SPOX: Trotz Aufstieg und ordentlicher Debüt-Saison musste Bauermann in München überraschend gehen. Wie haben Sie seine Entlassung damals erlebt?

Hamann: Das war schon emotional. Als er das letzte Mal vor die Mannschaft getreten ist und seinen Abschied verkündet hat, hatte ich eine gewisse Leere im Kopf. Wir haben uns dann auch getroffen und viel gesprochen. Für ihn war das Projekt eine große Herzensangelegenheit, daher hat ihn das natürlich mitgenommen. Aber letztlich ist das Geschäft eben so. Für beide Seiten ist es ja trotzdem ganz gut weitergegangen.

SPOX: Bauermann wurde vorgeworfen, das Team nicht im Griff zu haben. Beispielsweise wurde der damalige Center Jared Homan zu später Stunde in eine Schlägerei verwickelt.

Hamann: Dirk Bauermann arbeitet hervorragend, verlangt sehr viel von seinen Spielern, lässt ihnen aber auch einzelne Freiheiten. Wenn man charakterstarke Spieler hat, ist das ja auch hilfreich. Damals hatten wir eben einige Spieler mit weniger Disziplin im Kader. Da würde ich die Schuld jetzt weniger beim Trainer suchen, sondern bei den Profis, die gewisse Regeln nicht respektiert haben.

SPOX: Hatten Sie als Kapitän auch keinerlei Möglichkeiten, für mehr Disziplin außerhalb der Halle zu sorgen?

Hamann: Das sind alles erwachsene Leute. Natürlich gab es einige Team-Meetings, in denen diese Dinge klar angesprochen wurden. Aber es kam wenig zurück. Und wenn du am Ende nichts gewinnst, muss man für solche Dinge eben doppelt bezahlen.

SPOX: Noch wichtiger als Bauermann war Uli Hoeneß als treibende Figur. Wie haben Sie die ersten Begegnungen mit ihm erlebt?

Hamann: Er kam damals zu uns in die Kabine, hat uns begrüßt und ganz locker mit den Spielern gesprochen. Er hat uns immer sehr deutlich gezeigt, dass er total hinter uns steht, zum Beispiel hat er kaum eines unserer Heimspiele in der 2. Liga verpasst. Umso trauriger war es für uns, dass wir die Meisterschaft nicht mit ihm feiern konnten. Aber ich denke, dass ihm dieser Titel viel bedeutet und auch ein bisschen in dieser schwierigen Zeit hilft.

SPOX: Wie emotional war das Abschiedsessen mit ihm, als nur die Basketballer eingeladen waren?

Hamann: In erster Linie war es sehr ehrlich. Wir waren im kleinen Kreis und er hat nicht lange um den heißen Brei herum geredet. Er hat auch Späße gemacht und viele Gespräche geführt. Ich finde es beeindruckend, wie er sich seiner Verantwortung mit breiter Brust stellt. Er ist einfach eine unglaubliche Persönlichkeit. Jeder im Verein weiß, was man ihm zu verdanken hat.

SPOX: In der Final-Serie gegen Alba hat der FCB nach dem Ausfall von Nihat Djedovic vielleicht den besten Team-Basketball seit Beginn des Projekts gezeigt. War das in Sachen Teamchemie vergleichbar mit der viel beschworenen Einheit aus Bamberger Zeiten?

Hamann: Das ist immer schwer zu vergleichen, jedes Team ist einzigartig zusammengestellt. Für mich persönlich kommt einfach nichts an das Bamberger Team von 2005 ran. Wir wurden in meiner Heimat erstmals Meister. Ich lag direkt nach dem Spiel weinend unter dem eigenen Korb, der Sieg war neben Olympia mein größtes Highlight. Dazu kommt dann natürlich der diesjährige Titel. Nach vier Jahren war das ein unglaublich schöner Abschluss.

SPOX: Stichwort Olympia: Mit Fahnenträger Dirk Nowitzki sind Sie damals ins Pekinger Olympiastadion eingezogen und haben danach sogar mit Michael Phelps seinen historischen Triumph gefeiert.

Hamann: Ich weiß noch, wie uns vorher gesagt wurde, wir sollten unbedingt in Dreier-Reihen bleiben. Kaum waren wir im Stadion, sind vor Freude alle rumgehüpft wie kleine Kinder. Über meine Bamberger Kollegen bin ich dann zur Party mit Phelps gekommen. Dann gab es noch den legendären Augenblick beim Essen im Olympischen Dorf. Plötzlich sind nahe des Eingangs alle aufgestanden und haben geklatscht. Einfach nur, weil Roger Federer gerade hereinkam und von den Athleten bejubelt wurde.

SPOX: Vor zwei Jahren sagten Sie bereits im SPOX-Interview, dass Sie deutlich reifer geworden sind, was als Kapitän natürlich immens wichtig ist. Wie hält man denn sein Team nach schweren Niederlagen - wie letztes Jahr gegen Bamberg - zusammen?

Hamann: Aus Niederlagen lernt man am meisten und auch wenn es eine Floskel ist: Man muss einmal mehr aufstehen, als man gefallen ist. Gerade nach Niederlagen lernt man seine Teamkollegen richtig kennen, nach Siegen hat schließlich jeder gute Laune. Da ist dann auch Fingerspitzengefühl gefragt. Keine Zweifel: Die Playoff-Niederlagen 2012 und 2013 haben uns stärker gemacht.

SPOX: Anders als die Fußball-Kollegen sind die Basketballer deutlich öfter auch per Bus unterwegs. Wie wichtig ist das fürs Team-Building?

Hamann: Es hat sich ein bisschen geändert. Zu Bamberger Zeiten haben wir die ganze Fahrt hindurch UNO gespielt. Die ganzen Riesen haben sich zusammengequetscht, damit die Runde möglichst groß wurde. Kurz vor der Entscheidung wurde es natürlich immer sehr laut. Ganz vorne saß dann Coach Bauermann, hat irgendwelche Systeme auf seinen Block gekritzelt und nur noch mit dem Kopf geschüttelt. Heute sitzt jeder mit Kopfhörer und Tablet im Bus.

SPOX: Bedauern Sie diese Entwicklung?

Hamann: Ja, schon. Natürlich lese ich auch mal ein Buch oder schaue einen Film. Aber als Team hat das früher im Bus einfach deutlich mehr Spaß gemacht. Beim Kartenspiel lernst du die Jungs richtig kennen.

SPOX: Nach vier Jahren München: Welcher Moment bleibt besonders stark in Ihrer Erinnerung?

Hamann: In erster Linie das Aufstiegsspiel gegen Würzburg in der 2. Liga. Die volle Olympiahalle, dann verspielen wir 25 Punkte Vorsprung und gewinnen doch noch, das war Wahnsinn. Ich habe aber wirklich jedes Spiel genossen. Wenn der Hallensprecher im Audi Dome deinen Namen brüllt, du an der Feuersäule vorbeiläufst und deine Jungs abklatscht, geht das Kribbeln erst richtig los.

SPOX: Inwiefern hat sich Steffen Hamann auch als Persönlichkeit außerhalb des Parketts entwickelt?

Hamann: Ich bin definitiv reifer geworden. Man macht sich im Alter mehr Gedanken, überlegt mehr. Natürlich war ich zu Beginn auch ein Stück weit das Gesicht für dieses Projekt. Darüber habe ich mir aber nie groß Gedanken gemacht. Ich bin einfach in diese Rolle hineingewachsen und der Zuspruch vom Klub und den Fans haben mich darin bestärkt.

SPOX: Sie wirken sehr gelöst und aufgeräumt. Bedauern Sie im sportlichen Rückblick etwas? Den Faustschlag gegen Bonn zum Beispiel?

Hamann: Nein, den nicht. Helmanis hatte davor einen absichtlichen Schlag kassiert, das konnte ich als sein Mitspieler einfach nicht zulassen. Vielleicht war die Aktion gegen Artland und Bailey unnötig, das war nicht gut von mir, dazu stehe ich auch. Mit Blick auf die komplette Karriere würde ich aber alles wieder so machen, da muss ich nichts bereuen.

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