"Bin froh, dass die Bayern da sind"

Von Max Marbeiter
Chris Fleming trainiert die Brose Baskets seit 2008
© getty

Chris Fleming hat Bamberg zu vier Titeln in Serie geführt. Er trotzt der Spielerfluktuation und steht für Kontinuität. Im SPOX-Interview spricht er über Teambuilding, den FC Bayern und seine Leiden während der EuroBasket.

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SPOX: Die Saison hat begonnen. Ihr Kader steht größtenteils. Wie zufrieden sind Sie mit der Zusammenstellung?

Chris Fleming: Ich bin zufrieden. Nicht nur, was die Qualität anbelangt, auch das Charakterliche passt. Wir haben eine gute Arbeitseinstellung im Team. Es wird natürlich ein wenig dauern, bis alles perfekt passt, auch, weil wir einige junge Spieler verpflichtet haben. Aber ich bin sehr zufrieden.

SPOX: Es sind wieder einige Spieler dazugekommen, einige haben den Verein verlassen. Wie geht man als Trainer an die Aufgabe heran, quasi jedes Jahr ein neues Team zusammenzustellen?

Fleming: Das Gute ist, dass die Neuzugänge uns immer einen neuen Push gegeben haben - auch in Sachen Ehrgeiz. Zudem kann der Kern, der bereits über Jahre hier ist, den Neuen gut vermitteln, wie man mit der Situation in Bamberg am besten umgeht - wie wir trainieren und wie man mit dem Druck, siegen zu müssen, klar kommt.

SPOX: Die fehlende Kontinuität beim Personal ist ja ein allgemeines Problem der BBL. Viele Spieler unterschreiben lediglich Einjahresverträge. Sie selbst haben sowohl in Quakenbrück als auch jetzt in Bamberg über einen langen Zeitraum etwas aufgebaut. Wo liegt Ihr Geheimnis?

Fleming: Ohne Kontinuität gewinnst du nichts. Natürlich holt hin und wieder eine komplett neu zusammengestellte Mannschaft den Titel. Aber das ist sehr selten - gerade in unserer Liga, in der die Konkurrenz sehr stark ist. Deshalb haben wir immer diejenigen gehalten, die unsere Arbeitseinstellung und Vorstellung vom Basketball geteilt haben, und versucht, sie über Jahre an uns zu binden.

SPOX: Also ist es mitunter wichtiger, ob ein Spieler perfekt in die Mannschaft und den Verein passt, als, dass er auf seiner Position das größte Talent mitbringt?

Fleming: Es gibt natürlich Spieler, die so viel Qualität mitbringen, dass du dich anpassen musst. Auf der anderen Seite hat man eine gewisse Vorstellung, wie man trainiert, wie man spielt und wie man mit seinen Teamkollegen umgeht. Während jeder Saison gibt es auch schwieriger Phasen und da brauchst du Leute, die dann entsprechend reagieren.

SPOX: Wie wichtig ist es da, dass John Goldsberry seinen Vertrag in Bamberg noch mal verlängert hat?

Fleming: Johns Rückkehr war für mich extrem wichtig. Er ist einer dieser Spieler, die wissen, wie man gewinnt. Er opfert ungemein viel. An ihm können sich alle Neuzugänge direkt orientieren. Deshalb wird er gerade für Zack (Wright, Anm. d. Red.) und Jamar (Smith, Anm. d. Red.), die auf seiner Position spielen, sehr wichtig sein. Er kennt das System, weiß, was wir wollen und kann das den Neuen dann auch vermitteln.

SPOX: Von welchem Neuzugang erwarten Sie am meisten?

Fleming: Alle sind extrem wichtig. Novica (Velickovic, Anm. d. Red.) ist natürlich auch europaweit schon sehr bekannt. Er hat diese Ruhe und den Basketball-IQ, der für uns in den letzten Jahren mit Suput und Nachbar sehr wichtig war. Zudem wollten wir auf dem Flügel athletischer werden. Das ist uns mit Zack, Jamar und Rakim (Sanders, Anm. d. Red.) auch gelungen. Zack hat sicherlich mehr Erfahrung als die anderen beiden. Rakim ist dazu sehr jung. Da brauchen wir ein wenig Geduld. Aber sie sind alle extrem vielseitig. Wenn wir unser Potenzial ausschöpfen wollen, müssen definitiv alle Neuzugänge eine große Rolle spielen.

SPOX: Alles in allem sind Sie nun also breiter aufgestellt als im vergangenen Jahr?

Fleming: Vor allem auf den Guard-Positionen, auf denen wir gerade am Ende der vergangenen Saison Probleme hatten, besitzen wir nun mehr Tiefe, richtig.

SPOX: Sie sprachen Velickovic an. Er hat Knieprobleme. Wie geht es ihm?

Fleming: Dass er schon in Madrid am Knie verletzt war, war kein Geheimnis. Er hat leider einen Rückschlag erlitten, der nicht unbedingt mit dem Knie zu tun hatte. Aber wir glauben an ihn. Sobald er zurückkommt, wird er alle überraschen. Jetzt müssen wir ihm allerdings erst einmal etwas Zeit geben. Die Reha in Serbien war nicht optimal. Das müssen wir nun ein wenig nachholen.

SPOX: Bostjan Nachbar hat den Verein dagegen verlassen. Ist man dennoch ein wenig stolz, dass man ihn wieder für einen Topverein wie Barcelona interessant gemacht hat?

Fleming: Ich freue mich für ihn. Er hat gerade am Saisonende gute Arbeit geleistet. Ich gönne ihm alles und wünsche ihm alles Gute in Barcelona.

SPOX: Sie haben ihren Kern behalten, die Bayern dagegen einen großen Umbruch hinter sich. Ist das ein Vorteil für Sie, da sich alles schneller einspielen kann?

Fleming: Unsere Kontinuität hat erst mal nichts mit Bayern zu tun. Aber uns hilft es natürlich, Spieler wie Gavel, Goldsberry oder Jacobsen zu haben. Sie wissen, wo es lang geht und haben über die Jahre gemeinsam eine gewisse Chemie aufgebaut, die funktioniert.

SPOX: Ist es für Sie als Trainer angenehm, dass ein Großteil der Aufmerksamkeit in München ist und Sie Ihr Team quasi in Ruhe vorbereiten können?

Fleming: Eigentlich liegt die Aufmerksamkeit schon bei den Bayern, seitdem sie in der Liga sind. Die Medienlandschaft ist dort einfach eine andere. Ich bin froh, dass sie da sind. Ich komme auch gut damit zurecht, dass sie mehr Interesse auf sich ziehen. Bamberg hat nun mal nur 70.000 Einwohner. Außerdem sind wir in den letzten Jahren gut damit gefahren.

SPOX: Sie haben vergangene Saison zwar Ihren vierten Titel in Folge geholt, die Dominanz war jedoch dahin. Wie sehr geht es an die Substanz, wenn ein Halbfinale oder die Finalspiele derart eng verlaufen?

Fleming: Mit Ausnahme von 2012 waren ja eigentlich alle Titel sehr umkämpft. An die Substanz ging uns vor allem die verlängerte Euroleague-Saison - speziell durch die Rückschläge, die wir verkraften mussten. Wir mussten Spieler austauschen, hatten viele Verletzte. All das ging definitiv an die Substanz.

SPOX: Der Einzug in die Top16 war also mit ein Grund für die Schwächephase - vor allem im März?

Fleming: Wir haben uns in den Top16 gut verkauft. Speziell, wenn man bedenkt, dass wir Langezeit ohne Point Guard spielen mussten, dass Gavel überwiegend auf der Eins starten musste. Wir waren im Backcourt extrem dünn besetzt. Und trotzdem haben wir die Spiele sehr knapp gestaltet. Am Ende haben wir in der Bundesliga aber teuer dafür bezahlt. Was uns dann aber sehr geholfen hat, war, dass wir das Top4 nicht erreicht haben. Wir konnten uns vier Tage freinehmen und haben sehr gut trainiert. Ab da war für mich dann auch klar, dass wir gute Chancen auf den Titel haben würden.

SPOX: Also war weniger, in diesem Fall der verpasste Pokalsieg, mehr?

Fleming: Wir hätten das Top4 niemals gewonnen. Wir hatten die Tage zuvor absolut keine Energie, hätten mit Gavel als einzigem Einser hinfahren müssen - und das bei zwei Spielen an zwei Tagen. Insofern war es wichtiger, dass wir freinehmen konnten. Und am Ende haben wir den wichtigeren Titel dann auch gewonnen.

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