Jenseits aller Konventionen

Von Max Marbeiter
Pero Antic (l.) gewann mit Piräus zwei Mal in Folge den Euroleague-Titel
© getty

Pero Antic zählt definitiv zu den auffallenderen Persönlichkeiten der anstehenden EuroBasket (ab 4. September im LIVE-STREAM FOR FREE bei SPOX). Sein Look sticht heraus, sein Spiel ist für einen Big Man untypisch. Nach zwei Euroleague-Titeln in Folge wechselt der 31-Jährige kommende Saison an die Seite von Dennis Schröder zu den Atlanta Hawks.

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Pero Antic fällt auf. 118 Kilo, verteilt auf 2,10 Meter, garniert mit jeder Menge Tattoos, Glatze und Vollbart lassen sich einfach schwer verbergen. Optik und Körperkunst - Antics rechte Brust ziert ein Tattoo einer von Nebelschwaden überzogenen, zerrissenen mazedonischen Flagge - verraten es: Aus Konventionen macht sich der 31-Jährige nicht allzu viel.

So entschied er sich noch vor Beginn der EuroBasket für einen Wechsel von Olympiakos Piräus zu den Atlanta Hawks. Mit 31 Jahren und nach zwei Euroleague-Titeln in Serie geht es noch mal ganz von vorne los. Aus Pero Antic dem alten Hasen im europäischen Basketball wird Pero Antic der NBA-Rookie.

"Ich hätte auch zu einem kleineren Klub gehen, gutes Geld verdienen und meine Karriere ausklingen lassen können", verrät Antic während seines Antrittsinterviews bei den Hawks. "Aber ich wollte einfach noch einmal eine neue Herausforderung." Zurückhaltung übt er deshalb aber noch lange nicht. "Ich bin kein typischer Rookie", erklärt er. "Ich bin erfahren und möchte schnell einen Beitrag leisten."

Erst Profi dann Highschool

Irgendwie passt es zu Pero Antic und seiner Karriere, dass er nach 14 Jahren Profibasketball noch einmal den Weg in die NBA sucht. Bereits 2000 nahm er einmal eine ungewöhnliche Ausfahrt Richtung USA. Damals ging der Big Man an die Highschool. Eigentlich nichts Besonderes. Der Fakt, dass Antic kurz zuvor bei KK Rabotnicki in seiner Heimstadt Skopje sein Profidebüt gegeben hatte, lässt die Entscheidung dann aber doch mindestens ungewöhnlich erscheinen.

Bereits nach einem Jahr erklärte er das Abenteuer USA allerdings bereits wieder für beendet. Es folgte eine - durchaus erfolgreiche - Reise durch Griechenland, Serbien, Bulgarien und Russland. Mit Roter Stern Belgrad gewann Antic den Serbischen Pokal, mit Academia Sofia Bulgariens Pokal und Meisterschaft, mit Olympiakos Piräus wurde er griechischer Meister und holte besagte Euroleague-Titel.

Starkes Euroleauge-Final-Four

Noch wichtiger: Antics Beitrag beschränkte sich nicht auf fröhliches Handtuchwedeln am Ende der Bank. Im Halbfinale des Final Four gelangen ihm 13 Punkte sowie 3 Rebounds. Im Finale gegen Real Madrid ebnete auch Antic mit 10 Punkten, 6 Rebounds und 2 Assists den Weg für Olympiakos' Comeback und den zweiten Titel in Folge.

Dabei ist es immer wieder interessant, den 31-Jährigen auf dem Court zu beobachten - und das nicht nur wegen seines Äußeren. Angesichts seiner körperlichen Dimension ließe sich hinter Pero Antic leicht der sprichwörtliche Wühlbüffel unter den Körben vermuten. Ein Big Man, der sich durch Power Moves am Brett definiert, der körperlich unterlegene Gegenspieler einfach wegdrückt, um locker leicht in Ringnähe zu punkten.

Doch unkonventionell bleibt unkonventionell - auch auf dem Court. Seine Größe nutzt Antic zwar zur herausragenden Reboundarbeit - bei der EM 2011 war er mit 8,5 Abprallern drittbester Rebounder des Turniers. Zudem weiß er seinen Körper in der Zone durchaus gewinnbringend einzusetzen.

Vorliebe: Dreier

In der Offense entspricht Antic jedoch so gar nicht dem Bild des klassischen Berserkers. Zu Olympiakos-Zeiten lauerte er häufig in unmittelbarer Nähe eines Vassilis Spanoulis, um den Ball am Ende von Downtown fliegen zu lassen. 115 Dreier nahm er vergangene Euroleague-Saison (26,1 Prozent Trefferquote), nur 66-Mal schloss er, trotz deutlich besserer Quoten (51,5 Prozent), von diesseits der Perimeter ab.

Nun bildet die horrende Diskrepanz zugunsten von Distanzwürfen sicherlich eine Ausnahme. Grundsätzlich versteht sich Antic jedoch tatsächlich als Stretch-Big, der in der Offense lieber von draußen abschließt, als direkt in Brettnähe zu punkten.

"Ich mag Al Horfords Spiel. Seine Moves, sein Shooting", sagt er. "Aber ich bin eher ein Outside-Shooter." Dass Antic eine derart innige Beziehung zum Distanzwurf pflegt, mag unter Umständen an seinem relativ überschaubaren Arsenal an Post-Moves liegen. Auch Geschwindigkeitsvorteile besitzt er unter dem gegnerischen Korb eher selten.

Starker Verteidiger

Antic deshalb als weich zu bezeichnen, würde allerdings komplett an der Thematik vorbeiführen. Mazedoniens Kapitän ist ein ausgesprochen unangenehmer und harter Verteidiger, ist ein Vorbild an Einsatz- und Siegeswillen, was während der EM 2011 auch die Herren Dirk Nowitzki und Pau Gasol zu spüren bekamen.

Bisweilen ist die Gier nach Erfolg allerdings etwas zu groß, kommt das Temperament etwas zu deutlich durch. Dann folgen lautstarke Auseinandersetzungen, wie mit Moskaus Milos Teodosic beim Euroleague-Final-Foul. Oder sogar Rangelien mit Teamkollegen. Eine solche bescherte Antic sogar den zwischenzeitlichen Rausschmiss aus dem mazedonischen Nationalteam.

EM 2011: Vom Außenseiter zum Litauen-Schreck

Inzwischen, sechs Jahre später, zählt Antic jedoch wieder zum festen Kern der Mazedonier. Mehr noch: Er ist ihr Kapitän, ihr Defensivanker. Als solcher soll er gemeinsam mit Scoringvirtuose Bo McCalebb bei der EuroBasket in Slowenien dafür sorgen, dass man ähnlich stark abschneidet wie 2011.

Als Außenseiter angereist, schlug man damals im Viertelfinale völlig überraschend Gastgeber Litauen und unterlag erst im Halbfinale dem späteren Europameister aus Spanien.

Dass mit den Mazedoniern auch in diesem Jahr wieder zu rechnen sein muss, bewiesen sie bereits dem DBB-Team beim Supercup in Ulm, den sie gewannen. Ob es für den EM-Vierten von 2011 auch diesmal wieder zum Halbfinaleinzug reichen wird, muss sich erst noch zeigen. Sicher ist dagegen, dass Pero Antic auch in Slowenien wieder aus der Masse herausstechen wird.

Der EM-Spielplan in der Übersicht