"Das passiert einmal in hundert Jahren"

Von Interview: Max Marbeiter
Vassilis Spanoulis führte Olympiakos zum Euroleague-Titel 2012
© getty

Vassilis Spanoulis gilt als einer der besten Basketballer Europas und gewann mit Olympiakos Piräus im vergangenen Jahr die Euroleague. Im SPOX-Interview spricht der Grieche über den überraschenden Triumph, das diesjährige Final Four, seine Erfahrungen in der NBA und die Kunst des entscheidenden Wurfes.

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SPOX: Herr Spanoulis, im Halbfinale des Final Four spielen Sie gegen ZSKA Moskau, den Sie im letztjährigen Finale nach dramatischem Finish geschlagen haben. Was erwartet Sie diesmal?

Vassilis Spanoulis: Dieses Jahr ist es eine ganz neue Situation. Sie haben ein völlig anderes Team, einen neuen Coach, ein neues System. Ihr Stil hat sich verändert. Es wird also ein ganz anderes Spiel. Uns interessiert ohnehin nur die Gegenwart. Was vergangenes Jahr war, ist heute egal.

SPOX: Sie gehen also nicht davon aus, dass das letztjährige Finale noch irgendeinen Einfluss haben wird?

Spanoulis: Vielleicht von ihrer Seite aus. Aber wir konzentrieren uns auf das aktuelle Spiel.

SPOX: Wie schätzen Sie ihre Chancen auf die Titelverteidigung ein?

Spanoulis: Das ist schwer zu sagen. Wir hatten eine schwere Saison, aber jetzt haben wir es bis ins Final Four geschafft und wenn man so weit gekommen ist, möchte man natürlich auch gewinnen. Wir hatten jetzt so viele Spiele und nun fehlen nur noch zwei Siege, um alles zu gewinnen.

SPOX: Wer ist für Sie in London Favorit?

Spanoulis: Es ist schwer, sich auf eine Mannschaft festzulegen. Im Grunde hat jeder dieselben Chancen, wenngleich wir wahrscheinlich als Außenseiter anreisen. Aber wir werden sehen.

SPOX: Stichwort Außenseiter. Angesichts der großen finanziellen Probleme war Olympiakos auch im letzten Jahr nur Außenseiter, und holte schließlich doch den Titel. Können Sie Ihre Emotionen nach dem Triumph beschreiben?

Spanoulis: Es war unglaublich. So etwas passiert vielleicht einmal in hundert Jahren. Es kommt selten vor, dass ein Team mit einem Budget von 8-10 Millionen Euro am Ende den Titel holt. Niemand hat uns den Titelgewinn wirklich zugetraut. Jeder meinte, dass die Top 16 unser Ziel sein sollten. Das muss man sich einmal vorstellen - ein Team, dessen Ziel die Top 16 war, holt den Titel. Aber wir haben extrem hart dafür gekämpft.

SPOX: Wie wurde der Erfolg in Griechenland aufgenommen?

Spanoulis: Es war verrückt. Schließlich war es der erste Euroleague-Titel seit 15 Jahren. Eigentlich steckten wir mitten im Rebuild - und dann holen wir den wichtigsten Titel Europas.

SPOX: Nicht nur die Euroleague, auch die griechische Liga hatte Olympiakos bis zum vergangenen Jahr lange nicht gewonnen. Heuer stehen Sie erneut an der Spitze. Startet Olympiakos nun eine neue Ära?

Spanoulis: Man weiß nie. Im Moment sind wir einfach glücklich. Wir müssen weiterhin Schritt für Schritt machen. Wir wollen keine großen Pläne schmieden, sondern nur den Moment genießen.

SPOX: In Piräus spielen Sie unter anderem mit dem Ex-Bamberger Kyle Hines. Wie würden Sie seinen Einfluss auf den Erfolg der Mannschaft beschreiben?

Spanoulis: Sein Einfluss auf das Team ist nicht hoch genug einzuschätzen. Er ist einer dieser Spieler, die jeder Coach braucht.

SPOX: Erzählt er hin und wieder von der BBL?

Spanoulis: Auf jeden Fall. Er hatte einige sehr gute Jahre in Bamberg und hat sich dort sehr wohlgefühlt. Aber es war für ihn an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. Er spricht immer noch sehr positiv von den Brose Baskets. Die Liga entwickelt sich sehr gut, wird Jahr für Jahr besser. Inzwischen wird dort auch mehr Geld investiert.

SPOX: Mit Kostas Papanikolaou haben Sie zudem den diesjährigen Gewinner des Euroleague Rising Star Titels in ihren Reihen. Haben Sie Tipps für ihn?

Spanoulis: Erst mal verdient er wirklich alles. Natürlich sprechen wir viel, speziell während der Spiele. Ich bin wirklich stolz darauf, wie sehr er sich in jeder Hinsicht verbessert hat.

SPOX: Im vergangenen Jahr wurde er zudem von den New York Knicks gedraftet und direkt nach Portland getradet. Spricht er mit Ihnen über die NBA und fragt Sie um Rat, nachdem Sie selbst dort gespielt haben?

Spanoulis: Klar sprechen wir über die NBA. Jeder Basketballer träumt davon, einmal dort zu spielen und ich bin mir sicher, dass er das schaffen und dort eine große Karriere haben wird. Einen speziellen Rat habe ich ihm allerdings noch nicht gegeben.

SPOX: Als Sie 2006 in die USA gingen, waren Sie bereits einer der höchst dekorierten europäischen Basketballer, kamen aber bereits nach einem Jahr wieder zurück. Was war Ihr größtes Problem?

Spanoulis: Wenn man in der NBA Erfolg haben möchte, braucht man auch ein wenig Glück. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Das System muss passen, man benötigt den richtigen Coach. All das war bei mir nicht der Fall. Es gab nicht viele Europäer und der Coach ließ Rookies und Europäer nicht allzu oft ran. Es war einfach schlechtes Timing. Für mich persönlich war es aber dennoch eine positive Erfahrung. Es hat mich charakterlich weitergebracht.

SPOX: Sie bereuen den Schritt also nicht?

Spanoulis: Nein, überhaupt nicht. Allerdings war es ein Fehler, nach Houston zu gehen, denn es war nicht das richtige Team für mich.

SPOX: Obwohl Sie ein guter Shooter sind, trafen Sie in den USA nur 17 Prozent Ihrer Dreier. Wieso hatten Sie solche Probleme?

Spanoulis: Das war kein allgemeines Problem. Manchmal geht der Ball rein, manchmal nicht. Zudem nehme ich kaum offene Schüsse. Meistens schieße ich ohne Balance oder mit einer Hand im Gesicht. Ich versuche immer, mir meinen eigenen Wurf zu kreieren. Außerdem ist die Saison in den Staaten sehr lang. Einen Monat schießt du gut, im nächsten hast du Probleme. Vor allem, wenn die Defense hinter dir her ist und versucht, dich zu stoppen. Als Shooter musst du dich dann anpassen. Schließlich ist Shooting nicht der einzige Aspekt des Spiels.

SPOX: Hätten Sie rückblickend irgendetwas anders machen sollen?

Spanoulis: Wie gesagt, ich bereue nichts. Vor allem, weil ich in den USA viel Zeit hatte, individuell an meinem Spiel zu arbeiten - zum ersten Mal in meiner Karriere konnte ich mich auf meine individuellen Fähigkeiten konzentrieren. Ich habe an meinem Speed gearbeitet, am Ballhandling, an meinem Shooting. In Europa steht das Team und die Taktik im Vordergrund, deshalb hat man dort weniger Zeit für solche Dinge. Die Zeit in den USA hat mich als Spieler also definitiv weitergebracht.

SPOX: Einige große europäische Spieler, wie Juan Carlos Navarro oder Sarunas Jasikevicius, sind wie Sie nach relativ kurzer Zeit wieder aus den USA zurückgekehrt. Liegt das an den unterschiedlichen Arten des Basketballs?

Spanoulis: Naja, diese Jungs waren es gewöhnt, viel zu spielen. Sie waren die Protagonisten ihrer Teams. In der NBA müssen sie dann allerdings wieder bei null beginnen. Sie sind 27 oder 30 Jahre alt, da haben sie manchmal vielleicht nicht die Geduld, erst einmal weniger Minuten zu sehen und einige Jahre zu lernen, um sich zu beweisen.

SPOX: Dennoch erzielten die Europäer in den letzten Jahren immer wieder Erfolge gegen die USA. Sie selbst waren Teil des griechischen Teams, das die Amerikaner bei der Weltmeisterschaft 2006 bezwang. Wo sehen Sie die Hauptunterschiede?

Spanoulis: Der amerikanische Basketball ist deutlich athletischer, deutlich energiegeladener. Außerdem haben sie dort unglaubliches individuelles Talent. Hier geht es mehr um Taktik. Es spielt sich deutlich mehr im Kopf ab.

SPOX: Sie sind einer der besten Spieler Europas. Wie würden Sie Ihre Stärken beschreiben?

Spanoulis: Im Grunde mache ich nichts Spezielles. Ich versuche nur immer wieder, mich richtig zu motivieren, arbeite hart und bin nie zufrieden. Was auch immer nötig ist, um dem Team zu helfen, mache ich. Ich spiele, um zu gewinnen. Wenn wir am Ende keinen Erfolg haben, motiviert mich das umso mehr und treibt mich an, noch härter zu arbeiten.

SPOX: Speziell in engen Spielen zählen Sie immer wieder zu den entscheidenden Protagonisten. Legen Sie Ihren Fokus auf etwas Bestimmtes?

Spanoulis: Nicht wirklich. Ich vertraue meinen Fähigkeiten und fühle mich gut, wann immer es in die entscheidende Phase geht. Ich habe immer das Gefühl, die richtige Entscheidung treffen zu können. Das ist irgendwie in mir. Ich arbeite aber nicht speziell daran, es kommt ganz natürlich. Selbst wenn ich einmal einen entscheidenden Wurf vergebe, denke ich beim nächsten Mal überhaupt nicht mehr darüber nach. Am Ende sind wir ohnehin nur Menschen und können deshalb gar nicht alles richtig machen. Michael Jordan hat auch gesagt, dass er mehr entscheidende Würfe verpasst als getroffen, aber dennoch immer weitergemacht hat. Und genau darum geht es. Du vergibst viele Würfe, aber du triffst auch viele. Du darfst dich nur nicht verunsichern lassen.

Das Euroleague Final Four im Überblick