"Ich bin kein Freund der NBA"

Von Interview: Felix Götz
Björn Harmsen schaffte mit Jena und dem MBC den BBL-Aufstieg
© Imago

Gießens Trainer Björn Harmsen ist der jüngste Headcoach der BBL. Obwohl er erst 29 Jahre alt ist, hat er bereits drei BBL-Klubs betreut. Seit dieser Saison ist er in Gießen und versucht den Traditionsklub vor dem Abstieg zu retten. Bei SPOX spricht Harmsen über seine steile Karriere, eine Lehrzeit bei den besten Coaches in Europa und seinen Spanien-Traum. Zudem verrät Harmsen, warum er für die NBA nicht viel übrig hat.

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SPOX: Herr Harmsen, mit Jena und dem Mitteldeutschen BC sind Sie in die BBL aufgestiegen, Gießen ist bereits Ihre dritte Bundesliga-Station. Kommt es Ihnen manchmal wie ein Traum vor?

Björn Harmsen: Nein, nicht mehr. Als ich anfing, war es mein Ziel, als jüngster Trainer in die Bundesliga hochzukommen. Das hat geklappt. Irgendwie haben Sie aber auch recht: Man muss sich schon immer wieder daran erinnern, dass man genau das macht, was man machen will. Von daher stimmt es doch: Es ist ein Traumjob - und das in so jungen Jahren.

SPOX: Mit 23 Jahren waren Sie erstmals Coach im Profibereich, in der zweiten Liga in Jena. Woher nimmt man in diesem Alter das Selbstvertrauen zu sagen: "Das traue ich mir zu!"?

Harmsen: Das war relativ schwierig. Genau an diesem Punkt stellt man sich nämlich die Frage: "Was passiert eigentlich, wenn es nicht klappt?" Aber ich hatte ja nichts zu verlieren. So eine Chance bekommt man nur einmal. Man kann versuchen, sie zu nutzen, oder man kann kneifen. Ich war noch nie einer, der sich gesagt hat: "Das ist jetzt aber eine Nummer zu groß für mich." Das einzige, was in so einer Situation fehlt, ist die Erfahrung.

SPOX: Ihre Spieler waren und sind ja zumindest teilweise älter als Sie. Gibt es da Probleme mit der Autorität?

Harmsen: Nein, die gibt es nicht - zumindest nicht wegen des Alters. Es gibt die gleichen Autoritätsprobleme, die es bei anderen Trainern auch gibt. Es gibt Spieler, die Autorität akzeptieren, und es gibt Spieler, die Grenzen austesten. Es geht darum, die Spieler von der Qualität seiner Arbeit zu überzeugen. Wenn man alles reinhaut, was man hat, dann wird das auch respektiert.

SPOX: Gibt es wirklich keine Situation, in der es schwierig werden kann als junger Trainer?

Harmsen: Es gibt Spieler, für die der Trainer eine Art Vaterfigur ist. Manche brauchen das. Das kann ich natürlich nicht sein. Aber ich glaube auch nicht, dass ein Trainer das grundsätzlich sein muss.

SPOX: Wie sah Ihre Karriere als Spieler aus, und warum haben Sie sich so schnell auf den Job als Trainer konzentriert?

Harmsen: Ich war am Sportgymnasium in Jena und habe dort Leistungssport betrieben mit zwei bis drei Trainingseinheiten pro Tag. Als es dann aufs Abitur zuging habe ich gemerkt, dass es zum Profisportler nicht reichen wird. Ich war einfach nicht gut genug. Dann wollte ich internationale BWL in Bamberg studieren. Ein Freund von mir ist damals als Spieler nach Bamberg gewechselt, und obwohl ich nicht direkt einen Studienplatz bekommen habe, bin ich einfach mitgegangen.

SPOX: Und dann?

Harmsen: In Bamberg habe ich angefangen, Jugendteams zu trainieren, da war ich 18. Manager Wolfgang Heyder hat mir Woche für Woche mehr Arbeit gegeben. Und als dann das Studium losgehen sollte, hab ich mich für Basketball entschieden.

SPOX: Sehr zur "Freude" Ihrer Eltern, nehme ich an?

Harmsen: (lacht) Ja, die hatten logischerweise große Bedenken. Aber ich hätte ja auch ein Jahr später noch studieren können. Da hatte ich aber die Chance, es als Trainer zu probieren. Und bei mir war es schon immer so, dass ich mich voll reinhänge, wenn ich etwas mache. Ganz oder gar nicht. Beides gleichzeitig zu machen, war für mich keine Alternative.

SPOX: Sie sind nicht nur sehr früh Trainer geworden, sondern haben mit 20 Jahren auch das Buch "Basketball emotional - Mit mentaler Stärke zum Erfolg" geschrieben. Waren Sie insgesamt frühreif?

Harmsen: Gar nicht. Aber ich wollte einfach schon sehr schnell ambitioniert sein. Ich wollte nicht von anderen finanziell abhängig sein, wollte nicht noch mal in den Vorlesungen anderen zuhören. Ich wollte schnell selbstständig sein.

SPOX: Schwierig, weil man als Jugendtrainer vermutlich nicht so üppig verdient.

Harmsen: Als ich als Trainer angefangen habe, konnte ich mir gerade mein Essen kaufen und die Wohnung bezahlen. Ich hatte aber kein Geld, um wegzugehen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit Basketball zu beschäftigen. Das hat mir sehr geholfen. Als ich später genügend Geld hatte, habe ich das genutzt, um anderen bei der Arbeit über die Schultern zu schauen.

SPOX: Zum Beispiel in Bamberg bei Dirk Bauermann, aber auch in Litauen.

Harmsen: Genau, das war alles sehr wichtig für mich. Man schmort oft in seinem eigenen Saft. Zudem hatte ich nie die Möglichkeit, auf allerhöchstem Niveau unter einem Headcoach zu arbeiten. Also ist es wichtig, dass man bei anderen Trainern und in anderen Ländern hospitiert. Da kann man sich bestimmte Dinge abschauen. Zudem ist es ja so, dass ich kein Profispieler war. Also war es für mich auch wichtig zu beobachten, wie sich Spieler verhalten und wie sie arbeiten.

SPOX: Sie waren auch bei der spanischen Nationalmannschaft unter Coach Sergio Scariolo. Ihre Eindrücke?

Harmsen: Es war beeindruckend zu sehen, wie professionell Spieler wie Juan Carlos Navarro arbeiten. Ihre Professionalität ist der eigentliche Grund, warum sie es so weit gebracht haben. Nicht in erster Linie ihr Talent. Die leben ihren Sport.

SPOX: Zuvor hatten Sie unter Scariolo schon in Malaga hospitiert.

Harmsen: Richtig. Bei ihm hat mich seine Offenheit mir gegenüber beeindruckt. Er hat mir sehr viel Zeit geschenkt, hat mir alles erklärt und alle meine Fragen beantwortet. Das ist nicht selbstverständlich. Vor allem wenn man bedenkt, dass Malaga damals gerade in der ersten Playoff-Runde gegen Real Madrid ran musste.

SPOX: Wo waren Sie sonst noch?

Harmsen: In Valencia bei Svetislav Pesic. Ein unglaublich erfahrener Trainer, der auf die Grundlagen großen Wert legt. Zudem geht es ihm um die individuelle Entwicklung von Spielern und vor allem um eine gute Verteidigung.

SPOX: Bauermann, Scariolo, Pesic: alles große Namen. Wie sieht Ihr Karriereplan aus?

Harmsen: In Gießen arbeite ich jetzt beim dritten BBL-Klub, der ein geringes Budget zur Verfügung hat. Und natürlich hätte ich gerne mal größere finanzielle Möglichkeiten. Das heißt aber nicht, dass ich dafür zu einem anderen Verein gehen muss. Ich denke, dass so etwas auch in Gießen möglich ist. Der zweite Punkt wäre, dass ich gerne mal an einer Gesamtstruktur, also an der grundsätzlichen Ausrichtung des Vereins, mitarbeiten würde. Bis runter in den Jugendbereich.

SPOX: Man denkt doch aber nicht nur über neue Strukturen, sondern auch über große Klubs nach, oder?

Harmsen: Das sind jetzt alles Träumereien. Aber es wäre für mich ein großes Ziel, irgendwann mal als Trainer nach Spanien zu gehen. Auch als Co-Trainer, das wäre mir völlig egal. Doch wie gesagt: alles Träumereien.

SPOX: Sie scheinen von der Liga ACB eine hohe Meinung zu haben.

Harmsen: Absolut. Das ist die beste Liga Europas, wenn nicht sogar die beste der Welt.

SPOX: Haben Sie da nicht die NBA vergessen?

Harmsen: Die beste Liga ist die Euroleague, dann kommt die spanische Liga. Ich bin überhaupt kein Freund der NBA.

SPOX: Warum?

Harmsen: Es geht dort weniger um Training und wirkliche Arbeit in dem Sinne. Es geht um ein Unternehmen, das möglichst viel Geld verdienen möchte. Es geht darum, möglichst viele Superstars zu vermarkten und möglichst viele Spiele zu absolvieren. Das ist nicht meine Motivation. Die größte Herausforderung liegt für mich im tagtäglichen Training. Darin, die Mannschaft weiterzubringen, schlechte Dinge zu verbessern und gute Dinge zu perfektionieren.

SPOX: Derzeit haben Sie die Möglichkeit dazu. Wobei es für einen Verein wie Gießen, für den es um das sportliche Überleben in der BBL geht, eine komplizierte Saison ist. Das liegt vor allem auch daran, dass mit Bayern und Würzburg nicht gerade klassische Aufsteiger mitmischen, oder?

Harmsen: Richtig. Wir haben ein sehr geringes Budget und mit Würzburg und München sind zwei Teams aufgestiegen, die nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Das macht es im Abstiegskampf tatsächlich nicht einfacher. Für uns geht es in erster Linie um den Klassenerhalt. Wenn wir das schaffen, wäre das ein großer Erfolg. Wenn man im Mittelfeld landet - umso schöner. Aber wir sollten nicht träumen, sondern realistisch an die Sache herangehen. Wir dürfen nicht aufhören, hart zu arbeiten.

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