"Mit Primadonnen kommt man nicht weit"

SID
Bundestrainer Dirk Bauermann bremst vor dem Start der EM die Erwartungen
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Bundestrainer Dirk Bauermann bremst vor dem Start der EM die Erwartungen. Zudem spricht er über die Zusammenstellung seines Kaders, Nowitzkis Rolle im Team und das Ziel die beste Defensive des Turniers zu spielen.

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Frage: Herr Bauermann, die Erwartungshaltung an ihr Team ist riesig. Führt NBA-Champion Dirk Nowitzki die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes bei der EM in Litauen zum Titel?

Dirk Bauermann: Vom Europameistertitel zu sprechen, ist absolut übertrieben. Zu glauben, dass wir dort hinfahren können und als ernsthaftes Ziel den Sieg haben, wäre arrogant und ist auch einfach unzutreffend. Dazu ist der europäische Basketball viel zu stark, und wir hatten als Mannschaft zu wenig Zeit in der Vorbereitung.

Frage: Mit welchem Ziel gehen Sie dann ins Turnier?

Bauermann: Wir müssen schauen, dass wir den ersten großen Schritt machen. Und der heißt: Vorrunde überstehen. Das ist wie eine Mini-Europameisterschaft zu gewinnen, weil wir unter anderem Serbien, Italien und Frankreich in der Gruppe haben. Alle drei haben die Chance, sich für Olympia zu qualifizieren. Das wird brutal. Dann kommt der zweite Schritt, das ist die Zwischenrunde. Dort geht es wahrscheinlich gegen die Topteams Spanien, Türkei und Litauen. Wenn wir diese Schritte getan haben, dann darf man von mehr träumen. Aber bis dahin ist es ein langer, schwerer Weg.

Frage: Sie sprachen die kurze Vorbereitung an. Ist die Mannschaft fit für fünf Vorrundenspiele in sechs Tagen?

Bauermann: Wir sind so gut vorbereitet, wie wir es sein können. Alles in allem ist der Eindruck positiv. Wir sind weit genug, um eine ordentliche Rolle zu spielen und diese sehr, sehr schwere Gruppe zu überstehen. Die Fitness ist sehr gut.

Frage: Dirk Nowitzki hatte nach dem Gewinn des NBA-Titels nur eine kurze Pause. Wie weit ist er nach knapp zwei Wochen mit dem Team?

Bauermann: Dirk sucht noch nach einer Form, die es uns als Mannschaft erlauben würde, im Turnier weit zu kommen. Aber er wird den Schalter in Litauen umlegen können, das weiß ich. Er wird noch mehr in die Verantwortung gehen.

Frage: Ist er Ihr verlängerter Arm auf dem Parkett?

Bauermann: Wir tauschen uns aus. Dirk ist kein Spieler, der ständig mit dem Trainer kommunizieren muss. Er kann aber auch die jungen Spieler führen - und zwar klar und deutlich. Wenn ein Nowitzki dir etwas sagt, dann hat das eine Wirkung. Deswegen ist er sicher auch so etwas wie der verlängerte Arm.

Frage: Auch Chris Kaman ist erst seit zwei Wochen bei der Mannschaft. Sind Sie mit ihm zufrieden?

Bauermann: Er wird mit jedem Spiel besser. Chris ist ein erfahrener Profi. Die Tatsache alleine, dass es ab Mittwoch gegen Israel im ersten EM-Spiel um etwas geht, wird dafür sorgen, dass wir einen noch härter arbeitenden und noch besser reboundenden Chris Kaman sehen werden. Ich bin sehr zufrieden damit, wie er sich auf dem Feld verhält.

Frage: Was zeichnet Ihre Mannschaft aus?

Bauermann: Eine große Ziel- und Erfolgsorientierung. Alle ordnen sich dem Ziel unter, eine erfolgreiche EM zu spielen und die Olympiateilnahme zu sichern. Die hervorragende Chemie ist der zweite Punkt. Die Stimmung in der Mannschaft ist hervorragend, es gibt keine Grüppchenbildung. Wenn man Primadonnen im Team und eine schlechte Moral hat, dann kommt man nicht weit.

Frage: Sie gelten als Verteidigungsfanatiker. Wie wichtig wird die Defense für eine erfolgreiche EM?

Bauermann: Sie wird absolut entscheidend. Unser Ziel ist es, die beste Verteidigung der Turniers zu haben. Wir wollen den schlechtesten Wurfquotienten aus dem Feld von anderen Mannschaft zulassen, das am stärksten reboundende Team sein und selbst die meisten Freiwürfe werfen. Offensiv wollen wir aus dieser Verteidigung schnell spielen und Situationen im freien Feld nutzen, weil Dirk dort perfekt Lücken findet. Solange wir das schaffen, müssen wir uns offensiv keine Sorgen machen. Genügend Punkte, um zu gewinnen, werden wir immer erzielen.

Frage: Welche Rolle haben die Spieler im Schatten des NBA-Duos Nowitzki/Kaman?

Bauermann: Es müssen sich alle an unserem Spiel beteiligen. Wir müssen sicherstellen, dass alle den Mut haben, sich etwas zuzutrauen. In den letzten Spielen haben wir eine gute Mischung gefunden. Die Jüngeren trauen sich etwas zu, das ist wichtig. Sie müssen die Lücken und den Raum nutzen, den die NBA-Profis ihnen schaffen. Aber wir müssen trotzdem wissen, mit wem wir da auf dem Feld sind. Nowitzki und Kaman muss man immer wieder bedienen.

Frage: Werden Nowitzki und Kaman immer auf dem Feld stehen?

Bauermann: Bei fünf Spielen in sechs Tagen bringt es uns nicht weiter, sie immer 40 Minuten spielen zu lassen. Die Frage ist, wie lange sie spielen können. Ich würde sagen, dass zwischen 25 und 32 Minuten das Maximum dessen ist, was sie vertragen können, ohne im Verlauf des Turniers müde zu werden.

Der Spielplan zur EM 2011 in Litauen

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