"Dirk lacht mich immer aus"

Von Interview: Haruka Gruber
Chris Kaman und Dirk Nowitzki bilden den besten Frontcourt Europas
© Imago
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SPOX: Sie sind in einer ländlichen Gegend von Michigan aufgewachsen, in der Nähe von Grand Rapids. Sind Sie dort bekannt wie ein bunter Hund?

Kaman: Klar kennt man mich - aber bei uns kennt auch jeder jeden. Man grüßt sich, man quatscht kurz, das ist eine richtig nette Dorf-Atmosphäre. Vor allem, wenn ich direkt aus Los Angeles zurückkomme, fällt mir auf, wie traditionell und familiär es in Grand Rapids zugeht - und wie sehr ich das in der Metropole vermisse.

SPOX: Fällt es Ihnen schwer, in L.A. zu leben?

Kaman: Die Clippers sind mein Job, daher akzeptiere ich es. Aber ich werde es nie lieben, in einer Großstadt zu leben. Wenn es irgendwann einmal ein NBA-Team in eine kleine, beschauliche Stadt verschlagen würde, könnte ich mir vorstellen, für es zu spielen.

SPOX: Bei Ihnen wurde als Kind das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, kurz ADHS, festgestellt. Bis vor drei Jahren wurden Sie wegen einer Fehldiagnose mit den falschen Medikamenten behandelt. Wie sehr fühlen Sie sich auch heute noch beeinträchtigt?

Kaman: Bei mir wird es wohl immer so sein, dass ich Angstzustände bekomme, wenn ich große Menschenmengen sehe. Ich brauche immer meine Zeit, bis ich mich halbwegs daran gewöhnt habe. Deswegen versuche ich mich in solchen Fällen immer abzulenken. Auf Schloss Neuschwanstein zum Beispiel gab es massig Touristen. Amerikaner, Briten, Chinesen, Japaner, Franzosen, Italiener, Österreicher, alle waren da, und einige erkannten mich auch. So etwas ist sehr anstrengend, deswegen zog ich mich zurück und konzentrierte mich auf meine Frau und mich.

SPOX: Sie gehen in der Offseason Ihren eigenen Weg und bauten sich deswegen in der Heimat eine eigene Basketball-Halle, wo sie mit Ihrem Bruder und einigen Freunden trainieren. Der übliche NBA-Spieler hingegen nimmt an hochkarätig besetzten Workouts teil. Ist das kein Nachteil für Sie?

Kaman: Das ist überhaupt kein Problem, weil ich zuhause vor allem Wurfübungen und Konditionstraining durchziehe - und dafür habe ich in meiner Halle die perfekten Bedingungen. Das ist quasi mein neues Reich, mit richtig guten Korbanlagen, einem tollen Parkett und einem Kraftraum. Mein Bruder hat das alles designt. Ich bin stolz, so etwas gebaut zu haben.

SPOX: Sie sind bekannt dafür, in Ihrer Freizeit nicht nur Hallen zu bauen, sondern auch extravaganten Hobbys nachzugehen. Fliegen Sie immer noch leidenschaftlich gerne Modell-Helikopter?

Kaman: Das hatte 2008 angefangen, als ich mit der Nationalmannschaft unterwegs war. Mir war ein bisschen langweilig und ich kaufte mir einen Helikopter. Der war schon ziemlich groß und ich habe in Bamberg in der Nachbarschaft von Steffen Hamann, bei dem ich damals gewohnt habe, für Aufregung gesorgt, weil ich das Ding nicht so steuern konnte. Als ich zurück in den USA war, habe ich mir aber ein richtiges Gerät gekauft: Der Helikopter ist an sich drei Meter lang, mit ausgefahrenen Propellern hat er eine Spannbreite von vier oder fünf Metern.

SPOX: Ist so ein Helikopter nicht noch schwieriger zu steuern?

Kaman: Aber so was von. Die Steuerung ist sehr, sehr anspruchsvoll. Ich habe unglaublich viele Trainingsstunden gebraucht und musste mich vorher an den PC-Simulator setzen, um den Helikopter halbwegs zu beherrschen.

SPOX: Im Sommer 2008 haben Sie zum Zeitvertreib für sich und die Mitspieler auch mehrere Playstations gekauft. Was fiel Ihnen in diesem Sommer ein?

Kaman: Die Playstations waren nicht unbedingt für mich. Damals gab es ein Computer-Spiel, das die meisten im Team gerne gezockt haben, deswegen dachte ich mir, dass ich einfach genügend Playstations kaufe, damit jeder damit üben kann. Mittlerweile ist das Computer-Spiel aber offenbar nicht mehr so angesagt, deswegen habe ich die Mannschaft in Bamberg einfach nur einmal zum Essen eingeladen.

SPOX: Das alles passt zu jemandem, der nicht nur riesige Helikopter-Modelle fliegt und eine Sammelbestellung Playstations aufgibt, sondern sich gerne auch in Bogenschießen übt, Autos mit Maschinengewehren durchlöchert oder nebenbei eine LKW-Transportfirma aufkauft. Gefällt Ihnen Ihr Ruf des Sonderlings?

Kaman: Ich mache viele Dinge anders, weil ich mich einfach nicht davon einschränken lassen möchte, wie jeder glaubt, sich verhalten zu müssen. Die Menschen in der NBA sind einfach nicht daran gewöhnt, wenn einer ankommt und gewisse Regeln bricht. Aber mir ist das alles egal. Ich mache einfach das, was mir gefällt.

SPOX: Sie planen eine eigene Reality-Show mit dem Namen "Exploring Kaman". Wie ist der Stand?

Kaman: Ein paar Geschichten aus Litauen mit einzubringen, wäre bestimmt witzig geworden. Aber das eigentliche Filmen ist schon fertig. Wir waren Hochseefischen oder haben einen Trip nach Alaska unternommen. Alles sehr witzig und manchmal auch sehr gefährlich. Jetzt liegen die Bänder beim Schnitt, dann schauen wir nach der Bearbeitung, ob ein TV-Sender interessiert ist. Vielleicht hilft dieses Interview ja, in Deutschland einen Verantwortlichen neugierig zu machen. (lacht)

SPOX: Ein Wechsel in die BBL würde Ihren Marktwert steigern.

Kaman: Ich weiß wirklich nicht, wie es mit dem Lockout weitergeht. Ich bin am liebsten zuhause, aber wenn wirklich eine komplette Saison ausfällt, könnte es sehr gut sein, dass ich nach Übersee gehe. Und dann wäre Deutschland auf jeden Fall eine Option.

SPOX: Doch auch im Falle eines Lockout-Endes steht Ihre Zukunft in den Sternen. Angeblich denken die Clippers darüber nach, Sie zu traden. Letzte Saison waren auch die Mavs im Gespräch. Wie ist der Stand?

Kaman: Ich habe auch viele Gerüchte gehört und ich habe keine Ahnung, wer was durchsickern ließ. Es ist alles möglich. Ganz ehrlich: Stand jetzt weiß ich nicht, wie sich das alles entwickelt. Als ich das mit Dallas gehört habe, dachte ich mir schon, dass es klasse wäre, mit Dirk zu spielen. Andererseits haben sie jetzt die Championship gewonnen. Ob sie mich dann noch brauchen?

Der Spielplan zur EM 2011 in Litauen