Würzburg: Auferstanden von den Toten

Von Interview: Haruka Gruber
2001: Greene, Nowitzki, Willoughby, Garrett (v.l.) mit dem Maskokttchen des damaligen DBB-Sponsors
© Imago

Nach der goldenen Generation um Dirk Nowitzki, Robert Garrett, Demond Greene und Marvin Willoughby folgte der Total-Crash. Jetzt meldet sich Würzburg zurück: mit dem Traum von der NBA und einem Star-Coach.

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Mit John Patrick, dem Inbegriff des attraktiven Basketballs, gelang dem BBL-Aufsteiger die Verpflichtung eines der meist umworbenen Trainer Deutschlands.

Ohne Klaus Heuberger wäre der Erfolg nicht denkbar. 2007 erweckte der Würzburger Theaterboss gemeinsam mit dem Möbel-Unternehmer Jochen Bähr den wirtschaftlich zu Grunde gegangenen Klub wieder zum Leben. Als s.Oliver Baskets greift Würzburg in der BBL wieder an.

SPOX: Ende der 90er Jahre gab es im deutschen Basketball nichts Aufregenderes als Würzburg. Wie haben Sie die Zeit in Erinnerung?

Klaus Heuberger: Ich war damals als Fan immer in der Halle. Die goldene Generation mit Dirk Nowitzki, Robert Garrett, Demond Greene und Marvin Willoughby, was für ein Spektakel. Der erst schleichende und dann rasante Niedergang des Vereins hat mich dann umso härter getroffen. Vor allem, weil ich einen solchen Absturz schon Ende der 70er Jahre hautnah miterlebt hatte, als mit dem FV 04 Würzburg und den Würzburger Kickers zwei Fußball-Zweitligisten ebenfalls finanziell gescheitert waren.

SPOX: Wie lässt sich der Niedergang erklären?

Heuberger: Es kamen viele Faktoren zusammen. Es ist damals nicht gelungen, einen Hype um Nowitzki und die Jungs zu erzeugen, der dann das Interesse von Sponsoren und Zuschauern nach sich gezogen hätte. Dadurch setzte sich der Glaube durch, dass die Förderung des eigenen Nachwuchses nichts bringen würde, weil die Talente ohnehin von größeren Klubs weggelockt oder im Falle von Dirk weggedraftet werden. Und dann ist da noch das strukturelle Problem: Würzburg ist eine Universitäts- und Verwaltungsstadt, keine Industriestadt mit den entsprechenden Großsponsoren.

SPOX: 2005 versuchte Holger Geschwindner, Würzburg als Basketball-Standort zu retten - und scheiterte. Was war passiert?

Heuberger: Trotz des Bundesliga-Abstiegs und der Insolvenz bekam Würzburg ein Spielrecht für die 2. Liga. Holger Geschwindner wollte damals etwas aufbauen. Leider endete die Saison 2005/06 desaströs. Am Anfang kamen bis zu tausend erwartungsfrohe Zuschauer, am Ende waren es 20. Der Spielbetrieb war schlecht organisiert und bis auf einen Sieg wurden alle Partien verloren. Das ging soweit, dass bei Auswärtsfahrten nur sieben oder acht Spieler und keine Trainer und Betreuer dabei waren. Auch im Sponsorenbereich hat sich damals leider nichts getan. Nach einem Jahr war das Projekt tot.

SPOX: Geschwindner zeigt als Mentor und Manager von Nowitzki jedoch, dass er durchaus etwas auf die Beine stellen kann.

Heuberger: Es ist etwas anderes, ein überragender Individualtrainer zu sein oder einen Klub zu managen. Als Trainer genießt Herr Geschwindner natürlich mit Recht überall höchste Anerkennung.

SPOX: Sind Sie persönlich enttäuscht?

Heuberger: Als Fan ist man rückblickend sicherlich enttäuscht, wenn es keinen hochklassigen Basketball mehr in der Heimatstadt gibt. Es steht mir aber nicht zu, auch nur ansatzweise Kritik zu üben. Außerdem ist das Vergangenheit. Jetzt freuen wir uns sehr darüber, dass Dirk Nowitzki an seinem großen Tag in Würzburg ernsthaftes Interesse an unserer Nachwuchsarbeit gezeigt hat. Das ist natürlich super.

SPOX: Haben Sie etwas gegen die Nowitzki-Begeisterung, die alles in den Schatten stellt?

Heuberger: Natürlich nicht, ganz im Gegenteil. Bei seinem Empfang in Würzburg hat er die Würdigung erfahren, die er sich absolut verdient hat. Zumal die Feier eine unbezahlbare Werbung für die Stadt in der ganzen Welt war. So eine PR-Wirkung ist nicht einmal mit einem zweistelligen Millionenbetrag zu finanzieren. Es war ein großer Tag für Dirk und Würzburg. Jetzt stellt sich aber auch die Frage: Wie steht die Region zum Basketball, wenn Dirk wieder weg ist?

SPOX: Wo wünschen Sie sich Unterstützung?

Heuberger: Wir brauchen Nachhaltigkeit und setzen daher auf die Jugend. Unsere U 19 und die U 16 spielen bereits in der höchsten Spielklasse, aber wir müssen unsere Baskets Akademie weiter ausbauen, unter anderem mit Schul-Kooperationen und einem Internatskonzept. Wir haben viele Ideen, um vielleicht irgendwann den nächsten Nowitzki zu finden. Es wäre ein Traum, wenn wir nach ihm und Olumide Oyedeji erneut jemanden ausbilden würden, der irgendwann von der NBA gedraftet wird. Aber dazu braucht es ein Bekenntnis des gesamten Umfeldes. Wir tun unser Bestes und momentan sind wir auch auf einem guten Weg.

SPOX: Nowitzkis Entdecker Pit Stahl war in diesem Sommer ein Kandidat für den Posten des Sportdirektors.

Heuberger: Ich kenne Pit schon seit Anfang der 80er Jahre, als Würzburg in der Regionalliga spielte und er eine große Basketball-Hoffnung war. Wir sind seit Jahren in Kontakt und ich weiß, wie qualifiziert er für den Job gewesen wäre. Es war jedoch eine Frage der Gesamtkonstellation - und da haben wir uns für die Lösung mit John Patrick entschieden, unserem zukünftigen Chefcoach und Sportdirektor.

SPOX: Die Patrick-Verpflichtung ist eine Sensation in der BBL. Er stieg mit Göttingen auf, gewann die EuroChallenge, zog dreimal in die Playoffs ein und wurde selbst zweimal zum Trainer des Jahres gewählt. Wie konnten sie ihn überzeugen, nach Würzburg zu wechseln?

Heuberger: Wir haben über unsere großen Sponsoren s.Oliver und Knauf hinaus eine insgesamt breite Sponsorenbasis. Dadurch verfügen wir über eine solide finanzielle Grundlage, die wir weiter ausbauen können. In Göttingen scheint die Entwicklung offensichtlich ein wenig zu stagnieren, soweit wir das aus der Ferne beurteilen können. Deswegen hat die Perspektive wohl für uns gesprochen. John Patrick weiß, dass wir ihm wirtschaftlich und organisatorisch alles abnehmen und er im sportlichen Bereich das alleinige Sagen hat. Wir wollten mit ihm die größtmögliche sportliche Kompetenz in unser Programm bringen.

SPOX: Die Aussichten in Würzburg sind vielversprechend. Ausgerechnet im Moment des großen Erfolgs ziehen Sie sich jedoch aus dem Tagesgeschäft zurück. Warum?

Heuberger: Ich und mein Geschäftsführer-Partner Jochen Bähr arbeiten seit unserem Einstieg 2007, also seit über vier Jahren, an der gesundheitlichen Grenze. Wegen der Doppelbelastung Job/Basketball arbeiten wir oft 16 Stunden täglich inklusive Wochenenden, Ferien und Urlaub. Entsprechend gelegen kam die mit dem Aufstieg zwangsläufig einhergehende Notwendigkeit, unsere Strukturen weiter zu verbessern. Wir haben unsere Geschäftsstelle personell aufgestockt und mit dem früheren Würzburger Spieler Steffen Liebler einen hauptamtlichen Geschäftsführer eingestellt. Damit normalisiert sich mein Leben wieder - und ich kann den Basketball hoffentlich wieder ein bisschen mehr genießen. (lacht)

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