Bauermann: "Wir brauchen weitere Hochkaräter"

Von Interview: Haruka Gruber
Bundestrainer Dirk Bauermann betreut ab nächster Saison auch den FC Bayern
© Getty

Es gleicht einem Erdbeben für den deutschen Basketball: Dirk Bauermann startet mit dem FC Bayern ein einzigartiges Projekt und plant die Verpflichtung von Top-Stars - obwohl München nur in der ProA, der 2. Liga im Basketball, spielt. Bayerns neuer Headcoach und Bundestrainer in Personalunion über Druck von Uli Hoeneß, den Vergleich mit dem FC Barcelona und eine BBL-Wild-Card.
 

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SPOX: Anfang Juni wurde das Interesse des FC Bayern an Ihnen publik, zwei Wochen später ist der Vertrag bereits unterzeichnet. Ging es wirklich so schnell vonstatten, oder war es eine monatelange Top-Secret-Mission?

Dirk Bauermann: Zunächst gab es ein erstes Abtasten, die ernsthaften Gespräche wurden aber tatsächlich erst vor einigen Wochen aufgenommen. Erst stand im Mai bei den Bayern ja die Mitglieder-Umfrage an, ob der Verein überhaupt das Ziel verfolgen soll, sich im Spitzen-Basketball zu engagieren.

SPOX: Über 75 Prozent der Bayern-Mitglieder stimmten zu und machten den Weg frei für Ihre Verpflichtung. Eine Verpflichtung, die einen "Meilenstein für den deutschen Basketball" bedeutet, so Bambergs Geschäftsführer Wolfgang Heyder.

Bauermann: Sagen wir es so: Sie ist eine fast schon historische Chance für den deutschen Basketball, um die ProA und im zweiten Schritt auch die BBL enorm aufzuwerten. Der Begriff Meilenstein ist mir jedoch erst einmal zu hoch gegriffen. Einen Meilenstein haben wir erst erreicht, wenn wir bewiesen haben, dass das Konstrukt Bauermann/Bayern auch auf Dauer funktioniert.

SPOX: Welche Erwartungen hat Uli Hoeneß, der als Präsident des Vereins auch Ihr Vorgesetzter ist?

Bauermann: Wir haben uns natürlich im Vorfeld unterhalten und drei grundlegende Ziele festgelegt. Erstens: Wir bekommen nicht drei Jahre Zeit, um es irgendwann in die BBL zu schaffen. Vielmehr gibt es den konkreten und direkten Druck, den Aufstieg sofort im ersten Jahr zu schaffen. Zweitens: Uns muss es gelingen, mit erfolgreichem und begeisterndem Basketball ausreichend Zuschauer in die Halle zu locken. Und drittens: Langfristig sollen Talente aus München und der Region entwickelt und an das Profi-Team herangeführt werden.

SPOX: Ein viertes Ziel fehlt: Das Vordringen in die europäische Elite, um es dem offensichtlichen Vorbild FC Barcelona nachzumachen, der in dieser Saison in der Fußball-Champions-League im Halbfinale sowie in der Handball-Champions-League im Endspiel stand und die Euroleague, die Champions League im Basketball, gewann.

Bauermann: In all meinen Gesprächen mit Uli Hoeneß und den anderen Verantwortlichen kamen Namen wie der FC Barcelona oder auch das ähnlich breit aufgestellte Real Madrid nie vor. Behandelt wurden im Grunde nur zwei zentrale Fragen: Passt Basketball zum FC Bayern? Und hat es Aussicht auf Erfolg? Das Rüberschielen zu den anderen großen Vereinen in Europa hat es nie gegeben und ist aus Sicht der Bayern auch überhaupt nicht nötig.

SPOX: Das erste von Hoeneß formulierte Ziel lautet Bundesliga-Aufstieg - und lässt sich bereits vor der Saison realisieren, wenn sich der FC Bayern um eine Wild Card in der BBL bewirbt. Nachdem das zum Aufstieg berechtigte Cuxhaven auf eine Lizenz verzichtet, beginnt die BBL nach heutigem Stand nur mit 17 Teams.

Bauermann: Das ist kein Thema. Wir wollen mit Bescheidenheit an das Projekt herangehen und uns den Erfolg verdienen, statt uns einfach eine Wild Card zu erkaufen. Der FC Bayern soll sich sportlich für die BBL qualifizieren. Das halte ich für einen sehr sinnvollen Ansatz, um die Basketball-Fans in München und Umgebung von Anfang an auf unserer Reise mitzunehmen und so eine Begeisterung zu entfachen.

SPOX: Um sportlich aufzusteigen, ist eine Aufrüstung des Kaders aber unumgänglich. Letztes Jahr wurde der FCB in der ProA nur abgeschlagen Achter.

Bauermann: Daher werden wir in der ersten Saison nicht auf Teufel komm raus nur auf Talente aus der Region setzen, sondern uns auch wesentlich verstärken. Wenn wir uns etabliert und Strukturen geschaffen haben, können wir gezielt den Nachwuchs fördern. Aber zunächst ist die Anhebung des Niveaus im Kader die wichtigste Aufgabe.

SPOX: Laut des Fachmagazins "FIVE" verdient ein aktueller deutscher Nationalspieler zwischen 50.000 und 250.000 Euro. Beträge, die für einen Verein wie den Bayern finanzierbar sein sollten.

Bauermann: Eines ist klar: Um die geplante Entwicklung gewährleisten zu können, brauchen wir weitere Hochkaräter. Ich bin gespannt, ob es uns gelingt, diese zu verpflichten. Wir spielen zwar nächste Saison weiterhin zweitklassig, aber für den einen oder anderen Top-Spieler sind wir sicherlich interessant, weil das Projekt unendlich großes Entwicklungspotenzial bietet und der Name FC Bayern dahinter steckt. Daher geht es darum, Leute zu finden, die langfristig denken, an dieses bisher einzigartige Projekt glauben und vielleicht auch emotional von der Idee begeistert sind, weil sie als Kind in Bayern-Bettwäsche geschlafen haben.

SPOX: Welche Mittel stehen Ihnen zur Verfügung? Bisher hatte die Basketball-Abteilung der Bayern einen Etat von angeblich 350.000 Euro, den Frankfurt Skyliners reichen wiederum rund 3,5 Millionen Euro, um eine Mannschaft zusammenzustellen, die das BBL-Finale erreicht hat.

Bauermann: Ich gehe davon aus, dass wir mit einem siebenstelligen Betrag planen können, anders geht es aber auch nicht, um die Ziele zu verwirklichen. Wir stehen bei der Suche nach Neuzugängen im direkten Wettstreit mit Klubs aus der BBL und dem Ausland, daher kann man bei aller Bescheidenheit nicht mit einem mittelprächtigen Budget auskommen. Groß denken und klein handeln geht nicht. In den finanziellen Regionen der Skyliners wird sich das alles aber nicht abspielen.

SPOX: Sie haben die Suche nach Neuzugängen angesprochen. Die Konkurrenz wird argwöhnen, dass Sie in Ihrer Doppelfunktion die Rolle des einflussreichen Bundestrainers im Sinne des FC Bayern missbrauchen, um interessante deutsche Spieler nach München zu locken.

Bauermann: Deswegen werde ich extrem sensibel mit diesem Thema umgehen. Es wäre beispielsweise fatal, den Markt an jungen Spielern leer zu frühstücken, wodurch sich andere Mannschaften übergangen fühlen. Das Argument, dass der Bundestrainer seine Doppelfunktion instrumentalisiert, darf nicht aufkommen und wird auch nicht aufkommen.

SPOX: Sie wurden vom FC Bayern explizit als neuer Cheftrainer vorgestellt, Ihr Arbeitsprofil geht jedoch über das reine Coaching hinaus. Wie sieht Ihre Rolle genau aus?

Bauermann: Ich sehe mich als Galionsfigur und Lokomotive, die vorangeht und neue Dinge anstößt. Ein bisschen wie bei Felix Magath werde ich vor allem im ersten Jahr auf vielen Hochzeiten tanzen und mich um alle relevanten Bereiche kümmern. In zwei, drei Jahren können einige Aufgaben delegiert werden, aber zunächst ist es wichtig, die Ressourcen in die Qualität der Mannschaft zu investieren.

SPOX: Sie reden von den kommenden zwei, drei Jahren, dabei gilt Ihr Vertrag nur bis 2011.

Bauermann: Der Vertrag ist nur für die kommende Saison befristet, weil der FC Bayern wie auch ich sehen müssen, ob es miteinander passt. Einerseits erwartet der Verein sofortigen Erfolg, andererseits will ich, dass meine Vorstellungen umgesetzt und vom Verein getragen werden. Aber man kann sich vorstellen, dass ich das Engagement nie angenommen hätte, wenn das Projekt nicht langfristig ausgelegt wäre. Als Zeitrahmen sind erst einmal drei bis fünf Jahre veranschlagt. Wenn es um Kurzfristigkeit gegangen wäre, hätte ich im südeuropäischen Ausland eine wesentlich höher dotierte Stelle annehmen können. Zumal ich bei den Bayern angesichts des zu erwartenden Drucks im ersten Jahr im Grunde eh nur verlieren kann.

SPOX: Im Idealfall betreuen Sie in München ab 2011 einen Bundesligisten - gleichzeitig sind Sie bis 2013 als Bundestrainer angestellt. Ein Job, den Sie sicher nicht aufgeben wollen, immerhin hat der DBB gute Chancen, 2013 die EM im eigenen Land auszutragen. Sind Sie nach den Erfahrungen mit Bamberg auf die erneute Doppelbelastung vorbereitet?

Bauermann: Ich war fünf Jahre lang gleichzeitig für Bamberg und die Nationalmannschaft verantwortlich - und in den ersten drei, vier Jahren lief es hervorragend. Bamberg gewann in dieser Zeit zweimal den Titel und das DBB-Team wurde EM-Zweiter sowie -Fünfter und schaffte die Olympia-Qualifikation. Im fünften Jahr war mein Akku aber leer, so ehrlich muss ich sein. Nach zwei Jahren ausschließlich Verbandsarbeit sind die Akkus jedoch wieder so voll, dass die Batterien wohl platzen, wenn sie weiter aufgeladen werden würden. Ich muss wieder täglich in die Halle!

SPOX: Werden Sie dort auch mal auf die Stars der Fußball-Mannschaft treffen?

Bauermann: Denkbar ist alles. Bei den Fußballern genießt Basketball eine enorme Popularität, nicht umsonst war Denis Wucherer vor zwei Jahren bei der EM-Vorbereitung der Nationalelf zwei Tage vor Ort und hat mit den Spielern Basketball-Trainings durchgezogen, was offenbar sehr gut ankam. Vor allem Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm haben sich als große Basketball-Talente herausgestellt. Die Affinität ist demnach gegeben - und es wäre sensationell, wenn bei unserem ersten Heimspiel der eine oder andere Fußball-Profi in der ersten Reihe sitzen würde.

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