Traurige Legenden und lausige Helden

Von Bernd Schmidt
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© Getty

München - Pepu Hernandez ist ein kleiner Mann. Und von kleinen Männern sagt man, dass sie sich gerne mal aufplustern, um körperliche Defizite zu kaschieren. 

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Sei es mit einer überdimensionalen Frisur - wie bei Hernandez mit seinem David-Ginola-Gedächtnishaarschnitt - oder mit überbordend selbstbewussten Statements - wie bei Hernandez sogar nach der Niederlage im EM-Finale der Fall.

Mit 59:60 verlor der große Turnierfavorit Spanien das Endspiel gegen Russland, dennoch sagte der Nationaltrainer: "Wir haben die beste Nationalmannschaft aller Zeiten. Wir hätten den Titel verdient gehabt."

Und weiter: "Wir sind Weltmeister. Meine Spieler können zu Legenden werden." Selbstzweifel? Fehlanzeige. Denn Hernandez weiß um die Stärke seiner Mannen.

Hätte Pau Gasol vielleicht nicht sieben von zwölf Freiwürfen verworfen, hätten Gasol und Carlos Jimenez in der letzten Spielminute nicht den Ball vertändelt, hätte Russlands Spielmacher J.R. Holden nicht mit Ring und Brett getroffen - Spanien wäre zweifelsfrei Europameister geworden.

Daher: Ehre, wem Ehre gebührt. Gleich zwei Spanier stehen im All-Star-Team der EM.

Center: Pau Gasol (Spanien)

Im Finale erlebte Gasol von der Freiwurflinie sein persönliches Nick-Anderson-Drama - und vergab auch noch den möglichen Gamewinner mit der Schlusssirene.

"Ich übernehme die Verantwortung für die Niederlage", sagte Gasol. "Ich war einfach nicht da, wenn es darauf ankam."

Naja, nicht so überkritisch, Herr Ober-Grizzlie. Mit 18,8 Punkten und 7,0 Rebounds im Schnitt sowie einer 62,1-prozentigen Wurfquote stehen Sie ja nicht von ungefähr im All-Star-Team und führten Spanien ins Finale. Nur das i-Tüpfelchen hat halt gefehlt.

Forward: Dirk Nowitzki (Deutschland)

Turnier-Topscorer mit 24 Punkten pro Spiel, zudem 8,7 Rebounds abgegriffen und 86 Prozent aller Freiwürfe versenkt: Nowitzki ist Basketball-Deutschland. So einfach ist das.

Ohne ihn wären die Bauermänner vermutlich nur drittklassig, der fünfte EM-Platz wäre so unerreichbar wie Beyonce, Heidi oder Charlize.

Das einzige, was man sich als Zuschauer von Nowitzki gewünscht hätte: Mal so richtig auf den Putz hauen, wenn die Okulajas und Demirels der Welt wieder mal den Ball wegschenken oder Greene den offenen Dreier verweigert.

Forward: Andrei Kirilenko (Russland)

Es war schon lausig, wie sich Kirilenko die letzten Monate präsentiert hatte. Lustlos zog er die Saison bei den Utah Jazz durch, Ärger mit seinem Coach, dem Klubbesitzer und den Fans inklusive.

Aber dann das: EM-Titel und MVP-Titel abgeräumt, garniert mit grandiosen 18 Punkten, 8,6 Rebounds, 2,2 Steals sowie 1,8 Blocks.

Der russische Nationalcoach David Blatt zu den Verteidigungskünsten seines Schützlings: "Man kann einen Kobe Bryant nicht mit einem einzelnen Schuss stoppen. Dafür braucht man eine AK-47."

Guard: Ramunas Sikauskas (Litauen)

Spätestens nach dem Turnier weiß auch das restliche Europa, warum der Neu-Moskauer auf den Spitznamen "Der baltische Pippen" hört.

13,8 Punkte, 3,9 Rebounds und 44,4 Prozent von jenseits der Dreierlinie kommen eben nicht von Ungefähr. Fast schon beängstigend seine Leistung gegen Russland im Halbfinale: 30 Punkte, fünf von zehn Dreiern, vier Rebounds, vier Assists und gigantische fünf Steals.

Wer weiß, was beim EM-Dritten drin gewesen wäre, wenn der baltische Pippen einen baltischen Jordan zur Seite gehabt hätte.

Guard: Jose Calderon (Spanien)

Egal ob Demirel, Hamann oder Roller: Das deutsche Trio fühlte sich im Viertelfinale missbraucht.

Missbraucht von Senor Calderon als Spielball seiner Launen. Von Downtown, per Drive zum Korb oder den einfachen Pass auf den freien Mitspieler: Calderon führte die deutschen Point Guards vor - und nicht nur die.

Auch wenn 12,3 Punkte, 2,1 Rebounds und 2,3 Assists oberflächlicht betrachtet nicht überragend sind, war Calderon der beste Spielmacher des Turniers. Wegen seiner Intelligenz, wegen seiner Übersicht, wegen seiner Abgebrühtheit. Nur im Finale, da wollte es auch bei ihm nicht mit dem i-Tüpfelchen klappen.