Wie Red Bull die nächsten Stars züchtet

Die Red Bull Fußball & Eishockey Akademie in Salzburg setzt Maßstäbe
© red bull
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Ein unscheinbares Statement zum Thema klare Regeln beinhaltet auch die Lage. Die Verlockungen der Stadt sind weit weg. Die nächste Bushaltestelle befindet sich in einigen Minuten Entfernung. Die Busse fahren nur in größeren Abständen. Zwar bekommt jeder Jugendliche ein Fahrrad, der Ausflug nach Salzburg wird dadurch jedoch nur bedingt interessanter.

Die transportierte Nachricht: Wer in der Akademie trainiert, in einem Ausbildungszentrum, das weltweit Maßstäbe setzt, soll seinen Fokus auf den Sport richten.

Es gilt Opfer zu bringen. Für sich, die Zukunft und die gebotenen Möglichkeiten.

Ein 500 Quadratmeter großer Fitnessbereich, der sich über zwei Ebenen erstreckt, gehört ebenso dazu wie eine abtrennbare Turnhalle und ein aus 42 Stationen bestendender Motorikpark mit einer Länge von knapp 300 Metern.

Hightech zur Leistungssteigerung

Soll an spezifischeren Fähigkeiten gearbeitet werden, geht es für die Spieler zudem in das Shooting Center, das jedoch nichts mit der Schießanlage in direkter Nachbarschaft gemeinsam hat. Eine RapidShot-Anlage passt den Puck mit wechselnder Geschwindigkeit aus verschiedenen Winkeln auf den Schläger des Spielers, der im Anschluss versuchen muss, die Scheibe auf markierte Bereiche des Tores zu schießen.

Da jeder Internatsbewohner des Eishockeybereichs eine Zugangskarte hat, auf der die Leistungen gespeichert werden, ist die individuelle Entwicklung nachvollziehbar und die Jugendlichen können wie bei einem Computerspiel am eigenen Highscore feilen und sich vergleichen.

Für ein konditionsbasiertes Training stehen wenige Meter weiter zwei Skate Mills zur Verfügung. Laufbänder aus speziellem Kunststoff, auf denen die Spieler auf Schlittschuhen laufen. In großen Spiegeln ist jeder Schritt genau zu erkennen. Alternativ geht es auf den Speedcourt, in der Turnhalle soll neben den Fähigkeiten auch an einem starken Miteinander und einem regen Austausch aller Altersklassen gefeilt werden.

Generell spielt Kommunikation neben den sportlichen Möglichkeiten eine entscheidende Rolle. "Zu den Spielern habe ich Kontakt. Vor allem natürlich auch zu den Jugendlichen, die im Sommer neu dazugekommen sind. Bei diesen Spielern hatte ich vom Erstkontakt mit den Eltern bis hin zum Einzug in die Akademie eine Vielzahl von Gesprächen", schildert de Raaf.

Gigantisch und vor allem zweckmäßig

Trotz des Miteinanders fällt die klare Unterteilung durch verschlossene Türen beim Gang durch das Gebäude ins Auge. Wer Zutritt zu einem Bereich erlangen möchte, benötigt ein spezielles Armband oder besser: besondere Rechte. Auch beim Zugang zum Internatsbereich geht deshalb nichts ohne eine Berechtigung.

Untergebracht sind die Jugendlichen in einem äußerst hellen und lichtdurchfluteten, mehrstöckigen Gebäude. Es lässt in puncto Sauberkeit jedes Krankenhaus vor Neid erblassen, kommt aber nicht so kalt daher. Ein Glasdach sorgt für Tageslicht, Billardtische, bunte Sitzbereiche, jede Menge Pflanzen sowie eine große Anzahl an Bildern für eine gemütliche Atmosphäre. Auf den Fluren laufen Jugendliche im RB-Dress vorbei, unterhalten sich angeregt, machen Späße. Vom vermeintlich elitären Flair einer Star-Schmiede ist nichts zu spüren.

Im unteren Bereich des Internatsgebäudes befindet sich die medizinische Abteilung. Sie verfügt unter anderem über ein eigenes Diagnostikzentrum sowie einen Regenerationsbereich mit einer Sauna, einem Infrarotbereich, einem Solarium-Dampfbad und zwei Whirlpools. Mit ausufernden Partys und der damit einhergehenden Zweckentfremdung ist allerdings eher nicht zu rechnen.

Schlichtheit ist Trumpf

Trotz des finanziellen Aufwands, den sich in diesem Ausmaß kaum ein Sportverein ohne einen potenten Investor erlauben könnte, kommt selbst im Prunkstück in Sachen Nachwuchsarbeit nie das Gefühl auf, dass Geld zum Fenster hinausgeworfen würde.

Die Zimmer erinnern durch ihre Einrichtung mehr an ein Studentenwohnheim als an ein Luxus-Hotel. Die Jüngeren müssen zum Fernsehen in einen Gemeinschaftsraum gehen. Dort gibt es auch Spielkonsolen mit ausgewählten (Sport-)Titeln, Darts-Scheiben oder Kicker. Zapfenstreich ist unter der Woche um 22 Uhr.

Auch diejenigen, die aufgrund der Betreuung ein "Hotel Mama" erwarten, werden enttäuscht. Privatkleidung muss selbst gewaschen werden, auch für die Zimmerreinigung sind die Jugendlichen verantwortlich. Auch nach gemeinsamen Mahlzeiten im komplett verglasten Speisesaal, in dem mehrmals am Tag von Ernährungsberatern abgestimmte Menüs und Snacks angeboten werden, wird das Geschirr nicht von Angestellten entfernt, sondern von den Jugendlichen. Anfallende Dienste, wie die Lebensmittel in die Küche zu bringen, werden nicht als Last, sondern als Normalität angesehen.

Eigendynamik als Motor

Die Förderung der Selbstständigkeit ist ein zentrales Ziel. Auch deshalb ist die Zeit begrenzt. "Die Jugendlichen, die in der Akademie untergebracht sind, sind maximal 18 Jahre alt. Die Spieler, die älter sind, leben in einem Appartement-Haus, das wir erst vor kurzem eingeweiht haben oder in kleinen Wohnungen innerhalb der Stadt", erklärt de Raaf. "Wir sind der Meinung, dass der Weg fort von der behüteten Betreuung und hin zur Selbstständigkeit führen muss."

Die Selbständigkeit dient zusammen mit der stets angepriesenen Durchlässigkeit in den Profi-Bereich ferner als Mittel, Persönlichkeiten reifen zu lassen. So trainieren die, die es geschafft haben, mindestens zwei Mal die Woche in der Akademie. Beim gemeinsamen Mittagessen sollen Gespräche zwischen Profis und Jugendlichen für neue Motivation sorgen.

Auch unter den Jugendlichen ist gegenseitige Hilfe ein großes Thema. Die sich somit entwickelnde Eigendynamik sorgt dafür, dass ältere Internatsbewohner die jüngeren laut eigener Erklärung unter ihre Fittiche nehmen, beziehungsweise selbige sich an ihren "Vorbildern" orientieren.

Jedem scheint klar zu sein: Wer hier ist, der verdient es auch. Viele kommen auf maximal einen freien Tag in der Woche, der Rest ist vollgepackt mit Training und Schule. Das schweißt zusammen. Und es hilft, mit der Kritik umzugehen, die von außen auf Red Bull einprasselt.

Wir gegen den Rest?

"Wir konzentrieren uns nur auf uns und wollen unsere Arbeit bestmöglich machen. Wir haben klare Ideen und Ziele", sagt de Raaf. "Im Endeffekt gibt es mit Herrn Mateschitz jemanden, der sehr viel Geld in Sport investiert. Viele Millionen fließen in einen Bereich, der keine Garantien liefert. Das sollte man schätzen, es wird aber leider gar nicht gesehen."

Tanner geht sogar einen Schritt weiter. "Mich persönlich kratzt die RB-Kritik nicht", so der 50-Jährige: "Mir ist das völlig egal, wenn irgendwelche Idioten Hasstiraden ins Internet stellen. Die Spieler haben Woche für Woche harte Spiele, weil das Spiel gegen Red Bull immer etwas Besonderes ist. Da geht's auf die Knochen und auch mal verbal wird es harsch. Aber das ist das Beste, was unseren Spielern passieren kann."

Einen Vergleich mit RB Leipzig will keiner der Verantwortlichen ziehen. Der Fokus liege stets nur auf den eigenen Ansprüchen und Leistungen. Es werde sehr viel Geld in jeden einzelnen Spieler investiert, erklärt de Raaf. Etwas, das dem 55-Jährigen zufolge unüblich sei: "Heutzutage werden Regeln aufgestellt, damit in Nachwuchs investiert wird. Und was wird dann gemacht? Es wird versucht, diese zu umgehen. Das ist für mich ein Zeichen, dass wir noch nicht an dem Punkt sind, an den wir kommen müssen."

Was in Salzburg geleistet werde, sei etwas Außergewöhnliches, findet auch Rose und fügt an: "Man ist schnell dabei, zu werten und Dinge zu beurteilen, die man vielleicht gar nicht kennt."

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